Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

euch das, wie ihr wollt, viel Glorreiches wird nicht
herauskommen, so lange der Junker zu Hause ist.
Heil und Segen daher dem adlichen Knaben, der
früh in eine Pension kommt, in vieler Rücksicht,
gleichviel in welche -- die Hauptsache ist immer,
daß er fern sey von der Kriecherei der Untergebenen,
und der Leerheit oder Rohheit seiner Pair's. Da
macht die zärtlichste Sorgfalt der Eltern kein
Uebles gut. Ich sah schon Beispiele der herzlich-
sten Wohlmeinenheit für das Beste der Kinder,
besonders der Knaben -- da wird nichts gewon-
nen, wie eine flache, weichliche Künstlichkeit, die
den armen Wicht außer die wirkliche Welt ver-
setzt, und ihn glauben machen muß, daß da für
ihn so viele außerordentliche Bewegungen gemacht
werden, er auch ein ganz außerordentlich merk-
würdiges Geschöpfe ist. Befinde ich mich aber
nun gar in den kindischen Umgebungen eines Kö-
nigssohns! -- Mein Gott! diese Menschen, die
Aller Herzen erforschen sollten können, die alle
Schmerzen ihrer Mitmenschen sollten im Busen
getragen, alle ihre Freuden getheilt haben, um
Gott ähulich das furchtbare Recht zu üben, ohne
menschliches Mitgefühl, und dennoch mit uner-
müdlicher Schonung stets den Einzelnen dem Gan-

euch das, wie ihr wollt, viel Glorreiches wird nicht
herauskommen, ſo lange der Junker zu Hauſe iſt.
Heil und Segen daher dem adlichen Knaben, der
fruͤh in eine Penſion kommt, in vieler Ruͤckſicht,
gleichviel in welche — die Hauptſache iſt immer,
daß er fern ſey von der Kriecherei der Untergebenen,
und der Leerheit oder Rohheit ſeiner Pair’s. Da
macht die zaͤrtlichſte Sorgfalt der Eltern kein
Uebles gut. Ich ſah ſchon Beiſpiele der herzlich-
ſten Wohlmeinenheit fuͤr das Beſte der Kinder,
beſonders der Knaben — da wird nichts gewon-
nen, wie eine flache, weichliche Kuͤnſtlichkeit, die
den armen Wicht außer die wirkliche Welt ver-
ſetzt, und ihn glauben machen muß, daß da fuͤr
ihn ſo viele außerordentliche Bewegungen gemacht
werden, er auch ein ganz außerordentlich merk-
wuͤrdiges Geſchoͤpfe iſt. Befinde ich mich aber
nun gar in den kindiſchen Umgebungen eines Koͤ-
nigsſohns! — Mein Gott! dieſe Menſchen, die
Aller Herzen erforſchen ſollten koͤnnen, die alle
Schmerzen ihrer Mitmenſchen ſollten im Buſen
getragen, alle ihre Freuden getheilt haben, um
Gott aͤhulich das furchtbare Recht zu uͤben, ohne
menſchliches Mitgefuͤhl, und dennoch mit uner-
muͤdlicher Schonung ſtets den Einzelnen dem Gan-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0346" n="332"/>
euch das, wie ihr wollt, viel Glorreiches wird nicht<lb/>
herauskommen, &#x017F;o lange der Junker zu Hau&#x017F;e i&#x017F;t.<lb/>
Heil und Segen daher dem adlichen Knaben, der<lb/>
fru&#x0364;h in eine Pen&#x017F;ion kommt, in vieler Ru&#x0364;ck&#x017F;icht,<lb/>
gleichviel in welche &#x2014; die Haupt&#x017F;ache i&#x017F;t immer,<lb/>
daß er fern &#x017F;ey von der Kriecherei der Untergebenen,<lb/>
und der Leerheit oder Rohheit &#x017F;einer Pair&#x2019;s. Da<lb/>
macht die za&#x0364;rtlich&#x017F;te Sorgfalt der Eltern kein<lb/>
Uebles gut. Ich &#x017F;ah &#x017F;chon Bei&#x017F;piele der herzlich-<lb/>
&#x017F;ten Wohlmeinenheit fu&#x0364;r das Be&#x017F;te der Kinder,<lb/>
be&#x017F;onders der Knaben &#x2014; da wird nichts gewon-<lb/>
nen, wie eine flache, weichliche Ku&#x0364;n&#x017F;tlichkeit, die<lb/>
den armen Wicht außer die wirkliche Welt ver-<lb/>
&#x017F;etzt, und ihn glauben machen muß, daß da fu&#x0364;r<lb/>
ihn &#x017F;o viele außerordentliche Bewegungen gemacht<lb/>
werden, er auch ein ganz außerordentlich merk-<lb/>
wu&#x0364;rdiges Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe i&#x017F;t. Befinde ich mich aber<lb/>
nun gar in den kindi&#x017F;chen Umgebungen eines Ko&#x0364;-<lb/>
nigs&#x017F;ohns! &#x2014; Mein Gott! die&#x017F;e Men&#x017F;chen, die<lb/>
Aller Herzen erfor&#x017F;chen &#x017F;ollten ko&#x0364;nnen, die alle<lb/>
Schmerzen ihrer Mitmen&#x017F;chen &#x017F;ollten im Bu&#x017F;en<lb/>
getragen, alle ihre Freuden getheilt haben, um<lb/>
Gott a&#x0364;hulich das furchtbare Recht zu u&#x0364;ben, ohne<lb/>
men&#x017F;chliches Mitgefu&#x0364;hl, und dennoch mit uner-<lb/>
mu&#x0364;dlicher Schonung &#x017F;tets den Einzelnen dem Gan-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[332/0346] euch das, wie ihr wollt, viel Glorreiches wird nicht herauskommen, ſo lange der Junker zu Hauſe iſt. Heil und Segen daher dem adlichen Knaben, der fruͤh in eine Penſion kommt, in vieler Ruͤckſicht, gleichviel in welche — die Hauptſache iſt immer, daß er fern ſey von der Kriecherei der Untergebenen, und der Leerheit oder Rohheit ſeiner Pair’s. Da macht die zaͤrtlichſte Sorgfalt der Eltern kein Uebles gut. Ich ſah ſchon Beiſpiele der herzlich- ſten Wohlmeinenheit fuͤr das Beſte der Kinder, beſonders der Knaben — da wird nichts gewon- nen, wie eine flache, weichliche Kuͤnſtlichkeit, die den armen Wicht außer die wirkliche Welt ver- ſetzt, und ihn glauben machen muß, daß da fuͤr ihn ſo viele außerordentliche Bewegungen gemacht werden, er auch ein ganz außerordentlich merk- wuͤrdiges Geſchoͤpfe iſt. Befinde ich mich aber nun gar in den kindiſchen Umgebungen eines Koͤ- nigsſohns! — Mein Gott! dieſe Menſchen, die Aller Herzen erforſchen ſollten koͤnnen, die alle Schmerzen ihrer Mitmenſchen ſollten im Buſen getragen, alle ihre Freuden getheilt haben, um Gott aͤhulich das furchtbare Recht zu uͤben, ohne menſchliches Mitgefuͤhl, und dennoch mit uner- muͤdlicher Schonung ſtets den Einzelnen dem Gan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/346
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/346>, abgerufen am 23.12.2024.