Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Tiefe die gräulichen Gewässer des Rheins, still,
wie vom Nebel gedrückt, dahinschleichen, bis sein
schweres Gewand sie wieder umhüllte -- leise rieselte
dann zur Seite eine Quelle dem Felsen entlang, der
Nebel theilte sich einen Augenblick, und man sah sie
klagend über das satte Grün der kleinen Wiese unter
niedern Zeitlosen und dunkeln Zentaureen in die Tiefe
irren. Plötzlich entstand eine Bewegung in dem
grauen Meere unter uns, und der grauen Decke über
uns, ein leichtes Violett zeigte Wolkengestalten,
trennte sie mit deutlichen Umrissen; bald verwandelte
es sich zu einem durchsichtigen Roth, und der Nebel
sank auf die Spitzen der Hügel wie ein röthlicher
Schleier herab, durch den Felsen und Bäume und
Gemäuer in schwankenden Umrissen hervortraten.
Am Fuße der Hügel über den tief rauschenden
Fluß kämpften nun die Wolken, sanken und stiegen,
und so oft sie an das Reich des Lichts herauf traten,
ward ihre Oberflache mit den Farben der Morgenrö-
the gemalt. Immer tiefer sank der Schleier, immer
glühender ward das Licht, bald war die Dunkelheit
bekämpft und die letzten Wolken zogen sich scheu in
die tiefen Thäler zurück, indeß das ganze Flußthal
dem Mittagsstrahl zujauchzte; mit welcher Pracht
der Farben schmückte sich nun die Natur, die Herrli-
che! sie stirbt, wie die erhabenen Alten ihre Heroen

Tiefe die graͤulichen Gewaͤſſer des Rheins, ſtill,
wie vom Nebel gedruͤckt, dahinſchleichen, bis ſein
ſchweres Gewand ſie wieder umhuͤllte — leiſe rieſelte
dann zur Seite eine Quelle dem Felſen entlang, der
Nebel theilte ſich einen Augenblick, und man ſah ſie
klagend uͤber das ſatte Gruͤn der kleinen Wieſe unter
niedern Zeitloſen und dunkeln Zentaureen in die Tiefe
irren. Ploͤtzlich entſtand eine Bewegung in dem
grauen Meere unter uns, und der grauen Decke uͤber
uns, ein leichtes Violett zeigte Wolkengeſtalten,
trennte ſie mit deutlichen Umriſſen; bald verwandelte
es ſich zu einem durchſichtigen Roth, und der Nebel
ſank auf die Spitzen der Huͤgel wie ein roͤthlicher
Schleier herab, durch den Felſen und Baͤume und
Gemaͤuer in ſchwankenden Umriſſen hervortraten.
Am Fuße der Huͤgel uͤber den tief rauſchenden
Fluß kaͤmpften nun die Wolken, ſanken und ſtiegen,
und ſo oft ſie an das Reich des Lichts herauf traten,
ward ihre Oberflache mit den Farben der Morgenroͤ-
the gemalt. Immer tiefer ſank der Schleier, immer
gluͤhender ward das Licht, bald war die Dunkelheit
bekaͤmpft und die letzten Wolken zogen ſich ſcheu in
die tiefen Thaͤler zuruͤck, indeß das ganze Flußthal
dem Mittagsſtrahl zujauchzte; mit welcher Pracht
der Farben ſchmuͤckte ſich nun die Natur, die Herrli-
che! ſie ſtirbt, wie die erhabenen Alten ihre Heroen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0407" n="393"/>
Tiefe die gra&#x0364;ulichen Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er des Rheins, &#x017F;till,<lb/>
wie vom Nebel gedru&#x0364;ckt, dahin&#x017F;chleichen, bis &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;chweres Gewand &#x017F;ie wieder umhu&#x0364;llte &#x2014; lei&#x017F;e rie&#x017F;elte<lb/>
dann zur Seite eine Quelle dem Fel&#x017F;en entlang, der<lb/>
