Aber es ist wirklich thöricht, die Lebenskraft in concentrirter Gestalt in den Körper schaffen zu wollen, und nun zu glauben, man habe etwas grosses gethan. Fehlt es uns an Gelegenheit da- zu? -- Es ist ja alles um und neben uns damit erfüllt. Jede Nahrung, die wir zu uns nehmen, jeder Mundvoll Luft, den wir einathmen, ist voll davon. Die Hauptsache liegt darinne, unsre Organe in dem Stand zu erhalten, sie einzuzie- hen, aufzunehmen und sich eigen zu machen. Man fülle einem leblosen Kör- per noch so viele Lebenstropfen ein; er wird deshalb doch nicht wieder anfan- gen zu leben, weil er keine Organe mehr hat, sich dieselbe eigen zu machen. Nicht der Mangel an Lebenszugang, sondern der an Lebensrezeptivität ists, was den Menschen am Ende untüchtig macht, länger zu leben. Für jene sorgt
wirkt, und das Leben offenbar ver- kürzt.
Aber es iſt wirklich thöricht, die Lebenskraft in concentrirter Geſtalt in den Körper ſchaffen zu wollen, und nun zu glauben, man habe etwas groſses gethan. Fehlt es uns an Gelegenheit da- zu? — Es iſt ja alles um und neben uns damit erfüllt. Jede Nahrung, die wir zu uns nehmen, jeder Mundvoll Luft, den wir einathmen, iſt voll davon. Die Hauptſache liegt darinne, unſre Organe in dem Stand zu erhalten, ſie einzuzie- hen, aufzunehmen und ſich eigen zu machen. Man fülle einem lebloſen Kör- per noch ſo viele Lebenstropfen ein; er wird deshalb doch nicht wieder anfan- gen zu leben, weil er keine Organe mehr hat, ſich dieſelbe eigen zu machen. Nicht der Mangel an Lebenszugang, ſondern der an Lebensrezeptivität iſts, was den Menſchen am Ende untüchtig macht, länger zu leben. Für jene ſorgt
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wirkt, und das Leben offenbar ver-
kürzt.
Aber es iſt wirklich thöricht, die
Lebenskraft in concentrirter Geſtalt in
den Körper ſchaffen zu wollen, und
nun zu glauben, man habe etwas groſses
gethan. Fehlt es uns an Gelegenheit da-
zu? — Es iſt ja alles um und neben uns
damit erfüllt. Jede Nahrung, die wir
zu uns nehmen, jeder Mundvoll Luft,
den wir einathmen, iſt voll davon. Die
Hauptſache liegt darinne, unſre Organe
in dem Stand zu erhalten, ſie einzuzie-
hen, aufzunehmen und ſich eigen zu
machen. Man fülle einem lebloſen Kör-
per noch ſo viele Lebenstropfen ein; er
wird deshalb doch nicht wieder anfan-
gen zu leben, weil er keine Organe
mehr hat, ſich dieſelbe eigen zu machen.
Nicht der Mangel an Lebenszugang,
ſondern der an Lebensrezeptivität iſts,
was den Menſchen am Ende untüchtig
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/314>, abgerufen am 28.11.2024.
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