Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

Bild:
<< vorherige Seite
Es sollen zwey verliebte Seelen
Einander niemahls was verhehlen.

XCIII. Wenn ich auff allen Seiten die
Censur habe vermeiden wollen/ so hab ich
Reime gebraucht/ die allenthalben gleich
pronunciret werden. z. e.

Mancher Mensch ist in Geberden
Aerger als ein grobes Rind:
Mancher wil zum Hunde werden/
Der das Zancken lieb gewinnt:
Manchem sind die langen Ohren
Von dem Esel angebohren.

XCIV. Niemahls aber hab ich zweyerley
Dialectus in einem Carmine gebraucht/ als
wie in dieser Strophe:

Charlotte hat mein Hertz gestolen/
Das ist bey aller Welt erschollen:
Deßwegen nehm ich täglich abe
Und geh allmählig zu dem Grabe.

XCV. Jm übrigen aber hab ich keinen
Reim iemahls getadelt/ wenn der Autor
den Dialectum mit seiner Mutter-Sprache
hat defendiren können.

XCVI. Die andre General Regel lautet
so: Des Reimes wegen muß nichts ge-
zwungen werden. z. e.

Der Brun/ den dort die Grichen hatten
Der halff durch eine Wunder-Krafft
Zu der verlohrnen Jungferschafft/
Wenn sie sich nur darinnen badten:
Ach wär der Brunnen noch auf Erden/
Jch wolt ein reicher Bader werden!

XCVII. Oder zum wenigsten muß der

Zwang
Es ſollen zwey verliebte Seelen
Einander niemahls was verhehlen.

XCIII. Wenn ich auff allen Seiten die
Cenſur habe vermeiden wollen/ ſo hab ich
Reime gebraucht/ die allenthalben gleich
pronunciret werden. z. e.

Mancher Menſch iſt in Geberden
Aerger als ein grobes Rind:
Mancher wil zum Hunde werden/
Der das Zancken lieb gewinnt:
Manchem ſind die langen Ohren
Von dem Eſel angebohren.

XCIV. Niemahls aber hab ich zweyeꝛley
Dialectus in einem Carmine gebraucht/ als
wie in dieſer Strophe:

Charlotte hat mein Hertz geſtolen/
Das iſt bey aller Welt erſchollen:
Deßwegen nehm ich taͤglich abe
Und geh allmaͤhlig zu dem Grabe.

XCV. Jm uͤbrigen aber hab ich keinen
Reim iemahls getadelt/ wenn der Autor
den Dialectum mit ſeiner Mutter-Sprache
hat defendiren koͤnnen.

XCVI. Die andre General Regel lautet
ſo: Des Reimes wegen muß nichts ge-
zwungen werden. z. e.

Der Brun/ den dort die Grichen hatten
Der halff durch eine Wunder-Krafft
Zu der verlohrnen Jungferſchafft/
Wenn ſie ſich nur darinnen badten:
Ach waͤr der Brunnen noch auf Erden/
Jch wolt ein reicher Bader werden!

