Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

auch ein weinender Genius; das alles von weis-
sem Marmor auf einem dunkelgrauen Grunde und
mit einer weißen Draperie umgeben -- nichts
mehr und nichts weniger! -- Oben auf der Höhe
der abgestumpften Pyramide, welche das Ganze
zusammenhält, waren die Todtenköpfe mit
kreuzweis gelegten Beinen nirgend vergessen --
diese kunstwidrigen Schreckbilder! -- wie ist doch
des Menschen Sinn zu dieser barbarischen Vorstel-
lung gekommen? Warum ist das Knochenbild mehr
Bild des nicht mehr Lebens, als die schlafende
Gestalt der Leiche durch alle Veränderungen durch,
bis Blumen aus der Asche keimen? -- Wer hat
je die Wirkung des legalisirten und autorisirten
Todesschreckens in den letzten Jahrtausenden be-
rechnet?

In der zweiten Kirche sah ich ein Denkmal
des Admirals Tranp, das seine Gebeine deckt.
Es stellte, so wie Hill und Wilhelm seines, nichts
Historisches dar, sondern einige Allegorien, Bas-
reliefs, Trophäen und Todtenköpfe, und an der
Vorderseite des Sarkophags die Schlacht, wo er
gegen Albemarl sein Leben verlor. Daß Schiffe
und Kanonenschüsse und Meereswogen kein Gegen-
stand des Meissels sind, bedarf wohl keiner Be-

auch ein weinender Genius; das alles von weiſ-
ſem Marmor auf einem dunkelgrauen Grunde und
mit einer weißen Draperie umgeben — nichts
mehr und nichts weniger! — Oben auf der Hoͤhe
der abgeſtumpften Pyramide, welche das Ganze
zuſammenhaͤlt, waren die Todtenkoͤpfe mit
kreuzweis gelegten Beinen nirgend vergeſſen —
dieſe kunſtwidrigen Schreckbilder! — wie iſt doch
des Menſchen Sinn zu dieſer barbariſchen Vorſtel-
lung gekommen? Warum iſt das Knochenbild mehr
Bild des nicht mehr Lebens, als die ſchlafende
Geſtalt der Leiche durch alle Veraͤnderungen durch,
bis Blumen aus der Aſche keimen? — Wer hat
je die Wirkung des legaliſirten und autoriſirten
Todesſchreckens in den letzten Jahrtauſenden be-
rechnet?

In der zweiten Kirche ſah ich ein Denkmal
des Admirals Tranp, das ſeine Gebeine deckt.
Es ſtellte, ſo wie Hill und Wilhelm ſeines, nichts
Hiſtoriſches dar, ſondern einige Allegorien, Bas-
reliefs, Trophaͤen und Todtenkoͤpfe, und an der
Vorderſeite des Sarkophags die Schlacht, wo er
gegen Albemarl ſein Leben verlor. Daß Schiffe
und Kanonenſchuͤſſe und Meereswogen kein Gegen-
ſtand des Meiſſels ſind, bedarf wohl keiner Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0372" n="358"/>
auch ein weinender Genius; das alles von wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;em Marmor auf einem dunkelgrauen Grunde und<lb/>
mit einer weißen Draperie umgeben &#x2014; nichts<lb/>
mehr und nichts weniger! &#x2014; Oben auf der Ho&#x0364;he<lb/>
der abge&#x017F;tumpften Pyramide, welche das Ganze<lb/>
zu&#x017F;ammenha&#x0364;lt, waren die Todtenko&#x0364;pfe mit<lb/>
kreuzweis gelegten Beinen nirgend verge&#x017F;&#x017F;en &#x2014;<lb/>
die&#x017F;e kun&#x017F;twidrigen Schreckbilder! &#x2014; wie i&#x017F;t doch<lb/>
des Men&#x017F;chen Sinn zu die&#x017F;er barbari&#x017F;chen Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung gekommen? Warum i&#x017F;t das Knochenbild mehr<lb/>
Bild des nicht mehr Lebens, als die &#x017F;chlafende<lb/>
Ge&#x017F;talt der Leiche durch alle Vera&#x0364;nderungen durch,<lb/>
bis Blumen aus der A&#x017F;che keimen? &#x2014; Wer hat<lb/>
je die Wirkung des legali&#x017F;irten und autori&#x017F;irten<lb/>
Todes&#x017F;chreckens in den letzten Jahrtau&#x017F;enden be-<lb/>
rechnet?</p><lb/>
        <p>In der zweiten Kirche &#x017F;ah ich ein Denkmal<lb/>
des Admirals Tranp, das &#x017F;eine Gebeine deckt.<lb/>
Es &#x017F;tellte, &#x017F;o wie Hill und Wilhelm &#x017F;eines, nichts<lb/>
Hi&#x017F;tori&#x017F;ches dar, &#x017F;ondern einige Allegorien, Bas-<lb/>
reliefs, Tropha&#x0364;en und Todtenko&#x0364;pfe, und an der<lb/>
Vorder&#x017F;eite des Sarkophags die Schlacht, wo er<lb/>
gegen Albemarl &#x017F;ein Leben verlor. Daß Schiffe<lb/>
und Kanonen&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Meereswogen kein Gegen-<lb/>
&#x017F;tand des Mei&#x017F;&#x017F;els &#x017F;ind, bedarf wohl keiner Be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0372] auch ein weinender Genius; das alles von weiſ- ſem Marmor auf einem dunkelgrauen Grunde und mit einer weißen Draperie umgeben — nichts mehr und nichts weniger! — Oben auf der Hoͤhe der abgeſtumpften Pyramide, welche das Ganze zuſammenhaͤlt, waren die Todtenkoͤpfe mit kreuzweis gelegten Beinen nirgend vergeſſen — dieſe kunſtwidrigen Schreckbilder! — wie iſt doch des Menſchen Sinn zu dieſer barbariſchen Vorſtel- lung gekommen? Warum iſt das Knochenbild mehr Bild des nicht mehr Lebens, als die ſchlafende Geſtalt der Leiche durch alle Veraͤnderungen durch, bis Blumen aus der Aſche keimen? — Wer hat je die Wirkung des legaliſirten und autoriſirten Todesſchreckens in den letzten Jahrtauſenden be- rechnet? In der zweiten Kirche ſah ich ein Denkmal des Admirals Tranp, das ſeine Gebeine deckt. Es ſtellte, ſo wie Hill und Wilhelm ſeines, nichts Hiſtoriſches dar, ſondern einige Allegorien, Bas- reliefs, Trophaͤen und Todtenkoͤpfe, und an der Vorderſeite des Sarkophags die Schlacht, wo er gegen Albemarl ſein Leben verlor. Daß Schiffe und Kanonenſchuͤſſe und Meereswogen kein Gegen- ſtand des Meiſſels ſind, bedarf wohl keiner Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/372
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/372>, abgerufen am 23.12.2024.