Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

überhaupt die practische Medizin zur Ver-
längerung des Lebens?
Kann man sie
unbedingt ein Verlängerungsmittel des
Lebens nennen? Allerdings, in so fern
sie Krankheiten heilt, die uns tödten
könnten. Aber nicht immer in andrer
Rücksicht, und ich will einige Bemer-
kungen zur Beherzigung meiner Herrn
Amtsbrüder beyfügen, die uns aufmerk-
sam machen können, dass Herstellung
der Gesundheit und Verlängerung des
Lebens nicht immer eins sind und dass
es nicht blos darauf ankommt, eine
Krankheit zu heilen, sondern auch gar
sehr, wie sie geheilt wird. Einmal ist
es aus dem obigen gewiss, dass die Arz-
neymittel durch eine künstliche Krank-
heit wirken. Jede Krankheit ist mit
Reizung, mit Kraftverlust verbunden.
Ist nun das Arzneymittel angreifender,
als die Krankheit, so hat man den Kran-
ken zwar gesund gemacht, aber man
hat ihn durch den Prozess des Gesund-
machens mehr geschwächt, und also sei-
ner Lebenslänge mehr entzogen, als die

überhaupt die practiſche Medizin zur Ver-
längerung des Lebens?
Kann man ſie
unbedingt ein Verlängerungsmittel des
Lebens nennen? Allerdings, in ſo fern
ſie Krankheiten heilt, die uns tödten
könnten. Aber nicht immer in andrer
Rückſicht, und ich will einige Bemer-
kungen zur Beherzigung meiner Herrn
Amtsbrüder beyfügen, die uns aufmerk-
ſam machen können, daſs Herſtellung
der Geſundheit und Verlängerung des
Lebens nicht immer eins ſind und daſs
es nicht blos darauf ankommt, eine
Krankheit zu heilen, ſondern auch gar
ſehr, wie ſie geheilt wird. Einmal iſt
es aus dem obigen gewiſs, daſs die Arz-
neymittel durch eine künſtliche Krank-
heit wirken. Jede Krankheit iſt mit
Reizung, mit Kraftverluſt verbunden.
Iſt nun das Arzneymittel angreifender,
als die Krankheit, ſo hat man den Kran-
ken zwar geſund gemacht, aber man
hat ihn durch den Prozeſs des Geſund-
machens mehr geſchwächt, und alſo ſei-
ner Lebenslänge mehr entzogen, als die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#i"><pb facs="#f0662" n="634"/>
überhaupt die practi&#x017F;che Medizin zur Ver-<lb/>
längerung des Lebens?</hi> Kann man &#x017F;ie<lb/>
unbedingt ein Verlängerungsmittel des<lb/>
Lebens nennen? Allerdings, in &#x017F;o fern<lb/>
&#x017F;ie Krankheiten heilt, die uns tödten<lb/>
könnten. Aber nicht immer in andrer<lb/>
Rück&#x017F;icht, und ich will einige Bemer-<lb/>
kungen zur Beherzigung meiner Herrn<lb/>
Amtsbrüder beyfügen, die uns aufmerk-<lb/>
&#x017F;am machen können, da&#x017F;s Her&#x017F;tellung<lb/>
der Ge&#x017F;undheit und Verlängerung des<lb/>
Lebens nicht immer eins &#x017F;ind und da&#x017F;s<lb/>
es nicht blos darauf ankommt, eine<lb/>
Krankheit zu heilen, &#x017F;ondern auch gar<lb/>
&#x017F;ehr, <hi rendition="#i">wie</hi> &#x017F;ie geheilt wird. <hi rendition="#i">Einmal</hi> i&#x017F;t<lb/>
es aus dem obigen gewi&#x017F;s, da&#x017F;s die Arz-<lb/>
neymittel durch eine kün&#x017F;tliche Krank-<lb/>
heit wirken. Jede Krankheit i&#x017F;t mit<lb/>
Reizung, mit Kraftverlu&#x017F;t verbunden.<lb/>
I&#x017F;t nun das Arzneymittel angreifender,<lb/>
als die Krankheit, &#x017F;o hat man den Kran-<lb/>
ken zwar ge&#x017F;und gemacht, aber man<lb/>
hat ihn durch den Proze&#x017F;s des Ge&#x017F;und-<lb/>
machens mehr ge&#x017F;chwächt, und al&#x017F;o &#x017F;ei-<lb/>
ner Lebenslänge mehr entzogen, als die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[634/0662] überhaupt die practiſche Medizin zur Ver- längerung des Lebens? Kann man ſie unbedingt ein Verlängerungsmittel des Lebens nennen? Allerdings, in ſo fern ſie Krankheiten heilt, die uns tödten könnten. Aber nicht immer in andrer Rückſicht, und ich will einige Bemer- kungen zur Beherzigung meiner Herrn Amtsbrüder beyfügen, die uns aufmerk- ſam machen können, daſs Herſtellung der Geſundheit und Verlängerung des Lebens nicht immer eins ſind und daſs es nicht blos darauf ankommt, eine Krankheit zu heilen, ſondern auch gar ſehr, wie ſie geheilt wird. Einmal iſt es aus dem obigen gewiſs, daſs die Arz- neymittel durch eine künſtliche Krank- heit wirken. Jede Krankheit iſt mit Reizung, mit Kraftverluſt verbunden. Iſt nun das Arzneymittel angreifender, als die Krankheit, ſo hat man den Kran- ken zwar geſund gemacht, aber man hat ihn durch den Prozeſs des Geſund- machens mehr geſchwächt, und alſo ſei- ner Lebenslänge mehr entzogen, als die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/662
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/662>, abgerufen am 22.11.2024.