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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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vorsichtig gemacht, war durch die Hände eines
Mannes gegangen, dem sein Amt Einfluß auf
die ganze Schiffergilde giebt, wir glaubten uns
also ganz gesichert. Der Morgen war schön, und
nach dem gestrigen Regen küßte die Sonne über-
all blitzende Juwelen von den Blumen und üppi-
gen Weinranken hinweg. Man hatte uns gera-
then, doch lieber um sechs Uhr schon an dem Ufer
zu seyn, damit die andern Reisenden, die von
oben herab kämen, nicht warten müßten. Durch
unsre Pünktlichkeit getrieben, waren wir denn
auch wirklich vor sechs Uhr schon schwimmfer-
tig
, und waren es noch um neun Uhr, ohne daß
ein Postschiff sich blicken ließ. Von sechs bis neun
Uhr warten! -- und wär es auf den Auen Eli-
siums, und wär es in Abrahams Schooße, so
hielt das keine menschliche Geduld aus. Daß die
meinige schon längst erschöpft war, merkte kein
Mensch, denn ich machte es den Leuten so an-
schaulich, daß es ein wahrer Genuß sei, hier mit
Muse die schöne Natur zu bewundern, daß keiner
sich unterstehen durfte auf die Schiffer zu fluchen,
sondern, wenn auch mit Galle im Herzen, sich
über die ausgedehnte Gelegenheit, sie zu genießen,
freuen mußte. Das nun abgerechnet, daß wir in

vorſichtig gemacht, war durch die Haͤnde eines
Mannes gegangen, dem ſein Amt Einfluß auf
die ganze Schiffergilde giebt, wir glaubten uns
alſo ganz geſichert. Der Morgen war ſchoͤn, und
nach dem geſtrigen Regen kuͤßte die Sonne uͤber-
all blitzende Juwelen von den Blumen und uͤppi-
gen Weinranken hinweg. Man hatte uns gera-
then, doch lieber um ſechs Uhr ſchon an dem Ufer
zu ſeyn, damit die andern Reiſenden, die von
oben herab kaͤmen, nicht warten muͤßten. Durch
unſre Puͤnktlichkeit getrieben, waren wir denn
auch wirklich vor ſechs Uhr ſchon ſchwimmfer-
tig
, und waren es noch um neun Uhr, ohne daß
ein Poſtſchiff ſich blicken ließ. Von ſechs bis neun
Uhr warten! — und waͤr es auf den Auen Eli-
ſiums, und waͤr es in Abrahams Schooße, ſo
hielt das keine menſchliche Geduld aus. Daß die
meinige ſchon laͤngſt erſchoͤpft war, merkte kein
Menſch, denn ich machte es den Leuten ſo an-
ſchaulich, daß es ein wahrer Genuß ſei, hier mit
Muſe die ſchoͤne Natur zu bewundern, daß keiner
ſich unterſtehen durfte auf die Schiffer zu fluchen,
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uͤber die ausgedehnte Gelegenheit, ſie zu genießen,
freuen mußte. Das nun abgerechnet, daß wir in

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[34/0048] vorſichtig gemacht, war durch die Haͤnde eines Mannes gegangen, dem ſein Amt Einfluß auf die ganze Schiffergilde giebt, wir glaubten uns alſo ganz geſichert. Der Morgen war ſchoͤn, und nach dem geſtrigen Regen kuͤßte die Sonne uͤber- all blitzende Juwelen von den Blumen und uͤppi- gen Weinranken hinweg. Man hatte uns gera- then, doch lieber um ſechs Uhr ſchon an dem Ufer zu ſeyn, damit die andern Reiſenden, die von oben herab kaͤmen, nicht warten muͤßten. Durch unſre Puͤnktlichkeit getrieben, waren wir denn auch wirklich vor ſechs Uhr ſchon ſchwimmfer- tig, und waren es noch um neun Uhr, ohne daß ein Poſtſchiff ſich blicken ließ. Von ſechs bis neun Uhr warten! — und waͤr es auf den Auen Eli- ſiums, und waͤr es in Abrahams Schooße, ſo hielt das keine menſchliche Geduld aus. Daß die meinige ſchon laͤngſt erſchoͤpft war, merkte kein Menſch, denn ich machte es den Leuten ſo an- ſchaulich, daß es ein wahrer Genuß ſei, hier mit Muſe die ſchoͤne Natur zu bewundern, daß keiner ſich unterſtehen durfte auf die Schiffer zu fluchen, ſondern, wenn auch mit Galle im Herzen, ſich uͤber die ausgedehnte Gelegenheit, ſie zu genießen, freuen mußte. Das nun abgerechnet, daß wir in

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/48>, abgerufen am 22.12.2024.