Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.Vor allen Dingen, geehrtester Freund, müßen wir uns jedoch 1 *
Vor allen Dingen, geehrteſter Freund, müßen wir uns jedoch 1 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0009" n="3"/> <p>Vor allen Dingen, geehrteſter Freund, müßen wir uns jedoch<lb/> über zwei vorläufige Punkte verſtändigen, damit Sie nicht <hi rendition="#g">mehr</hi><lb/> oder <hi rendition="#g">Anderes</hi> von mir erwarten, als ich geben kann und eben des-<lb/> halb will. Erſtlich habe ich den Jrrthum zu berichtigen, zu dem Sie,<lb/> ich weiß nicht von wem, veranlaßt worden ſind, als wenn ich nämlich<lb/> das engliſche Revival — ich denke, wir behalten den fremden Aus-<lb/> druck für die fremdländiſche Sache bei! — hauptſächlich durch häufige<lb/> und umfaßende <hi rendition="#g">eigene</hi> Anſchauung an Ort und Stelle kennen ge-<lb/> lernt hätte. Dem iſt jedoch nicht ſo. Bei meinem vorjährigen<lb/> Aufenthalt in England war es allerdings meine Abſicht, möglichſt<lb/> viel von dieſer Bewegung ſelbſt zu hören und zu ſehen; aber nach-<lb/> dem ich in London einigen jener Meetings beigewohnt, überzeugte<lb/> ich mich, daß ich — auch abgeſehen von dem Mangel an Zeit, die<lb/> ich hätte andern und für <hi rendition="#g">mich</hi> dringendern und berechtigtern Zwecken<lb/> abbrechen müßen — <hi rendition="#g">keinen Beruf</hi> und kein <hi rendition="#g">Recht</hi> habe, auf<lb/> dieſem Wege irgend weiter zu gehen. Die Urſachen dieſes Ent-<lb/> ſchlußes ſind zu ſehr individueller und intimſter Natur, als daß ich<lb/> mich hier weiter darüber ausſprechen könnte. Möge Jhnen die<lb/> Berufung auf einen allgemeinen Grundſatz genügen, deſſen Be-<lb/> deutung und Berechtigung mir eben bei dieſer Gelegenheit recht<lb/> fühlbar geworden. Da, wo Andere wirklich Erbauung finden, hat<lb/> Keiner einen Beruf oder ein Recht mit blos objektiver Kritik oder<lb/> ſubjektiver Antipathie oder bloßer Neugierde gegenwärtig zu ſein —<lb/> wenn ihn nicht eine beſtimmte <hi rendition="#g">Pflicht</hi> oder Nothwendigkeit hält.<lb/> Wer ſich nicht mit ſolcher Strömung homogeniſiren kann, der bleibe<lb/> davon! — Damit will ich für keinen Dritten einen Strick drehen;<lb/> was aber mich betrifft, ſo will ich noch zum Ueberfluß ſoviel ge-<lb/> ſtehen, daß es beſonders der zweite Grund: eine ſehr entſchiedene Jdio-<lb/> ſynkraſie (von der ich dahingeſtellt ſein laße, wieweit ſie national und<lb/> wie weit individuell ſein mag), war, der mich beſtimmte. Wie wenig<lb/> aber <hi rendition="#g">daraus</hi> für <hi rendition="#g">Sie</hi> und Jhre Freunde und ſo viele wahl-<lb/> verwandte Kreiſe ein Präjudiz gegen die Sache ſelbſt zu erwachſen<lb/> braucht, mag Jhnen gleich das weitere, wenn auch ohne Zweifel<lb/> ſehr unliebſame Geſtändniß beweiſen, daß eben jener Jdioſynkraſie<lb/> auch ein ſehr viel geringerer Grad von religiöſer Aufgeregtheit oder<lb/> Demonſtrativität, als ich ſie in jenen Revivalverſammlungen fand,<lb/> des <hi rendition="#g">Guten zuviel</hi> iſt. Wie ich denn auch jenen allgemeinen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">1 *</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0009]
Vor allen Dingen, geehrteſter Freund, müßen wir uns jedoch
über zwei vorläufige Punkte verſtändigen, damit Sie nicht mehr
oder Anderes von mir erwarten, als ich geben kann und eben des-
halb will. Erſtlich habe ich den Jrrthum zu berichtigen, zu dem Sie,
ich weiß nicht von wem, veranlaßt worden ſind, als wenn ich nämlich
das engliſche Revival — ich denke, wir behalten den fremden Aus-
druck für die fremdländiſche Sache bei! — hauptſächlich durch häufige
und umfaßende eigene Anſchauung an Ort und Stelle kennen ge-
lernt hätte. Dem iſt jedoch nicht ſo. Bei meinem vorjährigen
Aufenthalt in England war es allerdings meine Abſicht, möglichſt
viel von dieſer Bewegung ſelbſt zu hören und zu ſehen; aber nach-
dem ich in London einigen jener Meetings beigewohnt, überzeugte
ich mich, daß ich — auch abgeſehen von dem Mangel an Zeit, die
ich hätte andern und für mich dringendern und berechtigtern Zwecken
abbrechen müßen — keinen Beruf und kein Recht habe, auf
dieſem Wege irgend weiter zu gehen. Die Urſachen dieſes Ent-
ſchlußes ſind zu ſehr individueller und intimſter Natur, als daß ich
mich hier weiter darüber ausſprechen könnte. Möge Jhnen die
Berufung auf einen allgemeinen Grundſatz genügen, deſſen Be-
deutung und Berechtigung mir eben bei dieſer Gelegenheit recht
fühlbar geworden. Da, wo Andere wirklich Erbauung finden, hat
Keiner einen Beruf oder ein Recht mit blos objektiver Kritik oder
ſubjektiver Antipathie oder bloßer Neugierde gegenwärtig zu ſein —
wenn ihn nicht eine beſtimmte Pflicht oder Nothwendigkeit hält.
Wer ſich nicht mit ſolcher Strömung homogeniſiren kann, der bleibe
davon! — Damit will ich für keinen Dritten einen Strick drehen;
was aber mich betrifft, ſo will ich noch zum Ueberfluß ſoviel ge-
ſtehen, daß es beſonders der zweite Grund: eine ſehr entſchiedene Jdio-
ſynkraſie (von der ich dahingeſtellt ſein laße, wieweit ſie national und
wie weit individuell ſein mag), war, der mich beſtimmte. Wie wenig
aber daraus für Sie und Jhre Freunde und ſo viele wahl-
verwandte Kreiſe ein Präjudiz gegen die Sache ſelbſt zu erwachſen
braucht, mag Jhnen gleich das weitere, wenn auch ohne Zweifel
ſehr unliebſame Geſtändniß beweiſen, daß eben jener Jdioſynkraſie
auch ein ſehr viel geringerer Grad von religiöſer Aufgeregtheit oder
Demonſtrativität, als ich ſie in jenen Revivalverſammlungen fand,
des Guten zuviel iſt. Wie ich denn auch jenen allgemeinen
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