Hier der rinnende Bach, sein Silber. Es steiget in Aehren Sein Gold empor, und lacht an Bäumen ihm. Dunkel im Laube verhüllt singt seine Kapelle. Da klaget, Frohlockt und streitet seiner Sänger Chor. Anders klagt in der Stadt der gefangene traurige Vogel; Ein Sklave, der ihm seine Körnchen streut, Glaubt, er singe dem Herrn. Mit jedem Tone ver- wünscht er Den Wüterich, der ihm seine Freyheit stahl. -- Auf dem Lande beglückt die Natur; ihr Affe, die Kunst, darf Nur furchtsam dort und züchtig sich ihr nahn. Schau hier diesen Pallast, die grüne Laube. Ge- wölbet Von wenig dichten Zweigen birgt sie dich, Wie den Persermonarch sein Haus von Zedern, und schenkt dir, Was jenen flieht, gesunden süssen Schlaf. Grosse Städte sind grosse Lasten. Der eignen Freuden Beraubet, hascht nach fremden Freuden man. Alles in ihnen ist gemahlt, Gesichter und Wände, Gebehrden, Worte, selbst das arme Herz. Alles in ihnen ist von kostbaren Holz und von Marmor, Von Holz und Marmor selbst auch Herr und Frau. O Landesarmuth, o wie bist du reich!
Hier der rinnende Bach, ſein Silber. Es ſteiget in Aehren Sein Gold empor, und lacht an Bäumen ihm. Dunkel im Laube verhüllt ſingt ſeine Kapelle. Da klaget, Frohlockt und ſtreitet ſeiner Sänger Chor. Anders klagt in der Stadt der gefangene traurige Vogel; Ein Sklave, der ihm ſeine Körnchen ſtreut, Glaubt, er ſinge dem Herrn. Mit jedem Tone ver- wünſcht er Den Wüterich, der ihm ſeine Freyheit ſtahl. — Auf dem Lande beglückt die Natur; ihr Affe, die Kunſt, darf Nur furchtſam dort und züchtig ſich ihr nahn. Schau hier dieſen Pallaſt, die grüne Laube. Ge- wölbet Von wenig dichten Zweigen birgt ſie dich, Wie den Perſermonarch ſein Haus von Zedern, und ſchenkt dir, Was jenen flieht, geſunden ſüſsen Schlaf. Groſse Städte ſind groſse Laſten. Der eignen Freuden Beraubet, haſcht nach fremden Freuden man. Alles in ihnen iſt gemahlt, Geſichter und Wände, Gebehrden, Worte, ſelbſt das arme Herz. Alles in ihnen iſt von koſtbaren Holz und von Marmor, Von Holz und Marmor ſelbſt auch Herr und Frau. O Landesarmuth, o wie biſt du reich!
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Hier der rinnende Bach, ſein Silber. Es ſteiget in
Aehren
Sein Gold empor, und lacht an Bäumen ihm.
Dunkel im Laube verhüllt ſingt ſeine Kapelle. Da
klaget,
Frohlockt und ſtreitet ſeiner Sänger Chor.
Anders klagt in der Stadt der gefangene traurige
Vogel;
Ein Sklave, der ihm ſeine Körnchen ſtreut,
Glaubt, er ſinge dem Herrn. Mit jedem Tone ver-
wünſcht er
Den Wüterich, der ihm ſeine Freyheit ſtahl. —
Auf dem Lande beglückt die Natur; ihr Affe, die
Kunſt, darf
Nur furchtſam dort und züchtig ſich ihr nahn.
Schau hier dieſen Pallaſt, die grüne Laube. Ge-
wölbet
Von wenig dichten Zweigen birgt ſie dich,
Wie den Perſermonarch ſein Haus von Zedern, und
ſchenkt dir,
Was jenen flieht, geſunden ſüſsen Schlaf.
Groſse Städte ſind groſse Laſten. Der eignen Freuden
Beraubet, haſcht nach fremden Freuden man.
Alles in ihnen iſt gemahlt, Geſichter und Wände,
Gebehrden, Worte, ſelbſt das arme Herz.
Alles in ihnen iſt von koſtbaren Holz und von
Marmor,
Von Holz und Marmor ſelbſt auch Herr und
Frau.
O Landesarmuth, o wie biſt du reich!
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/596>, abgerufen am 22.11.2024.
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