verborgensten Kräfte hervorzubringen, als der Trieb es zu erhalten und in dem kritischen Augenblick es zu retten. Selbst ohne Genuss und Freuden des Lebens, selbst für den, der an unheilbaren Schmerzen leidet, oder im dunkeln Ker- ker auf immer seine Freyheit beweint, behält der Gedanke zu seyn und zu le- ben noch Reiz, und es gehört schlech- terdings eine nur bey Menschen mögli- che Zerrüttung der feinsten Empfin- dungsorgane, eine gänzliche Verdunke- lung und Tödtung des innern Sinns da- zu, um das Leben gleichgültig oder gar verhasst zu machen. -- So weise und innig wurde Liebe des Lebens, dieser eines denkenden Wesens so würdige Trieb, dieser Grundpfeiler sowohl der einzelnen als der öffentlichen Glückse- ligkeit, mit unserer Existenz verwebt! -- Sehr natürlich war es daher, dass der Gedanke in dem Menschen aufstei- gen muste: Sollte es nicht möglich seyn, unser Daseyn zu verlängern, und dem nur gar zu flüchtigen Genuss dieses Guts
verborgenſten Kräfte hervorzubringen, als der Trieb es zu erhalten und in dem kritiſchen Augenblick es zu retten. Selbſt ohne Genuſs und Freuden des Lebens, ſelbſt für den, der an unheilbaren Schmerzen leidet, oder im dunkeln Ker- ker auf immer ſeine Freyheit beweint, behält der Gedanke zu ſeyn und zu le- ben noch Reiz, und es gehört ſchlech- terdings eine nur bey Menſchen mögli- che Zerrüttung der feinſten Empfin- dungsorgane, eine gänzliche Verdunke- lung und Tödtung des innern Sinns da- zu, um das Leben gleichgültig oder gar verhaſst zu machen. — So weiſe und innig wurde Liebe des Lebens, dieſer eines denkenden Weſens ſo würdige Trieb, dieſer Grundpfeiler ſowohl der einzelnen als der öffentlichen Glückſe- ligkeit, mit unſerer Exiſtenz verwebt! — Sehr natürlich war es daher, daſs der Gedanke in dem Menſchen aufſtei- gen muſte: Sollte es nicht möglich ſeyn, unſer Daſeyn zu verlängern, und dem nur gar zu flüchtigen Genuſs dieſes Guts
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verborgenſten Kräfte hervorzubringen,
als der Trieb es zu erhalten und in dem
kritiſchen Augenblick es zu retten. Selbſt
ohne Genuſs und Freuden des Lebens,
ſelbſt für den, der an unheilbaren
Schmerzen leidet, oder im dunkeln Ker-
ker auf immer ſeine Freyheit beweint,
behält der Gedanke zu ſeyn und zu le-
ben noch Reiz, und es gehört ſchlech-
terdings eine nur bey Menſchen mögli-
che Zerrüttung der feinſten Empfin-
dungsorgane, eine gänzliche Verdunke-
lung und Tödtung des innern Sinns da-
zu, um das Leben gleichgültig oder gar
verhaſst zu machen. — So weiſe und
innig wurde Liebe des Lebens, dieſer
eines denkenden Weſens ſo würdige
Trieb, dieſer Grundpfeiler ſowohl der
einzelnen als der öffentlichen Glückſe-
ligkeit, mit unſerer Exiſtenz verwebt!
— Sehr natürlich war es daher, daſs
der Gedanke in dem Menſchen aufſtei-
gen muſte: Sollte es nicht möglich ſeyn,
unſer Daſeyn zu verlängern, und dem
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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