raschte sie mich, wie ich auf dem Verdeck umher ging, und nun vom Schnabel zum Steuer hinab sehen konnte. Da ergriff mich der Gedanke des Menschenwerks! nun mahlte ich mir die Auftritte, zu denen dieses Schiff bestimmt war, nun dachte ich mir die Jahrhunderte, die verflossen, ehe die- ses ungeheure Gebäude bis auf jedem Zoll seines Raumes berechnet, auf dem pfadlosen Ocean se- geln lernte -- ich dachte mir Agamemnons schön geschnäbelte Schiffe neben dieser stolzen Wellen- königin, dachte mir die Schlacht von Salamin, und den Kampf zu dem dieser Riesenbau bestimmt ist. -- O ich hätte vieles, vieles darum gegeben, eine halbe Stunde hier allein bleiben zu dürfen! ich sah den Mastenwald hinauf nach Osten, und den Mastenwald hinab, wo die Sonne sank -- und über die trüben Wellen hin, die ihre salzige Fluth mit dem nahen Ocean verbinden, und ver- mählte die neuen Bilder meiner Seele mit euerm Andenken, und dem des theuern Todten, der vor achtzehn Jahren an eben diesem Platze stand. Das Kriegsschiff, das er damals in die Wellen gleiten sah -- welche fremde Meere durchschnitt es seitdem? wie viel Blut trank es? verschlan- gen es die Fluthen des Oceans, wie ihn die Fluthen
raſchte ſie mich, wie ich auf dem Verdeck umher ging, und nun vom Schnabel zum Steuer hinab ſehen konnte. Da ergriff mich der Gedanke des Menſchenwerks! nun mahlte ich mir die Auftritte, zu denen dieſes Schiff beſtimmt war, nun dachte ich mir die Jahrhunderte, die verfloſſen, ehe die- ſes ungeheure Gebaͤude bis auf jedem Zoll ſeines Raumes berechnet, auf dem pfadloſen Ocean ſe- geln lernte — ich dachte mir Agamemnons ſchoͤn geſchnaͤbelte Schiffe neben dieſer ſtolzen Wellen- koͤnigin, dachte mir die Schlacht von Salamin, und den Kampf zu dem dieſer Rieſenbau beſtimmt iſt. — O ich haͤtte vieles, vieles darum gegeben, eine halbe Stunde hier allein bleiben zu duͤrfen! ich ſah den Maſtenwald hinauf nach Oſten, und den Maſtenwald hinab, wo die Sonne ſank — und uͤber die truͤben Wellen hin, die ihre ſalzige Fluth mit dem nahen Ocean verbinden, und ver- maͤhlte die neuen Bilder meiner Seele mit euerm Andenken, und dem des theuern Todten, der vor achtzehn Jahren an eben dieſem Platze ſtand. Das Kriegsſchiff, das er damals in die Wellen gleiten ſah — welche fremde Meere durchſchnitt es ſeitdem? wie viel Blut trank es? verſchlan- gen es die Fluthen des Oceans, wie ihn die Fluthen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0165"n="151"/>
raſchte ſie mich, wie ich auf dem Verdeck umher<lb/>
ging, und nun vom Schnabel zum Steuer hinab<lb/>ſehen konnte. Da ergriff mich der Gedanke des<lb/>
Menſchenwerks! nun mahlte ich mir die Auftritte,<lb/>
zu denen dieſes Schiff beſtimmt war, nun dachte<lb/>
ich mir die Jahrhunderte, die verfloſſen, ehe die-<lb/>ſes ungeheure Gebaͤude bis auf jedem Zoll ſeines<lb/>
Raumes berechnet, auf dem pfadloſen Ocean ſe-<lb/>
geln lernte — ich dachte mir Agamemnons ſchoͤn<lb/>
geſchnaͤbelte Schiffe neben dieſer ſtolzen Wellen-<lb/>
koͤnigin, dachte mir die Schlacht von Salamin,<lb/>
und den Kampf zu dem dieſer Rieſenbau beſtimmt<lb/>
iſt. — O ich haͤtte vieles, vieles darum gegeben,<lb/>
eine halbe Stunde hier allein bleiben zu duͤrfen!<lb/>
ich ſah den Maſtenwald hinauf nach Oſten, und<lb/>
den Maſtenwald hinab, wo die Sonne ſank —<lb/>
und uͤber die truͤben Wellen hin, die ihre ſalzige<lb/>
Fluth mit dem nahen Ocean verbinden, und ver-<lb/>
maͤhlte die neuen Bilder meiner Seele mit euerm<lb/>
Andenken, und dem des theuern Todten, der vor<lb/>
achtzehn Jahren an eben dieſem Platze ſtand.<lb/>
Das Kriegsſchiff, das er damals in die Wellen<lb/>
gleiten ſah — welche fremde Meere durchſchnitt<lb/>
es ſeitdem? wie viel Blut trank es? verſchlan-<lb/>
gen es die Fluthen des Oceans, wie ihn die Fluthen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0165]
raſchte ſie mich, wie ich auf dem Verdeck umher
ging, und nun vom Schnabel zum Steuer hinab
ſehen konnte. Da ergriff mich der Gedanke des
Menſchenwerks! nun mahlte ich mir die Auftritte,
zu denen dieſes Schiff beſtimmt war, nun dachte
ich mir die Jahrhunderte, die verfloſſen, ehe die-
ſes ungeheure Gebaͤude bis auf jedem Zoll ſeines
Raumes berechnet, auf dem pfadloſen Ocean ſe-
geln lernte — ich dachte mir Agamemnons ſchoͤn
geſchnaͤbelte Schiffe neben dieſer ſtolzen Wellen-
koͤnigin, dachte mir die Schlacht von Salamin,
und den Kampf zu dem dieſer Rieſenbau beſtimmt
iſt. — O ich haͤtte vieles, vieles darum gegeben,
eine halbe Stunde hier allein bleiben zu duͤrfen!
ich ſah den Maſtenwald hinauf nach Oſten, und
den Maſtenwald hinab, wo die Sonne ſank —
und uͤber die truͤben Wellen hin, die ihre ſalzige
Fluth mit dem nahen Ocean verbinden, und ver-
maͤhlte die neuen Bilder meiner Seele mit euerm
Andenken, und dem des theuern Todten, der vor
achtzehn Jahren an eben dieſem Platze ſtand.
Das Kriegsſchiff, das er damals in die Wellen
gleiten ſah — welche fremde Meere durchſchnitt
es ſeitdem? wie viel Blut trank es? verſchlan-
gen es die Fluthen des Oceans, wie ihn die Fluthen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/165>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.