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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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ben: dergleichen der vortreffliche Secken-
dorff in der Version des Luciani gebrau-
cher hat.

XXIII. Von diesen allen nun etwas ge-
nauer zu urtheilen/ so muß man vor allen
Dingen untersuchen/ was einen und den
andern darzu möchte bewogen haben.

XXIV. Wofern ich nun muthmassen
darff/ so ists bey etlichen aus Großmüthig-
keit/ bey etlichen aus Klugheit/ bey etlichen
aus Faulheit geschehen.

XXV. Denn einmahl ist es bey der po-
liten Welt allemahl so mode gewesen/ daß
geschickte Gemüther bey frölichen und
traurigen Fällen/ sich selbst oder andern zu
Liebe was artiges und sinnreiches geschrie-
ben haben.

XXVI. Weil nun die deutschen Verse
nicht nur in der Schulen gelernet/ sondern
auch von Schul-Leuten bey gar niedrigen
Fällen gemißbrauchet wurden/ so stund
es curieusen Gemüthern nicht an/ daß ihre
Sachen nach der Schule schmecken solten/
und suchten sich also durch was neues von
den Schul-Leuten zu distinguiren.

XXVII. Andre mochten in der Jugend
die Zeit und die Gelegenheit/ die Schwü-
rigkeiten der deutschen Poesie zu überstei-
gen versäumet haben: Und weil sie gleich-

wohl
b 2

ben: dergleichen der vortreffliche Secken-
dorff in der Verſion des Luciani gebrau-
cher hat.

XXIII. Von dieſen allen nun etwas ge-
nauer zu urtheilen/ ſo muß man vor allen
Dingen unterſuchen/ was einen und den
andern darzu moͤchte bewogen haben.

XXIV. Wofern ich nun muthmaſſen
darff/ ſo iſts bey etlichen aus Großmuͤthig-
keit/ bey etlichen aus Klugheit/ bey etlichen
aus Faulheit geſchehen.

XXV. Denn einmahl iſt es bey der po-
liten Welt allemahl ſo mode geweſen/ daß
geſchickte Gemuͤther bey froͤlichen und
traurigen Faͤllen/ ſich ſelbſt oder andern zu
Liebe was artiges und ſinnreiches geſchrie-
ben haben.

XXVI. Weil nun die deutſchen Verſe
nicht nur in der Schulen gelernet/ ſondern
auch von Schul-Leuten bey gar niedrigen
Faͤllen gemißbrauchet wurden/ ſo ſtund
es curieuſen Gemuͤthern nicht an/ daß ihre
Sachen nach der Schule ſchmecken ſolten/
und ſuchten ſich alſo durch was neues von
den Schul-Leuten zu diſtinguiren.

XXVII. Andre mochten in der Jugend
die Zeit und die Gelegenheit/ die Schwuͤ-
rigkeiten der deutſchen Poeſie zu uͤberſtei-
gen verſaͤumet haben: Und weil ſie gleich-

wohl
b 2
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[19/0023] ben: dergleichen der vortreffliche Secken- dorff in der Verſion des Luciani gebrau- cher hat. XXIII. Von dieſen allen nun etwas ge- nauer zu urtheilen/ ſo muß man vor allen Dingen unterſuchen/ was einen und den andern darzu moͤchte bewogen haben. XXIV. Wofern ich nun muthmaſſen darff/ ſo iſts bey etlichen aus Großmuͤthig- keit/ bey etlichen aus Klugheit/ bey etlichen aus Faulheit geſchehen. XXV. Denn einmahl iſt es bey der po- liten Welt allemahl ſo mode geweſen/ daß geſchickte Gemuͤther bey froͤlichen und traurigen Faͤllen/ ſich ſelbſt oder andern zu Liebe was artiges und ſinnreiches geſchrie- ben haben. XXVI. Weil nun die deutſchen Verſe nicht nur in der Schulen gelernet/ ſondern auch von Schul-Leuten bey gar niedrigen Faͤllen gemißbrauchet wurden/ ſo ſtund es curieuſen Gemuͤthern nicht an/ daß ihre Sachen nach der Schule ſchmecken ſolten/ und ſuchten ſich alſo durch was neues von den Schul-Leuten zu diſtinguiren. XXVII. Andre mochten in der Jugend die Zeit und die Gelegenheit/ die Schwuͤ- rigkeiten der deutſchen Poeſie zu uͤberſtei- gen verſaͤumet haben: Und weil ſie gleich- wohl b 2

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/23>, abgerufen am 29.04.2024.