Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Sinnesreizung selbst sehr darauf gesehen
werden, dass sie ein gewisses Maas nicht
übersteige, denn die nehmlichen Ge-
nüsse, die, im mäsigen Grade angewen-
det, restauriren, können, stärker ge-
braucht, auch consumiren und erschö-
pfen.

Alle angenehme Reize, die durch
Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack
und Gefühl auf uns wirken können, ge-
hören hieher, und also die Freuden der
Musik, Mahlerey, und andrer bilden-
den Künste, auch der Dichtkunst und
der Phantasie, indem sie diese Genüsse
erhöhen und wieder erneuern kann.
Vor allen aber scheint mir in gegenwär-
tiger Rücksicht die Musik den Vorzug
zu verdienen, denn durch keinen Sin-
neseindruck kann so schnell und so un-
mittelbar auf Stimmung, Ermunterung
und Regulirung der Lebensoperation ge-
wirkt werden, als dadurch. Unwillkühr-
lich nimmt unser ganzes Wesen den Ton
und Tact an, den die Musik angiebt, der
Puls wird lebhafter oder ruhiger, die

R r 2

Sinnesreizung ſelbſt ſehr darauf geſehen
werden, daſs ſie ein gewiſſes Maas nicht
überſteige, denn die nehmlichen Ge-
nüſſe, die, im mäſigen Grade angewen-
det, reſtauriren, können, ſtärker ge-
braucht, auch conſumiren und erſchö-
pfen.

Alle angenehme Reize, die durch
Geſicht, Gehör, Geruch, Geſchmack
und Gefühl auf uns wirken können, ge-
hören hieher, und alſo die Freuden der
Muſik, Mahlerey, und andrer bilden-
den Künſte, auch der Dichtkunſt und
der Phantaſie, indem ſie dieſe Genüſſe
erhöhen und wieder erneuern kann.
Vor allen aber ſcheint mir in gegenwär-
tiger Rückſicht die Muſik den Vorzug
zu verdienen, denn durch keinen Sin-
neseindruck kann ſo ſchnell und ſo un-
mittelbar auf Stimmung, Ermunterung
und Regulirung der Lebensoperation ge-
wirkt werden, als dadurch. Unwillkühr-
lich nimmt unſer ganzes Weſen den Ton
und Tact an, den die Muſik angiebt, der
Puls wird lebhafter oder ruhiger, die

R r 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0655" n="627"/>
Sinnesreizung &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr darauf ge&#x017F;ehen<lb/>
werden, da&#x017F;s &#x017F;ie ein gewi&#x017F;&#x017F;es Maas nicht<lb/>
über&#x017F;teige, denn die nehmlichen Ge-<lb/>&#x017F;&#x017F;e, die, im mä&#x017F;igen Grade angewen-<lb/>
det, re&#x017F;tauriren, können, &#x017F;tärker ge-<lb/>
braucht, auch con&#x017F;umiren und er&#x017F;chö-<lb/>
pfen.</p><lb/>
            <p>Alle angenehme Reize, die durch<lb/>
Ge&#x017F;icht, Gehör, Geruch, Ge&#x017F;chmack<lb/>
und Gefühl auf uns wirken können, ge-<lb/>
hören hieher, und al&#x017F;o die Freuden der<lb/>
Mu&#x017F;ik, Mahlerey, und andrer bilden-<lb/>
den Kün&#x017F;te, auch der Dichtkun&#x017F;t und<lb/>
der Phanta&#x017F;ie, indem &#x017F;ie die&#x017F;e Genü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
erhöhen und wieder erneuern kann.<lb/>
Vor allen aber &#x017F;cheint mir in gegenwär-<lb/>
tiger Rück&#x017F;icht die <hi rendition="#i">Mu&#x017F;ik</hi> den Vorzug<lb/>
zu verdienen, denn durch keinen Sin-<lb/>
neseindruck kann &#x017F;o &#x017F;chnell und &#x017F;o un-<lb/>
mittelbar auf Stimmung, Ermunterung<lb/>
und Regulirung der Lebensoperation ge-<lb/>
wirkt werden, als dadurch. Unwillkühr-<lb/>
lich nimmt un&#x017F;er ganzes We&#x017F;en den Ton<lb/>
und Tact an, den die Mu&#x017F;ik angiebt, der<lb/>
Puls wird lebhafter oder ruhiger, die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R r 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[627/0655] Sinnesreizung ſelbſt ſehr darauf geſehen werden, daſs ſie ein gewiſſes Maas nicht überſteige, denn die nehmlichen Ge- nüſſe, die, im mäſigen Grade angewen- det, reſtauriren, können, ſtärker ge- braucht, auch conſumiren und erſchö- pfen. Alle angenehme Reize, die durch Geſicht, Gehör, Geruch, Geſchmack und Gefühl auf uns wirken können, ge- hören hieher, und alſo die Freuden der Muſik, Mahlerey, und andrer bilden- den Künſte, auch der Dichtkunſt und der Phantaſie, indem ſie dieſe Genüſſe erhöhen und wieder erneuern kann. Vor allen aber ſcheint mir in gegenwär- tiger Rückſicht die Muſik den Vorzug zu verdienen, denn durch keinen Sin- neseindruck kann ſo ſchnell und ſo un- mittelbar auf Stimmung, Ermunterung und Regulirung der Lebensoperation ge- wirkt werden, als dadurch. Unwillkühr- lich nimmt unſer ganzes Weſen den Ton und Tact an, den die Muſik angiebt, der Puls wird lebhafter oder ruhiger, die R r 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/655
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/655>, abgerufen am 22.11.2024.