Herodes, Gethsemane und die Hirten an der Krip- pe sich vordemonstriren ließen, wobei es die Be- schreibung an derben Abzeichnungen ihres Volks nicht fehlen ließ. Mein holländischer Cicerone sprach seine Erklärung in einem harten Leierton, der auf meine Ohren bald die Wirkung von dem Geklapper einer Mühle hatte; allein sein Geist konnte sich innerhalb des engen Raums seiner ge- druckten Beschreibung nicht beschränken lassen, son- dern durchbrach die Schranken sehr oft in einem, um ein paar Oktav höhern, Ton und viel schnel- lern Takt, indem er eigne Bemerkungen und Nutz- anwendungen hinzufügte. Hatte er diesem Dran- ge genügt, so klapperte die Mühle seiner histori- schen Beschreibung wieder fort, bis ein neuer Zu- satz die Schütte vorzuschieben gebot. Die Stimme dieses Menschen in der weiten widerhallenden Kir- che machte den possirlichsten Eindruck von der Welt! Ich hätte mich nicht von ihr trennen kön- nen, bis er am Ende seines Buchs war, sondern folgte ihn mit sehr gläubig ernstem Gesicht. An- fangs schien er mich mit unwilliger Geringschätzung zu betrachten, weil er es wohl mochte wahrgenom- men haben, wie ich mit frechem Vorwitz meiner eigenen Einsicht trauend, dieses sein Reich und
Herodes, Gethſemane und die Hirten an der Krip- pe ſich vordemonſtriren ließen, wobei es die Be- ſchreibung an derben Abzeichnungen ihres Volks nicht fehlen ließ. Mein hollaͤndiſcher Cicerone ſprach ſeine Erklaͤrung in einem harten Leierton, der auf meine Ohren bald die Wirkung von dem Geklapper einer Muͤhle hatte; allein ſein Geiſt konnte ſich innerhalb des engen Raums ſeiner ge- druckten Beſchreibung nicht beſchraͤnken laſſen, ſon- dern durchbrach die Schranken ſehr oft in einem, um ein paar Oktav hoͤhern, Ton und viel ſchnel- lern Takt, indem er eigne Bemerkungen und Nutz- anwendungen hinzufuͤgte. Hatte er dieſem Dran- ge genuͤgt, ſo klapperte die Muͤhle ſeiner hiſtori- ſchen Beſchreibung wieder fort, bis ein neuer Zu- ſatz die Schuͤtte vorzuſchieben gebot. Die Stimme dieſes Menſchen in der weiten widerhallenden Kir- che machte den poſſirlichſten Eindruck von der Welt! Ich haͤtte mich nicht von ihr trennen koͤn- nen, bis er am Ende ſeines Buchs war, ſondern folgte ihn mit ſehr glaͤubig ernſtem Geſicht. An- fangs ſchien er mich mit unwilliger Geringſchaͤtzung zu betrachten, weil er es wohl mochte wahrgenom- men haben, wie ich mit frechem Vorwitz meiner eigenen Einſicht trauend, dieſes ſein Reich und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0389"n="375"/>
Herodes, Gethſemane und die Hirten an der Krip-<lb/>
pe ſich vordemonſtriren ließen, wobei es die Be-<lb/>ſchreibung an derben Abzeichnungen ihres Volks<lb/>
nicht fehlen ließ. Mein hollaͤndiſcher Cicerone<lb/>ſprach ſeine Erklaͤrung in einem harten Leierton,<lb/>
der auf meine Ohren bald die Wirkung von dem<lb/>
Geklapper einer Muͤhle hatte; allein ſein Geiſt<lb/>
konnte ſich innerhalb des engen Raums ſeiner ge-<lb/>
druckten Beſchreibung nicht beſchraͤnken laſſen, ſon-<lb/>
dern durchbrach die Schranken ſehr oft in einem,<lb/>
um ein paar Oktav hoͤhern, Ton und viel ſchnel-<lb/>
lern Takt, indem er eigne Bemerkungen und Nutz-<lb/>
anwendungen hinzufuͤgte. Hatte er dieſem Dran-<lb/>
ge genuͤgt, ſo klapperte die Muͤhle ſeiner hiſtori-<lb/>ſchen Beſchreibung wieder fort, bis ein neuer Zu-<lb/>ſatz die Schuͤtte vorzuſchieben gebot. Die Stimme<lb/>
dieſes Menſchen in der weiten widerhallenden Kir-<lb/>
che machte den poſſirlichſten Eindruck von der<lb/>
Welt! Ich haͤtte mich nicht von ihr trennen koͤn-<lb/>
nen, bis er am Ende ſeines Buchs war, ſondern<lb/>
folgte ihn mit ſehr glaͤubig ernſtem Geſicht. An-<lb/>
fangs ſchien er mich mit unwilliger Geringſchaͤtzung<lb/>
zu betrachten, weil er es wohl mochte wahrgenom-<lb/>
men haben, wie ich mit frechem Vorwitz meiner<lb/>
eigenen Einſicht trauend, dieſes ſein Reich und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[375/0389]
Herodes, Gethſemane und die Hirten an der Krip-
pe ſich vordemonſtriren ließen, wobei es die Be-
ſchreibung an derben Abzeichnungen ihres Volks
nicht fehlen ließ. Mein hollaͤndiſcher Cicerone
ſprach ſeine Erklaͤrung in einem harten Leierton,
der auf meine Ohren bald die Wirkung von dem
Geklapper einer Muͤhle hatte; allein ſein Geiſt
konnte ſich innerhalb des engen Raums ſeiner ge-
druckten Beſchreibung nicht beſchraͤnken laſſen, ſon-
dern durchbrach die Schranken ſehr oft in einem,
um ein paar Oktav hoͤhern, Ton und viel ſchnel-
lern Takt, indem er eigne Bemerkungen und Nutz-
anwendungen hinzufuͤgte. Hatte er dieſem Dran-
ge genuͤgt, ſo klapperte die Muͤhle ſeiner hiſtori-
ſchen Beſchreibung wieder fort, bis ein neuer Zu-
ſatz die Schuͤtte vorzuſchieben gebot. Die Stimme
dieſes Menſchen in der weiten widerhallenden Kir-
che machte den poſſirlichſten Eindruck von der
Welt! Ich haͤtte mich nicht von ihr trennen koͤn-
nen, bis er am Ende ſeines Buchs war, ſondern
folgte ihn mit ſehr glaͤubig ernſtem Geſicht. An-
fangs ſchien er mich mit unwilliger Geringſchaͤtzung
zu betrachten, weil er es wohl mochte wahrgenom-
men haben, wie ich mit frechem Vorwitz meiner
eigenen Einſicht trauend, dieſes ſein Reich und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/389>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.