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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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heiten, die sie erregen, man vergiftet
und wird vergiftet, und treibt diesen
fürchterlichen Tauschhandel täglich und
stündlich, ohne dass ein Mensch dabey
weiss oder denkt, was er thut. Die
physischen Gifte sind, wie sichs gehört,
dem Polizeygesetze unterworfen, der
Staat sorgt für ihre Verwahrung und
Einschränkung, und man betrachtet und
behandelt den, der sie einem andern wis-
sentlich beybringt, als einen Verbrecher;
um die contagiösen hingegen bekümmert
sich keine Polizey, kein Gesetz, sie wü-
then ungestöhrt unter uns fort, der
Mann vergiftet die Frau, der Sohn den
Vater, und kein Mensch fragt darnach.
-- Die physischen Gifte endlich schaden
doch nur dem Individuum, das sie sich
beybringt, hingegen die contagiösen be-
sitzen die besondere Kraft, sich in jedem
lebenden Wesen zu reproduzieren und
ins Unendliche zu erzeugen, sie schaden
also nicht blos dem Vergifteten, son-
dern machen ihn nun wieder zu einer
neuen Giftquelle, wodurch ganze Orte

heiten, die ſie erregen, man vergiftet
und wird vergiftet, und treibt dieſen
fürchterlichen Tauſchhandel täglich und
ſtündlich, ohne daſs ein Menſch dabey
weiſs oder denkt, was er thut. Die
phyſiſchen Gifte ſind, wie ſichs gehört,
dem Polizeygeſetze unterworfen, der
Staat ſorgt für ihre Verwahrung und
Einſchränkung, und man betrachtet und
behandelt den, der ſie einem andern wiſ-
ſentlich beybringt, als einen Verbrecher;
um die contagiöſen hingegen bekümmert
ſich keine Polizey, kein Geſetz, ſie wü-
then ungeſtöhrt unter uns fort, der
Mann vergiftet die Frau, der Sohn den
Vater, und kein Menſch fragt darnach.
— Die phyſiſchen Gifte endlich ſchaden
doch nur dem Individuum, das ſie ſich
beybringt, hingegen die contagiöſen be-
ſitzen die beſondere Kraft, ſich in jedem
lebenden Weſen zu reproduzieren und
ins Unendliche zu erzeugen, ſie ſchaden
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dern machen ihn nun wieder zu einer
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[427/0455] heiten, die ſie erregen, man vergiftet und wird vergiftet, und treibt dieſen fürchterlichen Tauſchhandel täglich und ſtündlich, ohne daſs ein Menſch dabey weiſs oder denkt, was er thut. Die phyſiſchen Gifte ſind, wie ſichs gehört, dem Polizeygeſetze unterworfen, der Staat ſorgt für ihre Verwahrung und Einſchränkung, und man betrachtet und behandelt den, der ſie einem andern wiſ- ſentlich beybringt, als einen Verbrecher; um die contagiöſen hingegen bekümmert ſich keine Polizey, kein Geſetz, ſie wü- then ungeſtöhrt unter uns fort, der Mann vergiftet die Frau, der Sohn den Vater, und kein Menſch fragt darnach. — Die phyſiſchen Gifte endlich ſchaden doch nur dem Individuum, das ſie ſich beybringt, hingegen die contagiöſen be- ſitzen die beſondere Kraft, ſich in jedem lebenden Weſen zu reproduzieren und ins Unendliche zu erzeugen, ſie ſchaden alſo nicht blos dem Vergifteten, ſon- dern machen ihn nun wieder zu einer neuen Giftquelle, wodurch ganze Orte

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/455>, abgerufen am 22.11.2024.