Die Energie des Lebens wird also mit seiner Dauer im umgekehrten Verhält- niss stehen, oder je mehr ein Wesen in- tensiv lebt, desto mehr wird sein Leben an Extension verlieren. -- Der Aus- druck, geschwind leben, der jezt so wie die Sache gewöhnlich worden ist, ist also vollkommen richtig. Man kann allerdings den Prozess der Lebenscon- sumtion, sie mag nun im Handeln oder Geniessen bestehen, geschwinder oder langsamer machen, also geschwind und langsam leben. Ich werde in der Folge das eine durch das Wort intensives Le- ben, das andre durch extensives bezeich- nen. Diese Wahrheit bestätigt sich nicht blos bey dem Menschen, sondern durch die ganze Natur. Je weniger in- tensiv das Leben eines Wesens ist, desto länger dauert es. Man vermehre durch Wärme, Düngung, künstliche Mittel, das intensive Leben einer Pflanze, sie wird schneller vollkommner sich entwi- ckeln, aber auch sehr bald vergehen. -- Selbst ein Geschöpf, was von Natur ei-
F
Die Energie des Lebens wird alſo mit ſeiner Dauer im umgekehrten Verhält- niſs ſtehen, oder je mehr ein Weſen in- tenſiv lebt, deſto mehr wird ſein Leben an Extenſion verlieren. — Der Aus- druck, geſchwind leben, der jezt ſo wie die Sache gewöhnlich worden iſt, iſt alſo vollkommen richtig. Man kann allerdings den Prozeſs der Lebenscon- ſumtion, ſie mag nun im Handeln oder Genieſsen beſtehen, geſchwinder oder langſamer machen, alſo geſchwind und langſam leben. Ich werde in der Folge das eine durch das Wort intenſives Le- ben, das andre durch extenſives bezeich- nen. Dieſe Wahrheit beſtätigt ſich nicht blos bey dem Menſchen, ſondern durch die ganze Natur. Je weniger in- tenſiv das Leben eines Weſens iſt, deſto länger dauert es. Man vermehre durch Wärme, Düngung, künſtliche Mittel, das intenſive Leben einer Pflanze, ſie wird ſchneller vollkommner ſich entwi- ckeln, aber auch ſehr bald vergehen. — Selbſt ein Geſchöpf, was von Natur ei-
F
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0109"n="81"/>
Die Energie des Lebens wird alſo mit<lb/>ſeiner Dauer im umgekehrten Verhält-<lb/>
niſs ſtehen, oder je mehr ein Weſen in-<lb/>
tenſiv lebt, deſto mehr wird ſein Leben<lb/>
an Extenſion verlieren. — Der Aus-<lb/>
druck, <hirendition="#i">geſchwind leben</hi>, der jezt ſo wie<lb/>
die Sache gewöhnlich worden iſt, iſt<lb/>
alſo vollkommen richtig. Man kann<lb/>
allerdings den Prozeſs der Lebenscon-<lb/>ſumtion, ſie mag nun im Handeln oder<lb/>
Genieſsen beſtehen, geſchwinder oder<lb/>
langſamer machen, alſo geſchwind und<lb/>
langſam leben. Ich werde in der Folge<lb/>
das eine durch das Wort intenſives Le-<lb/>
ben, das andre durch extenſives bezeich-<lb/>
nen. Dieſe Wahrheit beſtätigt ſich<lb/>
nicht blos bey dem Menſchen, ſondern<lb/>
durch die ganze Natur. Je weniger in-<lb/>
tenſiv das Leben eines Weſens iſt, deſto<lb/>
länger dauert es. Man vermehre durch<lb/>
Wärme, Düngung, künſtliche Mittel,<lb/>
das intenſive Leben einer Pflanze, ſie<lb/>
wird ſchneller vollkommner ſich entwi-<lb/>
ckeln, aber auch ſehr bald vergehen. —<lb/>
Selbſt ein Geſchöpf, was von Natur ei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[81/0109]
Die Energie des Lebens wird alſo mit
ſeiner Dauer im umgekehrten Verhält-
niſs ſtehen, oder je mehr ein Weſen in-
tenſiv lebt, deſto mehr wird ſein Leben
an Extenſion verlieren. — Der Aus-
druck, geſchwind leben, der jezt ſo wie
die Sache gewöhnlich worden iſt, iſt
alſo vollkommen richtig. Man kann
allerdings den Prozeſs der Lebenscon-
ſumtion, ſie mag nun im Handeln oder
Genieſsen beſtehen, geſchwinder oder
langſamer machen, alſo geſchwind und
langſam leben. Ich werde in der Folge
das eine durch das Wort intenſives Le-
ben, das andre durch extenſives bezeich-
nen. Dieſe Wahrheit beſtätigt ſich
nicht blos bey dem Menſchen, ſondern
durch die ganze Natur. Je weniger in-
tenſiv das Leben eines Weſens iſt, deſto
länger dauert es. Man vermehre durch
Wärme, Düngung, künſtliche Mittel,
das intenſive Leben einer Pflanze, ſie
wird ſchneller vollkommner ſich entwi-
ckeln, aber auch ſehr bald vergehen. —
Selbſt ein Geſchöpf, was von Natur ei-
F
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/109>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.