XCVII. Oder zum wenigſten muß der

Zwang
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0042" n="38"/>
        <lg type="poem">
          <l>Es &#x017F;ollen zwey verliebte <hi rendition="#fr">Seelen</hi></l><lb/>
          <l>Einander niemahls was ver<hi rendition="#fr">hehlen.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">XCIII.</hi> Wenn ich auff allen Seiten die<lb/><hi rendition="#aq">Cen&#x017F;ur</hi> habe vermeiden wollen/ &#x017F;o hab ich<lb/>
Reime gebraucht/ die allenthalben gleich<lb/><hi rendition="#aq">pronuncir</hi>et werden. z. e.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Mancher Men&#x017F;ch i&#x017F;t in <hi rendition="#fr">Geberden</hi></l><lb/>
          <l>Aerger als ein grobes <hi rendition="#fr">Rind:</hi></l><lb/>
          <l>Mancher wil zum Hunde <hi rendition="#fr">werden/</hi></l><lb/>
          <l>Der das Zancken lieb ge<hi rendition="#fr">winnt:</hi></l><lb/>
          <l>Manchem &#x017F;ind die <hi rendition="#fr">l</hi>angen <hi rendition="#fr">Ohren</hi></l><lb/>
          <l>Von dem E&#x017F;el ange<hi rendition="#fr">bohren.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">XCIV.</hi> Niemahls aber hab ich zweye&#xA75B;ley<lb/><hi rendition="#aq">Dialectus</hi> in einem <hi rendition="#aq">Carmine</hi> gebraucht/ als<lb/>
wie in die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Strophe:</hi></p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l><hi rendition="#aq">Charlotte</hi> hat mein Hertz ge<hi rendition="#fr">&#x017F;tolen/</hi></l><lb/>
          <l>Das i&#x017F;t bey aller Welt er<hi rendition="#fr">&#x017F;chollen:</hi></l><lb/>
          <l>Deßwegen nehm ich ta&#x0364;glich <hi rendition="#fr">abe</hi></l><lb/>
          <l>Und geh allma&#x0364;hlig zu dem <hi rendition="#fr">Grabe.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">XCV.</hi> Jm u&#x0364;brigen aber hab ich keinen<lb/>
Reim iemahls getadelt/ wenn der <hi rendition="#aq">Autor</hi><lb/>
den <hi rendition="#aq">Dialectum</hi> mit &#x017F;einer Mutter-Sprache<lb/>
hat <hi rendition="#aq">defendir</hi>en ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">XCVI.</hi> Die andre <hi rendition="#aq">General</hi> Regel lautet<lb/>
&#x017F;o: Des Reimes wegen muß nichts ge-<lb/>
zwungen werden. z. e.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Der Brun/ den dort die Grichen hatten</l><lb/>
          <l>Der halff durch eine Wunder-Krafft</l><lb/>
          <l>Zu der verlohrnen Jungfer&#x017F;chafft/</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie &#x017F;ich nur darinnen badten:</l><lb/>
          <l>Ach wa&#x0364;r der Brunnen noch auf Erden/</l><lb/>
          <l>Jch wolt ein reicher Bader werden!</l>
        </lg><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">XCVII.</hi> Oder zum wenig&#x017F;ten muß der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zwang</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0042] Es ſollen zwey verliebte Seelen Einander niemahls was verhehlen. XCIII. Wenn ich auff allen Seiten die Cenſur habe vermeiden wollen/ ſo hab ich Reime gebraucht/ die allenthalben gleich pronunciret werden. z. e. Mancher Menſch iſt in Geberden Aerger als ein grobes Rind: Mancher wil zum Hunde werden/ Der das Zancken lieb gewinnt: Manchem ſind die langen Ohren Von dem Eſel angebohren. XCIV. Niemahls aber hab ich zweyeꝛley Dialectus in einem Carmine gebraucht/ als wie in dieſer Strophe: Charlotte hat mein Hertz geſtolen/ Das iſt bey aller Welt erſchollen: Deßwegen nehm ich taͤglich abe Und geh allmaͤhlig zu dem Grabe. XCV. Jm uͤbrigen aber hab ich keinen Reim iemahls getadelt/ wenn der Autor den Dialectum mit ſeiner Mutter-Sprache hat defendiren koͤnnen. XCVI. Die andre General Regel lautet ſo: Des Reimes wegen muß nichts ge- zwungen werden. z. e. Der Brun/ den dort die Grichen hatten Der halff durch eine Wunder-Krafft Zu der verlohrnen Jungferſchafft/ Wenn ſie ſich nur darinnen badten: Ach waͤr der Brunnen noch auf Erden/ Jch wolt ein reicher Bader werden! XCVII. Oder zum wenigſten muß der Zwang

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/42
Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/42>, abgerufen am 23.11.2024.