Nebel theilte &#x017F;ich einen Augenblick, und man &#x017F;ah &#x017F;ie<lb/>
klagend u&#x0364;ber das &#x017F;atte Gru&#x0364;n der kleinen Wie&#x017F;e unter<lb/>
niedern Zeitlo&#x017F;en und dunkeln Zentaureen in die Tiefe<lb/>
irren. Plo&#x0364;tzlich ent&#x017F;tand eine Bewegung in dem<lb/>
grauen Meere unter uns, und der grauen Decke u&#x0364;ber<lb/>
uns, ein leichtes Violett zeigte Wolkenge&#x017F;talten,<lb/>
trennte &#x017F;ie mit deutlichen Umri&#x017F;&#x017F;en; bald verwandelte<lb/>
es &#x017F;ich zu einem durch&#x017F;ichtigen Roth, und der Nebel<lb/>
&#x017F;ank auf die Spitzen der Hu&#x0364;gel wie ein ro&#x0364;thlicher<lb/>
Schleier herab, durch den Fel&#x017F;en und Ba&#x0364;ume und<lb/>
Gema&#x0364;uer in &#x017F;chwankenden Umri&#x017F;&#x017F;en hervortraten.<lb/>
Am Fuße der Hu&#x0364;gel u&#x0364;ber den tief rau&#x017F;chenden<lb/>
Fluß ka&#x0364;mpften nun die Wolken, &#x017F;anken und &#x017F;tiegen,<lb/>
und &#x017F;o oft &#x017F;ie an das Reich des Lichts herauf traten,<lb/>
ward ihre Oberflache mit den Farben der Morgenro&#x0364;-<lb/>
the gemalt. Immer tiefer &#x017F;ank der Schleier, immer<lb/>
glu&#x0364;hender ward das Licht, bald war die Dunkelheit<lb/>
beka&#x0364;mpft und die letzten Wolken zogen &#x017F;ich &#x017F;cheu in<lb/>
die tiefen Tha&#x0364;ler zuru&#x0364;ck, indeß das ganze Flußthal<lb/>
dem Mittags&#x017F;trahl zujauchzte; mit welcher Pracht<lb/>
der Farben &#x017F;chmu&#x0364;ckte &#x017F;ich nun die Natur, die Herrli-<lb/>
che! &#x017F;ie &#x017F;tirbt, wie die erhabenen Alten ihre Heroen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[393/0407] Tiefe die graͤulichen Gewaͤſſer des Rheins, ſtill, wie vom Nebel gedruͤckt, dahinſchleichen, bis ſein ſchweres Gewand ſie wieder umhuͤllte — leiſe rieſelte dann zur Seite eine Quelle dem Felſen entlang, der Nebel theilte ſich einen Augenblick, und man ſah ſie klagend uͤber das ſatte Gruͤn der kleinen Wieſe unter niedern Zeitloſen und dunkeln Zentaureen in die Tiefe irren. Ploͤtzlich entſtand eine Bewegung in dem grauen Meere unter uns, und der grauen Decke uͤber uns, ein leichtes Violett zeigte Wolkengeſtalten, trennte ſie mit deutlichen Umriſſen; bald verwandelte es ſich zu einem durchſichtigen Roth, und der Nebel ſank auf die Spitzen der Huͤgel wie ein roͤthlicher Schleier herab, durch den Felſen und Baͤume und Gemaͤuer in ſchwankenden Umriſſen hervortraten. Am Fuße der Huͤgel uͤber den tief rauſchenden Fluß kaͤmpften nun die Wolken, ſanken und ſtiegen, und ſo oft ſie an das Reich des Lichts herauf traten, ward ihre Oberflache mit den Farben der Morgenroͤ- the gemalt. Immer tiefer ſank der Schleier, immer gluͤhender ward das Licht, bald war die Dunkelheit bekaͤmpft und die letzten Wolken zogen ſich ſcheu in die tiefen Thaͤler zuruͤck, indeß das ganze Flußthal dem Mittagsſtrahl zujauchzte; mit welcher Pracht der Farben ſchmuͤckte ſich nun die Natur, die Herrli- che! ſie ſtirbt, wie die erhabenen Alten ihre Heroen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/407
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/407>, abgerufen am 22.12.2024.