vorsichtig gemacht, war durch die Hände eines Mannes gegangen, dem sein Amt Einfluß auf die ganze Schiffergilde giebt, wir glaubten uns also ganz gesichert. Der Morgen war schön, und nach dem gestrigen Regen küßte die Sonne über- all blitzende Juwelen von den Blumen und üppi- gen Weinranken hinweg. Man hatte uns gera- then, doch lieber um sechs Uhr schon an dem Ufer zu seyn, damit die andern Reisenden, die von oben herab kämen, nicht warten müßten. Durch unsre Pünktlichkeit getrieben, waren wir denn auch wirklich vor sechs Uhr schon schwimmfer- tig, und waren es noch um neun Uhr, ohne daß ein Postschiff sich blicken ließ. Von sechs bis neun Uhr warten! -- und wär es auf den Auen Eli- siums, und wär es in Abrahams Schooße, so hielt das keine menschliche Geduld aus. Daß die meinige schon längst erschöpft war, merkte kein Mensch, denn ich machte es den Leuten so an- schaulich, daß es ein wahrer Genuß sei, hier mit Muse die schöne Natur zu bewundern, daß keiner sich unterstehen durfte auf die Schiffer zu fluchen, sondern, wenn auch mit Galle im Herzen, sich über die ausgedehnte Gelegenheit, sie zu genießen, freuen mußte. Das nun abgerechnet, daß wir in
vorſichtig gemacht, war durch die Haͤnde eines Mannes gegangen, dem ſein Amt Einfluß auf die ganze Schiffergilde giebt, wir glaubten uns alſo ganz geſichert. Der Morgen war ſchoͤn, und nach dem geſtrigen Regen kuͤßte die Sonne uͤber- all blitzende Juwelen von den Blumen und uͤppi- gen Weinranken hinweg. Man hatte uns gera- then, doch lieber um ſechs Uhr ſchon an dem Ufer zu ſeyn, damit die andern Reiſenden, die von oben herab kaͤmen, nicht warten muͤßten. Durch unſre Puͤnktlichkeit getrieben, waren wir denn auch wirklich vor ſechs Uhr ſchon ſchwimmfer- tig, und waren es noch um neun Uhr, ohne daß ein Poſtſchiff ſich blicken ließ. Von ſechs bis neun Uhr warten! — und waͤr es auf den Auen Eli- ſiums, und waͤr es in Abrahams Schooße, ſo hielt das keine menſchliche Geduld aus. Daß die meinige ſchon laͤngſt erſchoͤpft war, merkte kein Menſch, denn ich machte es den Leuten ſo an- ſchaulich, daß es ein wahrer Genuß ſei, hier mit Muſe die ſchoͤne Natur zu bewundern, daß keiner ſich unterſtehen durfte auf die Schiffer zu fluchen, ſondern, wenn auch mit Galle im Herzen, ſich uͤber die ausgedehnte Gelegenheit, ſie zu genießen, freuen mußte. Das nun abgerechnet, daß wir in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0048"n="34"/>
vorſichtig gemacht, war durch die Haͤnde eines<lb/>
Mannes gegangen, dem ſein Amt Einfluß auf<lb/>
die ganze Schiffergilde giebt, wir glaubten uns<lb/>
alſo ganz geſichert. Der Morgen war ſchoͤn, und<lb/>
nach dem geſtrigen Regen kuͤßte die Sonne uͤber-<lb/>
all blitzende Juwelen von den Blumen und uͤppi-<lb/>
gen Weinranken hinweg. Man hatte uns gera-<lb/>
then, doch lieber um ſechs Uhr ſchon an dem Ufer<lb/>
zu ſeyn, damit die andern Reiſenden, die von<lb/>
oben herab kaͤmen, nicht warten muͤßten. Durch<lb/>
unſre Puͤnktlichkeit getrieben, waren wir denn<lb/>
auch wirklich vor ſechs Uhr ſchon <hirendition="#g">ſchwimmfer-<lb/>
tig</hi>, und waren es noch um neun Uhr, ohne daß<lb/>
ein Poſtſchiff ſich blicken ließ. Von ſechs bis neun<lb/>
Uhr warten! — und waͤr es auf den Auen Eli-<lb/>ſiums, und waͤr es in Abrahams Schooße, ſo<lb/>
hielt das keine menſchliche Geduld aus. Daß die<lb/>
meinige ſchon laͤngſt erſchoͤpft war, merkte kein<lb/>
Menſch, denn ich machte es den Leuten ſo an-<lb/>ſchaulich, daß es ein wahrer Genuß ſei, hier mit<lb/>
Muſe die ſchoͤne Natur zu bewundern, daß keiner<lb/>ſich unterſtehen durfte auf die Schiffer zu fluchen,<lb/>ſondern, wenn auch mit Galle im Herzen, ſich<lb/>
uͤber die ausgedehnte Gelegenheit, ſie zu genießen,<lb/>
freuen mußte. Das nun abgerechnet, daß wir in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[34/0048]
vorſichtig gemacht, war durch die Haͤnde eines
Mannes gegangen, dem ſein Amt Einfluß auf
die ganze Schiffergilde giebt, wir glaubten uns
alſo ganz geſichert. Der Morgen war ſchoͤn, und
nach dem geſtrigen Regen kuͤßte die Sonne uͤber-
all blitzende Juwelen von den Blumen und uͤppi-
gen Weinranken hinweg. Man hatte uns gera-
then, doch lieber um ſechs Uhr ſchon an dem Ufer
zu ſeyn, damit die andern Reiſenden, die von
oben herab kaͤmen, nicht warten muͤßten. Durch
unſre Puͤnktlichkeit getrieben, waren wir denn
auch wirklich vor ſechs Uhr ſchon ſchwimmfer-
tig, und waren es noch um neun Uhr, ohne daß
ein Poſtſchiff ſich blicken ließ. Von ſechs bis neun
Uhr warten! — und waͤr es auf den Auen Eli-
ſiums, und waͤr es in Abrahams Schooße, ſo
hielt das keine menſchliche Geduld aus. Daß die
meinige ſchon laͤngſt erſchoͤpft war, merkte kein
Menſch, denn ich machte es den Leuten ſo an-
ſchaulich, daß es ein wahrer Genuß ſei, hier mit
Muſe die ſchoͤne Natur zu bewundern, daß keiner
ſich unterſtehen durfte auf die Schiffer zu fluchen,
ſondern, wenn auch mit Galle im Herzen, ſich
uͤber die ausgedehnte Gelegenheit, ſie zu genießen,
freuen mußte. Das nun abgerechnet, daß wir in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/48>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.