Bauern an seine Natur knüpft, die Erhabenheit des Schöpfers, die auf seinen Schneegipfeln thront -- das ist seelenerhebender, wie eben so große Thaten auf diesem flachen Lande, wie die knechti- sche Natur, die diese gepflanzten Bäume schaft, diese geleiteten Wasser fortrollt. Ich lebte ja in dem Alpenlande ohne den lebhaften Enthusiasmus, der, weil er zu viel behauptet, wenig beweist. Für mich war Tell nie ein Brutus und Morgar- ten kein Termopylä, aber jene schneebedeckten Gi- pfel, jene Felsenzacken waren mir dennoch heilige Zeugen, nicht sowohl jener schwer zu beweisenden, vielleicht sehr zweideutigen Thaten, als des gött- lichen Funkens in der Menschenbrust, der bei allem Erhabenen entglüht.
Bauern an ſeine Natur knuͤpft, die Erhabenheit des Schoͤpfers, die auf ſeinen Schneegipfeln thront — das iſt ſeelenerhebender, wie eben ſo große Thaten auf dieſem flachen Lande, wie die knechti- ſche Natur, die dieſe gepflanzten Baͤume ſchaft, dieſe geleiteten Waſſer fortrollt. Ich lebte ja in dem Alpenlande ohne den lebhaften Enthuſiasmus, der, weil er zu viel behauptet, wenig beweiſt. Fuͤr mich war Tell nie ein Brutus und Morgar- ten kein Termopylaͤ, aber jene ſchneebedeckten Gi- pfel, jene Felſenzacken waren mir dennoch heilige Zeugen, nicht ſowohl jener ſchwer zu beweiſenden, vielleicht ſehr zweideutigen Thaten, als des goͤtt- lichen Funkens in der Menſchenbruſt, der bei allem Erhabenen entgluͤht.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0284"n="270"/>
Bauern an ſeine Natur knuͤpft, die Erhabenheit<lb/>
des Schoͤpfers, die auf ſeinen Schneegipfeln thront<lb/>— das iſt ſeelenerhebender, wie eben ſo große<lb/>
Thaten auf dieſem flachen Lande, wie die knechti-<lb/>ſche Natur, die dieſe gepflanzten Baͤume ſchaft,<lb/>
dieſe geleiteten Waſſer fortrollt. Ich lebte ja in<lb/>
dem Alpenlande ohne den lebhaften Enthuſiasmus,<lb/>
der, weil er zu viel behauptet, wenig beweiſt.<lb/>
Fuͤr mich war Tell nie ein Brutus und Morgar-<lb/>
ten kein Termopylaͤ, aber jene ſchneebedeckten Gi-<lb/>
pfel, jene Felſenzacken waren mir dennoch heilige<lb/>
Zeugen, nicht ſowohl jener ſchwer zu beweiſenden,<lb/>
vielleicht ſehr zweideutigen Thaten, als des goͤtt-<lb/>
lichen Funkens in der Menſchenbruſt, der bei allem<lb/>
Erhabenen entgluͤht.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[270/0284]
Bauern an ſeine Natur knuͤpft, die Erhabenheit
des Schoͤpfers, die auf ſeinen Schneegipfeln thront
— das iſt ſeelenerhebender, wie eben ſo große
Thaten auf dieſem flachen Lande, wie die knechti-
ſche Natur, die dieſe gepflanzten Baͤume ſchaft,
dieſe geleiteten Waſſer fortrollt. Ich lebte ja in
dem Alpenlande ohne den lebhaften Enthuſiasmus,
der, weil er zu viel behauptet, wenig beweiſt.
Fuͤr mich war Tell nie ein Brutus und Morgar-
ten kein Termopylaͤ, aber jene ſchneebedeckten Gi-
pfel, jene Felſenzacken waren mir dennoch heilige
Zeugen, nicht ſowohl jener ſchwer zu beweiſenden,
vielleicht ſehr zweideutigen Thaten, als des goͤtt-
lichen Funkens in der Menſchenbruſt, der bei allem
Erhabenen entgluͤht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/284>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.