Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.oder negativer, bestimmter oder unbestimmter Art, Gebot oder Zu- oder negativer, beſtimmter oder unbeſtimmter Art, Gebot oder Zu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="61"/> oder negativer, beſtimmter oder unbeſtimmter Art, Gebot oder Zu-<lb/> laßung in neuen Ordnungen oder eben durch Zulaßung thatſächlich<lb/> zu entwickeln. Wer das Gegentheil behaupten — wer damit zu-<lb/> geben wollte: „es gibt wirklich große dringende geiſtliche Noth-<lb/> ſtände, in deren Abhülfe ſchriftgemäße oder doch nicht ſchriftwidrige<lb/> Mittel ſich nachweiſen laßen oder ſchon bewährt haben, wozu auch<lb/> die lutheriſche Kirche die Elemente, Material und Kräfte hat, deren<lb/> Abhülfe aber durch Entwicklung dieſer Kräfte der Kirche in ihren<lb/> Ordnungen, ihrem Geiſt und ihrem Weſen verboten iſt‟ — wer eine<lb/> ſolche Behauptung aufſtellte und hinreichend zu begründen vermöchte,<lb/> der würde damit der lutheriſchen Kirche den ſchlechteſten Dienſt<lb/> leiſten, das kläglichſte <hi rendition="#aq">testimonium paupertatis,</hi> das vollſtändigſte<lb/> Jnſolvenzzeugniß ſtellen — ja, das ſchmählichſte Todesurtheil<lb/> ſprechen. Er würde dies, ſoweit er ſolcher Ueberzeugung auch<lb/> praktiſche Geltung zu geben vermöchte, auch exequiren. Und meint<lb/> man im Ernſt der darin liegenden furchtbaren Verantwortlichkeit zu<lb/> entgehen durch die Berufung auf die typiſchen Gegenſäße der<lb/> Martha und Maria, bei deren Deutung und Applikation dann<lb/> Fleiſch und Blut und <hi rendition="#g">ſeine</hi> Neigung und Bequemlichkeit nur all-<lb/> zuviel Raum finden? Dem iſt aber glücklicherweiſe nicht ſo — von<lb/> einer ſolchen allgemein anerkannten unſeligen Entſcheidung ſolcher kirch-<lb/> lichen Lebensfragen iſt uns Nichts bekannt. Wir brauchen alſo gar nicht<lb/> einmal die verhängnißvolle Frage zu ſtellen: wie <hi rendition="#g">dann,</hi> wenn nun<lb/> doch unſere Kirche ſich ſelbſt ſolche Rettungswege verſchloßen hätte,<lb/> die von und in Gottes Wort entweder geboten und gewieſen oder<lb/> doch offen gelaßen und verſtattet ſind? Wir halten vielmehr un-<lb/> verzagt an <hi rendition="#g">dem</hi> feſt: was wirklich <hi rendition="#g">Noth</hi> thut in ſolchen Dingen<lb/> und was Gottes Wort gebietet oder geſtattet iſt auch lutheriſch —<lb/> jedenfalls <hi rendition="#aq">in posse,</hi> wenn die Noth wirklich <hi rendition="#g">da</hi> iſt auch <hi rendition="#aq">in esse!</hi> —<lb/> Und wenn auch, oder ſo lange die Kirche verhindert iſt in dieſem<lb/> Sinne als Ganzes aufzutreten, ſo kann ſie jedenfalls ihren ein-<lb/> zelnen lokalen Organen und Gliedern eine ſo freie Bewegung ver-<lb/> ſtatten, wie die Sache es dann fordern mag — aber nur <hi rendition="#g">ſoweit,</hi><lb/> daß die Sache ſelbſt nicht weſentlich darunter leidet und eben des-<lb/> halb nicht immer blos negativ, ſondern auch poſitiv. Dem iſt <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> ſo! Wie wollte denn ſonſt die beſte Zeit, die erſte Liebe der luthe-<lb/> riſchen Reformation, wie wollte unſer Luther ſelbſt vor jenem Maaß-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0067]
oder negativer, beſtimmter oder unbeſtimmter Art, Gebot oder Zu-
laßung in neuen Ordnungen oder eben durch Zulaßung thatſächlich
zu entwickeln. Wer das Gegentheil behaupten — wer damit zu-
geben wollte: „es gibt wirklich große dringende geiſtliche Noth-
ſtände, in deren Abhülfe ſchriftgemäße oder doch nicht ſchriftwidrige
Mittel ſich nachweiſen laßen oder ſchon bewährt haben, wozu auch
die lutheriſche Kirche die Elemente, Material und Kräfte hat, deren
Abhülfe aber durch Entwicklung dieſer Kräfte der Kirche in ihren
Ordnungen, ihrem Geiſt und ihrem Weſen verboten iſt‟ — wer eine
ſolche Behauptung aufſtellte und hinreichend zu begründen vermöchte,
der würde damit der lutheriſchen Kirche den ſchlechteſten Dienſt
leiſten, das kläglichſte testimonium paupertatis, das vollſtändigſte
Jnſolvenzzeugniß ſtellen — ja, das ſchmählichſte Todesurtheil
ſprechen. Er würde dies, ſoweit er ſolcher Ueberzeugung auch
praktiſche Geltung zu geben vermöchte, auch exequiren. Und meint
man im Ernſt der darin liegenden furchtbaren Verantwortlichkeit zu
entgehen durch die Berufung auf die typiſchen Gegenſäße der
Martha und Maria, bei deren Deutung und Applikation dann
Fleiſch und Blut und ſeine Neigung und Bequemlichkeit nur all-
zuviel Raum finden? Dem iſt aber glücklicherweiſe nicht ſo — von
einer ſolchen allgemein anerkannten unſeligen Entſcheidung ſolcher kirch-
lichen Lebensfragen iſt uns Nichts bekannt. Wir brauchen alſo gar nicht
einmal die verhängnißvolle Frage zu ſtellen: wie dann, wenn nun
doch unſere Kirche ſich ſelbſt ſolche Rettungswege verſchloßen hätte,
die von und in Gottes Wort entweder geboten und gewieſen oder
doch offen gelaßen und verſtattet ſind? Wir halten vielmehr un-
verzagt an dem feſt: was wirklich Noth thut in ſolchen Dingen
und was Gottes Wort gebietet oder geſtattet iſt auch lutheriſch —
jedenfalls in posse, wenn die Noth wirklich da iſt auch in esse! —
Und wenn auch, oder ſo lange die Kirche verhindert iſt in dieſem
Sinne als Ganzes aufzutreten, ſo kann ſie jedenfalls ihren ein-
zelnen lokalen Organen und Gliedern eine ſo freie Bewegung ver-
ſtatten, wie die Sache es dann fordern mag — aber nur ſoweit,
daß die Sache ſelbſt nicht weſentlich darunter leidet und eben des-
halb nicht immer blos negativ, ſondern auch poſitiv. Dem iſt nicht
ſo! Wie wollte denn ſonſt die beſte Zeit, die erſte Liebe der luthe-
riſchen Reformation, wie wollte unſer Luther ſelbſt vor jenem Maaß-
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