musste, war es natürlich, dass ich ihn nicht blos medizinisch, sondern auch moralisch behandelte. Wer kann vom menschlichen Leben schreiben, ohne mit der moralischen Welt in Verbindung gesezt zu werden, der es so eigenthümlich zugehört? Im Gegen- theil habe ich bey dieser Arbeit es mehr als je empfunden, dass sich der Mensch und sein höherer moralischer Zweck auch phy- sisch schlechterdings nicht trennen lassen, und ich darf es vielleicht dieser Schrift als ein kleines Verdienst anrechnen, dass sie nicht allein die Wahrheit und den Werth der moralischen Gesetze in den Augen vieler dadurch erhöht, dass sie ihnen die Unent- behrlichkeit derselben auch zur physischen Erhaltung und Verlängerung des Lebens zeigt, sondern dass sie auch mit unwider- leglichen Gründen darthut, dass schon das Physische im Menschen auf seine höhere moralische Bestimmung berechnet ist, dass dieses einen wesentlichen Unterschied der menschlichen Natur von der thierischen macht, und dass ohne moralische Kultur
muſste, war es natürlich, daſs ich ihn nicht blos mediziniſch, ſondern auch moraliſch behandelte. Wer kann vom menſchlichen Leben ſchreiben, ohne mit der moraliſchen Welt in Verbindung geſezt zu werden, der es ſo eigenthümlich zugehört? Im Gegen- theil habe ich bey dieſer Arbeit es mehr als je empfunden, daſs ſich der Menſch und ſein höherer moraliſcher Zweck auch phy- ſiſch ſchlechterdings nicht trennen laſſen, und ich darf es vielleicht dieſer Schrift als ein kleines Verdienſt anrechnen, daſs ſie nicht allein die Wahrheit und den Werth der moraliſchen Geſetze in den Augen vieler dadurch erhöht, daſs ſie ihnen die Unent- behrlichkeit derſelben auch zur phyſiſchen Erhaltung und Verlängerung des Lebens zeigt, ſondern daſs ſie auch mit unwider- leglichen Gründen darthut, daſs ſchon das Phyſiſche im Menſchen auf ſeine höhere moraliſche Beſtimmung berechnet iſt, daſs dieſes einen weſentlichen Unterſchied der menſchlichen Natur von der thieriſchen macht, und daſs ohne moraliſche Kultur
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[XII/0016]
muſste, war es natürlich, daſs ich ihn nicht
blos mediziniſch, ſondern auch moraliſch
behandelte. Wer kann vom menſchlichen
Leben ſchreiben, ohne mit der moraliſchen
Welt in Verbindung geſezt zu werden, der
es ſo eigenthümlich zugehört? Im Gegen-
theil habe ich bey dieſer Arbeit es mehr als
je empfunden, daſs ſich der Menſch und
ſein höherer moraliſcher Zweck auch phy-
ſiſch ſchlechterdings nicht trennen laſſen,
und ich darf es vielleicht dieſer Schrift als
ein kleines Verdienſt anrechnen, daſs ſie
nicht allein die Wahrheit und den Werth
der moraliſchen Geſetze in den Augen vieler
dadurch erhöht, daſs ſie ihnen die Unent-
behrlichkeit derſelben auch zur phyſiſchen
Erhaltung und Verlängerung des Lebens
zeigt, ſondern daſs ſie auch mit unwider-
leglichen Gründen darthut, daſs ſchon das
Phyſiſche im Menſchen auf ſeine höhere
moraliſche Beſtimmung berechnet iſt, daſs
dieſes einen weſentlichen Unterſchied der
menſchlichen Natur von der thieriſchen
macht, und daſs ohne moraliſche Kultur
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/16>, abgerufen am 03.02.2025.
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