Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

und Riegel, wo auf einer neuen Erde unter ei-
nem neuen Himmel der zerknickte Keim bürgerli-
cher Ehre für sie wieder Wurzel fassen könnte?

Was mich am innigsten in Mainz anzog, kann
ich nur flüchtig erwähnen. Die Emmeranskirche
steht unversehrt, ihren Kirchhof fand ich nicht
mehr, es war ein Blumengarten daraus gemacht.
Ich bat den Eigenthümer hinein treten zu dürfen.
-- Kurz nachdem meine beiden Kinder vor vielen
Jahren hier begraben wurden, stahl ich mich da-
hin, fragte in des Mestmers Hause, wo das klei-
ne Kreuz stehe, und dachte, ich wollte es mit
trocknen Blicken betrachten. Die Frau des Mest-
mers sah mitleidig, wie wenig ich das vermochte.
"Es waren meine Kinder, sagte ich ihr leise, und
gab ihr Geld, halte sie die Rasen rein!" -- Wenn
ich das gewußt hätte, antwortete sie gerührt, so
hätte ich sie nicht hergeführt. --

Jetzt wars anders! das schwere steinerne
Kreuz war hinweg, und Blume drängte sich an
Blume auf der Stätte des Grabes. O meine
Blumen! -- jetzt ist Auferstehung um euch her,
und was nicht in Blumen auferstand, verließ mich
ja nie! -- Meine süßen Blumen! ich küßte ver-
stohlen eure irdische Schwestern um euch her, und

und Riegel, wo auf einer neuen Erde unter ei-
nem neuen Himmel der zerknickte Keim buͤrgerli-
cher Ehre fuͤr ſie wieder Wurzel faſſen koͤnnte?

Was mich am innigſten in Mainz anzog, kann
ich nur fluͤchtig erwaͤhnen. Die Emmeranskirche
ſteht unverſehrt, ihren Kirchhof fand ich nicht
mehr, es war ein Blumengarten daraus gemacht.
Ich bat den Eigenthuͤmer hinein treten zu duͤrfen.
— Kurz nachdem meine beiden Kinder vor vielen
Jahren hier begraben wurden, ſtahl ich mich da-
hin, fragte in des Meſtmers Hauſe, wo das klei-
ne Kreuz ſtehe, und dachte, ich wollte es mit
trocknen Blicken betrachten. Die Frau des Meſt-
mers ſah mitleidig, wie wenig ich das vermochte.
„Es waren meine Kinder, ſagte ich ihr leiſe, und
gab ihr Geld, halte ſie die Raſen rein!“ — Wenn
ich das gewußt haͤtte, antwortete ſie geruͤhrt, ſo
haͤtte ich ſie nicht hergefuͤhrt. —

Jetzt wars anders! das ſchwere ſteinerne
Kreuz war hinweg, und Blume draͤngte ſich an
Blume auf der Staͤtte des Grabes. O meine
Blumen! — jetzt iſt Auferſtehung um euch her,
und was nicht in Blumen auferſtand, verließ mich
ja nie! — Meine ſuͤßen Blumen! ich kuͤßte ver-
ſtohlen eure irdiſche Schweſtern um euch her, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="27"/>
und Riegel, wo auf einer neuen Erde unter ei-<lb/>
nem neuen Himmel der zerknickte Keim bu&#x0364;rgerli-<lb/>
cher Ehre fu&#x0364;r &#x017F;ie wieder Wurzel fa&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte?</p><lb/>
        <p>Was mich am innig&#x017F;ten in Mainz anzog, kann<lb/>
ich nur flu&#x0364;chtig erwa&#x0364;hnen. Die Emmeranskirche<lb/>
&#x017F;teht unver&#x017F;ehrt, ihren Kirchhof fand ich nicht<lb/>
mehr, es war ein Blumengarten daraus gemacht.<lb/>
Ich bat den Eigenthu&#x0364;mer hinein treten zu du&#x0364;rfen.<lb/>
&#x2014; Kurz nachdem meine beiden Kinder vor vielen<lb/>
Jahren hier begraben wurden, &#x017F;tahl ich mich da-<lb/>
hin, fragte in des Me&#x017F;tmers Hau&#x017F;e, wo das klei-<lb/>
ne Kreuz &#x017F;tehe, und dachte, ich wollte es mit<lb/>
trocknen Blicken betrachten. Die Frau des Me&#x017F;t-<lb/>
mers &#x017F;ah mitleidig, wie wenig ich das vermochte.<lb/>
&#x201E;Es waren meine Kinder, &#x017F;agte ich ihr lei&#x017F;e, und<lb/>
gab ihr Geld, halte &#x017F;ie die Ra&#x017F;en rein!&#x201C; &#x2014; Wenn<lb/>
ich das gewußt ha&#x0364;tte, antwortete &#x017F;ie geru&#x0364;hrt, &#x017F;o<lb/>
ha&#x0364;tte ich &#x017F;ie nicht hergefu&#x0364;hrt. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Jetzt wars anders! das &#x017F;chwere &#x017F;teinerne<lb/>
Kreuz war hinweg, und Blume dra&#x0364;ngte &#x017F;ich an<lb/>
Blume auf der Sta&#x0364;tte des Grabes. O meine<lb/>
Blumen! &#x2014; jetzt i&#x017F;t Aufer&#x017F;tehung um euch her,<lb/>
und was nicht in Blumen aufer&#x017F;tand, verließ mich<lb/>
ja nie! &#x2014; Meine &#x017F;u&#x0364;ßen Blumen! ich ku&#x0364;ßte ver-<lb/>
&#x017F;tohlen eure irdi&#x017F;che Schwe&#x017F;tern um euch her, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0041] und Riegel, wo auf einer neuen Erde unter ei- nem neuen Himmel der zerknickte Keim buͤrgerli- cher Ehre fuͤr ſie wieder Wurzel faſſen koͤnnte? Was mich am innigſten in Mainz anzog, kann ich nur fluͤchtig erwaͤhnen. Die Emmeranskirche ſteht unverſehrt, ihren Kirchhof fand ich nicht mehr, es war ein Blumengarten daraus gemacht. Ich bat den Eigenthuͤmer hinein treten zu duͤrfen. — Kurz nachdem meine beiden Kinder vor vielen Jahren hier begraben wurden, ſtahl ich mich da- hin, fragte in des Meſtmers Hauſe, wo das klei- ne Kreuz ſtehe, und dachte, ich wollte es mit trocknen Blicken betrachten. Die Frau des Meſt- mers ſah mitleidig, wie wenig ich das vermochte. „Es waren meine Kinder, ſagte ich ihr leiſe, und gab ihr Geld, halte ſie die Raſen rein!“ — Wenn ich das gewußt haͤtte, antwortete ſie geruͤhrt, ſo haͤtte ich ſie nicht hergefuͤhrt. — Jetzt wars anders! das ſchwere ſteinerne Kreuz war hinweg, und Blume draͤngte ſich an Blume auf der Staͤtte des Grabes. O meine Blumen! — jetzt iſt Auferſtehung um euch her, und was nicht in Blumen auferſtand, verließ mich ja nie! — Meine ſuͤßen Blumen! ich kuͤßte ver- ſtohlen eure irdiſche Schweſtern um euch her, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/41
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/41>, abgerufen am 22.12.2024.