fürstlichen Zimmer besuchen zu dürfen, prägt dem Volk wohl das Gefühl der Entfernung zwischen dem Fürsten und sich selbst ein, erweckt aber nicht die Liebe zu den schönen Dingen in ihm, welche jede Ahndung von Eigenthum begleitet. Was in der Kirche und auf dem Rathhause steht, zu dem denkt es sich ein wirkliches Recht zu haben. Und die schönen Juwelen blitzender Monstranzen, die Leuchter und Becher! Da kann ein Künstler mehr Kunst anbringen, wie an einem ganzen Tafelser- vice, welches dem Volke nie vor Augen kommt, oder auf dem der Hungrige nur gierig eine leckere Schüssel vorbeitragen sieht. "Eure Tempel glänzten gleich Pallästen" -- diese Kirchen glän- zen noch zuweilen, wenn die Sonne auf die Schmaragden des Allerheiligsten strahlt, und die Fahnen beim Schall der Posaune in die Luft flat- tern. -- Da stand ein großer silber Kasten, der die Ueberreste -- ich weiß nicht welches, ziemlich neuen Heiligen enthielt, denn so viel ich verstand, war er in den Bewegungen der holländischen Frei- heitskriege ermordert. -- Gott behüte mich doch vor den Heiligen, die eine christliche Kirche der andern verschafft hat! -- Die getriebene Arbeit dieses Kunstwerks ist herrlich! der Zeit nach konnte
fuͤrſtlichen Zimmer beſuchen zu duͤrfen, praͤgt dem Volk wohl das Gefuͤhl der Entfernung zwiſchen dem Fuͤrſten und ſich ſelbſt ein, erweckt aber nicht die Liebe zu den ſchoͤnen Dingen in ihm, welche jede Ahndung von Eigenthum begleitet. Was in der Kirche und auf dem Rathhauſe ſteht, zu dem denkt es ſich ein wirkliches Recht zu haben. Und die ſchoͤnen Juwelen blitzender Monſtranzen, die Leuchter und Becher! Da kann ein Kuͤnſtler mehr Kunſt anbringen, wie an einem ganzen Tafelſer- vice, welches dem Volke nie vor Augen kommt, oder auf dem der Hungrige nur gierig eine leckere Schuͤſſel vorbeitragen ſieht. „Eure Tempel glaͤnzten gleich Pallaͤſten“ — dieſe Kirchen glaͤn- zen noch zuweilen, wenn die Sonne auf die Schmaragden des Allerheiligſten ſtrahlt, und die Fahnen beim Schall der Poſaune in die Luft flat- tern. — Da ſtand ein großer ſilber Kaſten, der die Ueberreſte — ich weiß nicht welches, ziemlich neuen Heiligen enthielt, denn ſo viel ich verſtand, war er in den Bewegungen der hollaͤndiſchen Frei- heitskriege ermordert. — Gott behuͤte mich doch vor den Heiligen, die eine chriſtliche Kirche der andern verſchafft hat! — Die getriebene Arbeit dieſes Kunſtwerks iſt herrlich! der Zeit nach konnte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0085"n="71"/>
fuͤrſtlichen Zimmer beſuchen zu duͤrfen, praͤgt dem<lb/>
Volk wohl das Gefuͤhl der Entfernung zwiſchen<lb/>
dem Fuͤrſten und ſich ſelbſt ein, erweckt aber nicht<lb/>
die Liebe zu den ſchoͤnen Dingen in ihm, welche<lb/>
jede Ahndung von Eigenthum begleitet. Was in<lb/>
der Kirche und auf dem Rathhauſe ſteht, zu dem<lb/>
denkt es ſich ein wirkliches Recht zu haben. Und<lb/>
die ſchoͤnen Juwelen blitzender Monſtranzen, die<lb/>
Leuchter und Becher! Da kann ein Kuͤnſtler mehr<lb/>
Kunſt anbringen, wie an einem ganzen Tafelſer-<lb/>
vice, welches dem Volke nie vor Augen kommt,<lb/>
oder auf dem der Hungrige nur gierig eine leckere<lb/>
Schuͤſſel vorbeitragen ſieht. „Eure Tempel<lb/>
glaͤnzten gleich Pallaͤſten“— dieſe Kirchen glaͤn-<lb/>
zen noch zuweilen, wenn die Sonne auf die<lb/>
Schmaragden des Allerheiligſten ſtrahlt, und die<lb/>
Fahnen beim Schall der Poſaune in die Luft flat-<lb/>
tern. — Da ſtand ein großer ſilber Kaſten, der<lb/>
die Ueberreſte — ich weiß nicht welches, ziemlich<lb/>
neuen Heiligen enthielt, denn ſo viel ich verſtand,<lb/>
war er in den Bewegungen der hollaͤndiſchen Frei-<lb/>
heitskriege ermordert. — Gott behuͤte mich doch<lb/>
vor den Heiligen, die eine chriſtliche Kirche der<lb/>
andern verſchafft hat! — Die getriebene Arbeit<lb/>
dieſes Kunſtwerks iſt herrlich! der Zeit nach konnte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[71/0085]
fuͤrſtlichen Zimmer beſuchen zu duͤrfen, praͤgt dem
Volk wohl das Gefuͤhl der Entfernung zwiſchen
dem Fuͤrſten und ſich ſelbſt ein, erweckt aber nicht
die Liebe zu den ſchoͤnen Dingen in ihm, welche
jede Ahndung von Eigenthum begleitet. Was in
der Kirche und auf dem Rathhauſe ſteht, zu dem
denkt es ſich ein wirkliches Recht zu haben. Und
die ſchoͤnen Juwelen blitzender Monſtranzen, die
Leuchter und Becher! Da kann ein Kuͤnſtler mehr
Kunſt anbringen, wie an einem ganzen Tafelſer-
vice, welches dem Volke nie vor Augen kommt,
oder auf dem der Hungrige nur gierig eine leckere
Schuͤſſel vorbeitragen ſieht. „Eure Tempel
glaͤnzten gleich Pallaͤſten“ — dieſe Kirchen glaͤn-
zen noch zuweilen, wenn die Sonne auf die
Schmaragden des Allerheiligſten ſtrahlt, und die
Fahnen beim Schall der Poſaune in die Luft flat-
tern. — Da ſtand ein großer ſilber Kaſten, der
die Ueberreſte — ich weiß nicht welches, ziemlich
neuen Heiligen enthielt, denn ſo viel ich verſtand,
war er in den Bewegungen der hollaͤndiſchen Frei-
heitskriege ermordert. — Gott behuͤte mich doch
vor den Heiligen, die eine chriſtliche Kirche der
andern verſchafft hat! — Die getriebene Arbeit
dieſes Kunſtwerks iſt herrlich! der Zeit nach konnte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/85>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.