wohlthätig, nothwendig zum gehörigen Grade der Lebensoperation, ein Mittel der Restauration. Eben so das melan- cholische Temperament: es verlangt auch mehr Reiz, aber angenehmern, abwech- selndern und nicht zu heftigen. Je mehr aber das sanguinische Temperament herrscht, desto vorsichtiger und mässi- ger müssen alle, sowohl physische als moralische, Reize angewendet werden, und noch mehr erfodert das cholerische Temperament hierinne Aufmerksamkeit, wo oft schon der kleinste Reiz die hef- tigste Kraftanstrengung und Erschöpfung hervorbringen kann.
Ferner die Perioden des Lebens. Das Kind, der junge Mensch hat ungleich mehr Lebenskraft, Reizfähigkeit, locke- rere Bindung, schnellern Wechsel der Bestandtheile. Hier muss weit weniger Reiz gegeben werden, weil schon ein geringer Reiz starke Reaction erregt; hier ist verhältnissmässig mehr auf Re- stauration und Abhärtung zu sehen. Im Alter hingegen ist alles, was Reiz heisst,
wohlthätig, nothwendig zum gehörigen Grade der Lebensoperation, ein Mittel der Reſtauration. Eben ſo das melan- choliſche Temperament: es verlangt auch mehr Reiz, aber angenehmern, abwech- ſelndern und nicht zu heftigen. Je mehr aber das ſanguiniſche Temperament herrſcht, deſto vorſichtiger und mäſsi- ger müſſen alle, ſowohl phyſiſche als moraliſche, Reize angewendet werden, und noch mehr erfodert das choleriſche Temperament hierinne Aufmerkſamkeit, wo oft ſchon der kleinſte Reiz die hef- tigſte Kraftanſtrengung und Erſchöpfung hervorbringen kann.
Ferner die Perioden des Lebens. Das Kind, der junge Menſch hat ungleich mehr Lebenskraft, Reizfähigkeit, locke- rere Bindung, ſchnellern Wechſel der Beſtandtheile. Hier muſs weit weniger Reiz gegeben werden, weil ſchon ein geringer Reiz ſtarke Reaction erregt; hier iſt verhältniſsmäſsig mehr auf Re- ſtauration und Abhärtung zu ſehen. Im Alter hingegen iſt alles, was Reiz heiſst,
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wohlthätig, nothwendig zum gehörigen
Grade der Lebensoperation, ein Mittel
der Reſtauration. Eben ſo das melan-
choliſche Temperament: es verlangt auch
mehr Reiz, aber angenehmern, abwech-
ſelndern und nicht zu heftigen. Je mehr
aber das ſanguiniſche Temperament
herrſcht, deſto vorſichtiger und mäſsi-
ger müſſen alle, ſowohl phyſiſche als
moraliſche, Reize angewendet werden,
und noch mehr erfodert das choleriſche
Temperament hierinne Aufmerkſamkeit,
wo oft ſchon der kleinſte Reiz die hef-
tigſte Kraftanſtrengung und Erſchöpfung
hervorbringen kann.
Ferner die Perioden des Lebens. Das
Kind, der junge Menſch hat ungleich
mehr Lebenskraft, Reizfähigkeit, locke-
rere Bindung, ſchnellern Wechſel der
Beſtandtheile. Hier muſs weit weniger
Reiz gegeben werden, weil ſchon ein
geringer Reiz ſtarke Reaction erregt;
hier iſt verhältniſsmäſsig mehr auf Re-
ſtauration und Abhärtung zu ſehen. Im
Alter hingegen iſt alles, was Reiz heiſst,
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/353>, abgerufen am 27.11.2024.
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