Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

nur die Thurmspitzen der nahgelegenen Orte zei-
gen; doch das Leben nah um mich her machte das
Ferne verschwinden. Es wehte ein bitter kalter
Nordost, bei dem dennoch viele Fahrzeuge den
Strom herab, meistens in den Hafen einsegelten.
Die Schnelligkeit der Bewegung, die Gewalt, mit
welcher das Wasser au den Kiel hinauf gepeitscht
ward, die Kunst, mit der das Steuerruder die
Strömung zu gewinnen weiß, und das mächtige
Element überlistend, schnell ihm zum Trotz unter
den Schutz des Steindammes einläuft -- das ist
ein herrlicher Anblick! -- und wie neugierig der
müßige Zuschauer nun die Ankömmlinge mustert,
wie erwartend der Geschäfts- und Handelsmann
au den Quai tritt, und in seiner Kunstsprache Nach-
richten einsammelt -- natürlich sah ich jetzt nur
Fahrzeuge, welche den Fluß herab kamen, wie
muß das Schauspiel nicht an Interesse gewinnen,
wenn das Meer offen ist. Ich sah ein Schiff an-
landen, das Reisende nebst ihren Reisewagen führ-
te, und beobachtete mit Vergnügen, mit welcher
Leichtigkeit der Wagen aus dem Schiff heraus ge-
wunden ward, auf die Anfahrt. Dieses Geschäft
kostete nicht die mindeste Anstrengung, er hob sich,
und stand auf dem Quai, der doch wohl an die

nur die Thurmſpitzen der nahgelegenen Orte zei-
gen; doch das Leben nah um mich her machte das
Ferne verſchwinden. Es wehte ein bitter kalter
Nordoſt, bei dem dennoch viele Fahrzeuge den
Strom herab, meiſtens in den Hafen einſegelten.
Die Schnelligkeit der Bewegung, die Gewalt, mit
welcher das Waſſer au den Kiel hinauf gepeitſcht
ward, die Kunſt, mit der das Steuerruder die
Stroͤmung zu gewinnen weiß, und das maͤchtige
Element uͤberliſtend, ſchnell ihm zum Trotz unter
den Schutz des Steindammes einlaͤuft — das iſt
ein herrlicher Anblick! — und wie neugierig der
muͤßige Zuſchauer nun die Ankoͤmmlinge muſtert,
wie erwartend der Geſchaͤfts- und Handelsmann
au den Quai tritt, und in ſeiner Kunſtſprache Nach-
richten einſammelt — natuͤrlich ſah ich jetzt nur
Fahrzeuge, welche den Fluß herab kamen, wie
muß das Schauſpiel nicht an Intereſſe gewinnen,
wenn das Meer offen iſt. Ich ſah ein Schiff an-
landen, das Reiſende nebſt ihren Reiſewagen fuͤhr-
te, und beobachtete mit Vergnuͤgen, mit welcher
Leichtigkeit der Wagen aus dem Schiff heraus ge-
wunden ward, auf die Anfahrt. Dieſes Geſchaͤft
koſtete nicht die mindeſte Anſtrengung, er hob ſich,
und ſtand auf dem Quai, der doch wohl an die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0376" n="362"/>
nur die Thurm&#x017F;pitzen der nahgelegenen Orte zei-<lb/>
gen; doch das Leben nah um mich her machte das<lb/>
Ferne ver&#x017F;chwinden. Es wehte ein bitter kalter<lb/>
Nordo&#x017F;t, bei dem dennoch viele Fahrzeuge den<lb/>
Strom herab, mei&#x017F;tens in den Hafen ein&#x017F;egelten.<lb/>
Die Schnelligkeit der Bewegung, die Gewalt, mit<lb/>
welcher das Wa&#x017F;&#x017F;er au den Kiel hinauf gepeit&#x017F;cht<lb/>
ward, die Kun&#x017F;t, mit der das Steuerruder die<lb/>
Stro&#x0364;mung zu gewinnen weiß, und das ma&#x0364;chtige<lb/>
Element u&#x0364;berli&#x017F;tend, &#x017F;chnell ihm zum Trotz unter<lb/>
den Schutz des Steindammes einla&#x0364;uft &#x2014; das i&#x017F;t<lb/>
ein herrlicher Anblick! &#x2014; und wie neugierig der<lb/>
mu&#x0364;ßige Zu&#x017F;chauer nun die Anko&#x0364;mmlinge mu&#x017F;tert,<lb/>
wie erwartend der Ge&#x017F;cha&#x0364;fts- und Handelsmann<lb/>
au den <hi rendition="#aq">Quai</hi> tritt, und in &#x017F;einer Kun&#x017F;t&#x017F;prache Nach-<lb/>
richten ein&#x017F;ammelt &#x2014; natu&#x0364;rlich &#x017F;ah ich jetzt nur<lb/>
Fahrzeuge, welche den Fluß herab kamen, wie<lb/>
muß das Schau&#x017F;piel nicht an Intere&#x017F;&#x017F;e gewinnen,<lb/>
wenn das Meer offen i&#x017F;t. Ich &#x017F;ah ein Schiff an-<lb/>
landen, das Rei&#x017F;ende neb&#x017F;t ihren Rei&#x017F;ewagen fu&#x0364;hr-<lb/>
te, und beobachtete mit Vergnu&#x0364;gen, mit welcher<lb/>
Leichtigkeit der Wagen aus dem Schiff heraus ge-<lb/>
wunden ward, auf die Anfahrt. Die&#x017F;es Ge&#x017F;cha&#x0364;ft<lb/>
ko&#x017F;tete nicht die minde&#x017F;te An&#x017F;trengung, er hob &#x017F;ich,<lb/>
und &#x017F;tand auf dem <hi rendition="#aq">Quai,</hi> der doch wohl an die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0376] nur die Thurmſpitzen der nahgelegenen Orte zei- gen; doch das Leben nah um mich her machte das Ferne verſchwinden. Es wehte ein bitter kalter Nordoſt, bei dem dennoch viele Fahrzeuge den Strom herab, meiſtens in den Hafen einſegelten. Die Schnelligkeit der Bewegung, die Gewalt, mit welcher das Waſſer au den Kiel hinauf gepeitſcht ward, die Kunſt, mit der das Steuerruder die Stroͤmung zu gewinnen weiß, und das maͤchtige Element uͤberliſtend, ſchnell ihm zum Trotz unter den Schutz des Steindammes einlaͤuft — das iſt ein herrlicher Anblick! — und wie neugierig der muͤßige Zuſchauer nun die Ankoͤmmlinge muſtert, wie erwartend der Geſchaͤfts- und Handelsmann au den Quai tritt, und in ſeiner Kunſtſprache Nach- richten einſammelt — natuͤrlich ſah ich jetzt nur Fahrzeuge, welche den Fluß herab kamen, wie muß das Schauſpiel nicht an Intereſſe gewinnen, wenn das Meer offen iſt. Ich ſah ein Schiff an- landen, das Reiſende nebſt ihren Reiſewagen fuͤhr- te, und beobachtete mit Vergnuͤgen, mit welcher Leichtigkeit der Wagen aus dem Schiff heraus ge- wunden ward, auf die Anfahrt. Dieſes Geſchaͤft koſtete nicht die mindeſte Anſtrengung, er hob ſich, und ſtand auf dem Quai, der doch wohl an die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/376
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/376>, abgerufen am 23.12.2024.