Gebet; im Alter thut es die Freude. Denn das Bedürfniß inniger Gemüther Schmerz zu em- pfinden, ist doch nur Bedürfniß von der Erde auf- wärts zu steigen; wenn die Sonne des Lebens dann sinkt, vergoldet sie die Höhen, die über den langen Erdenschatten noch herausragen, und wir erkennen sie, und danken und beten. Diese Trüm- mern waren nach so vielen Jahren das Bild mei- nes Lebens geworden, eine neue blühende Schö- pfung sproßte aus ihnen empor. Es haben gewiß viele Reisende von Heidelberg erzählt, ich glaube sogar, daß ich in meinen Wäldern eines ganzen Buches über Heidelberg habe erwähnen hören; hat man denn aber auch recht herzlich gesagt, wie schön die Anlage um das alte Schloß ist? Sie ist ganz das Werk des Oberforstraths Gatterer. Hat denn wohl ein Bemühen einen schönern Lohn, wie die Wirkung die aus ihm selbst entspringt, ohne Lob, ohne Dank? Der Genuß dieser herrlichen Natur muß wohlthätig seyn, denn gewiß, gewiß, unschuldige Freude macht gut, und das ist der Lohn des Mannes, der hier mit einem, jedem Schönen offenen Sinn das Lokal benutzte. Aber welches Lokal! das schönste Abendroth strahlte heute vom Himmel, und zeigte die Trümmern in
Gebet; im Alter thut es die Freude. Denn das Beduͤrfniß inniger Gemuͤther Schmerz zu em- pfinden, iſt doch nur Beduͤrfniß von der Erde auf- waͤrts zu ſteigen; wenn die Sonne des Lebens dann ſinkt, vergoldet ſie die Hoͤhen, die uͤber den langen Erdenſchatten noch herausragen, und wir erkennen ſie, und danken und beten. Dieſe Truͤm- mern waren nach ſo vielen Jahren das Bild mei- nes Lebens geworden, eine neue bluͤhende Schoͤ- pfung ſproßte aus ihnen empor. Es haben gewiß viele Reiſende von Heidelberg erzaͤhlt, ich glaube ſogar, daß ich in meinen Waͤldern eines ganzen Buches uͤber Heidelberg habe erwaͤhnen hoͤren; hat man denn aber auch recht herzlich geſagt, wie ſchoͤn die Anlage um das alte Schloß iſt? Sie iſt ganz das Werk des Oberforſtraths Gatterer. Hat denn wohl ein Bemuͤhen einen ſchoͤnern Lohn, wie die Wirkung die aus ihm ſelbſt entſpringt, ohne Lob, ohne Dank? Der Genuß dieſer herrlichen Natur muß wohlthaͤtig ſeyn, denn gewiß, gewiß, unſchuldige Freude macht gut, und das iſt der Lohn des Mannes, der hier mit einem, jedem Schoͤnen offenen Sinn das Lokal benutzte. Aber welches Lokal! das ſchoͤnſte Abendroth ſtrahlte heute vom Himmel, und zeigte die Truͤmmern in
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Gebet; im Alter thut es die Freude. Denn das
Beduͤrfniß inniger Gemuͤther Schmerz zu em-
pfinden, iſt doch nur Beduͤrfniß von der Erde auf-
waͤrts zu ſteigen; wenn die Sonne des Lebens
dann ſinkt, vergoldet ſie die Hoͤhen, die uͤber den
langen Erdenſchatten noch herausragen, und wir
erkennen ſie, und danken und beten. Dieſe Truͤm-
mern waren nach ſo vielen Jahren das Bild mei-
nes Lebens geworden, eine neue bluͤhende Schoͤ-
pfung ſproßte aus ihnen empor. Es haben gewiß
viele Reiſende von Heidelberg erzaͤhlt, ich glaube
ſogar, daß ich in meinen Waͤldern eines ganzen
Buches uͤber Heidelberg habe erwaͤhnen hoͤren;
hat man denn aber auch recht herzlich geſagt, wie
ſchoͤn die Anlage um das alte Schloß iſt? Sie iſt
ganz das Werk des Oberforſtraths Gatterer. Hat
denn wohl ein Bemuͤhen einen ſchoͤnern Lohn, wie
die Wirkung die aus ihm ſelbſt entſpringt, ohne
Lob, ohne Dank? Der Genuß dieſer herrlichen
Natur muß wohlthaͤtig ſeyn, denn gewiß, gewiß,
unſchuldige Freude macht gut, und das iſt der
Lohn des Mannes, der hier mit einem, jedem
Schoͤnen offenen Sinn das Lokal benutzte. Aber
welches Lokal! das ſchoͤnſte Abendroth ſtrahlte
heute vom Himmel, und zeigte die Truͤmmern in
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/22>, abgerufen am 22.12.2024.
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