Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

lang unermüdet, und noch bis 4 Wo-
chen vor seinem Ende fort. Wenn er
sich der neuen Zähne einige Zeit recht
bequem zum Zermalmen der Speisen be-
dient hatte, so nahmen sie, bald eher
bald später, wieder Abschied, und so-
gleich schoben sich in diese oder in an-
dre Lücken neue Zähne nach. Alle
diese Zähne bekam und verlohr er ohne
Schmerzen; ihre Zahl belief sich zusam-
men wenigstens auf ein halbes Hundert.

Die bisher aufgestellten Erfarungen
können uns nun auch Aufschluss über
die wichtige Frage geben: Welches ist
das eigentliche Lebensziel des Men-
schen?
Man sollte glauben, man müsste
doch hierüber nun einige Gewissheit ha-
ben. Aber es ist unglaublich, welche
Verschiedenheit der Meynungen dar-
über unter den Physikern herrscht; Ei-
nige geben dem Menschen ein sehr ho-
hes, andre ein sehr geringes Lebensziel.
Einige glaubten, man brauche hierzu
nur zu untersuchen, wie hoch es die

lang unermüdet, und noch bis 4 Wo-
chen vor ſeinem Ende fort. Wenn er
ſich der neuen Zähne einige Zeit recht
bequem zum Zermalmen der Speiſen be-
dient hatte, ſo nahmen ſie, bald eher
bald ſpäter, wieder Abſchied, und ſo-
gleich ſchoben ſich in dieſe oder in an-
dre Lücken neue Zähne nach. Alle
dieſe Zähne bekam und verlohr er ohne
Schmerzen; ihre Zahl belief ſich zuſam-
men wenigſtens auf ein halbes Hundert.

Die bisher aufgeſtellten Erfarungen
können uns nun auch Aufſchluſs über
die wichtige Frage geben: Welches iſt
das eigentliche Lebensziel des Men-
ſchen?
Man ſollte glauben, man müſste
doch hierüber nun einige Gewiſsheit ha-
ben. Aber es iſt unglaublich, welche
Verſchiedenheit der Meynungen dar-
über unter den Phyſikern herrſcht; Ei-
nige geben dem Menſchen ein ſehr ho-
hes, andre ein ſehr geringes Lebensziel.
Einige glaubten, man brauche hierzu
nur zu unterſuchen, wie hoch es die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0234" n="206"/>
lang unermüdet, und noch bis 4 Wo-<lb/>
chen vor &#x017F;einem Ende fort. Wenn er<lb/>
&#x017F;ich der neuen Zähne einige Zeit recht<lb/>
bequem zum Zermalmen der Spei&#x017F;en be-<lb/>
dient hatte, &#x017F;o nahmen &#x017F;ie, bald eher<lb/>
bald &#x017F;päter, wieder Ab&#x017F;chied, und &#x017F;o-<lb/>
gleich &#x017F;choben &#x017F;ich in die&#x017F;e oder in an-<lb/>
dre Lücken neue Zähne nach. Alle<lb/>
die&#x017F;e Zähne bekam und verlohr er ohne<lb/>
Schmerzen; ihre Zahl belief &#x017F;ich zu&#x017F;am-<lb/>
men wenig&#x017F;tens auf ein halbes Hundert.</p><lb/>
          <p>Die bisher aufge&#x017F;tellten Erfarungen<lb/>
können uns nun auch Auf&#x017F;chlu&#x017F;s über<lb/>
die wichtige Frage geben: <hi rendition="#i">Welches i&#x017F;t<lb/>
das eigentliche Lebensziel des Men-<lb/>
&#x017F;chen?</hi> Man &#x017F;ollte glauben, man mü&#x017F;ste<lb/>
doch hierüber nun einige Gewi&#x017F;sheit ha-<lb/>
ben. Aber es i&#x017F;t unglaublich, welche<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit der Meynungen dar-<lb/>
über unter den Phy&#x017F;ikern herr&#x017F;cht; Ei-<lb/>
nige geben dem Men&#x017F;chen ein &#x017F;ehr ho-<lb/>
hes, andre ein &#x017F;ehr geringes Lebensziel.<lb/>
Einige glaubten, man brauche hierzu<lb/>
nur zu unter&#x017F;uchen, wie hoch es die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0234] lang unermüdet, und noch bis 4 Wo- chen vor ſeinem Ende fort. Wenn er ſich der neuen Zähne einige Zeit recht bequem zum Zermalmen der Speiſen be- dient hatte, ſo nahmen ſie, bald eher bald ſpäter, wieder Abſchied, und ſo- gleich ſchoben ſich in dieſe oder in an- dre Lücken neue Zähne nach. Alle dieſe Zähne bekam und verlohr er ohne Schmerzen; ihre Zahl belief ſich zuſam- men wenigſtens auf ein halbes Hundert. Die bisher aufgeſtellten Erfarungen können uns nun auch Aufſchluſs über die wichtige Frage geben: Welches iſt das eigentliche Lebensziel des Men- ſchen? Man ſollte glauben, man müſste doch hierüber nun einige Gewiſsheit ha- ben. Aber es iſt unglaublich, welche Verſchiedenheit der Meynungen dar- über unter den Phyſikern herrſcht; Ei- nige geben dem Menſchen ein ſehr ho- hes, andre ein ſehr geringes Lebensziel. Einige glaubten, man brauche hierzu nur zu unterſuchen, wie hoch es die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/234
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/234>, abgerufen am 21.11.2024.