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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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mußten beten. Gut. Aber hast du nicht ihren Leib ver-
weichlichet? Hast du nicht die Sinnlichkeit durch thörichte
Reden, durch Unordnung in Speise und Trank, durch eitles
Gewand geweckt?

Aber das hat nicht geschadet; sie waren ja so ein-
gezogen. Nicht geschadet. Warum sind 10 und 1l jährige
Kinder oft schon so verwildert? Ihre Leidenschaften
wurden nie abgetödtet. Nicht geschadet? Das Unkraut
der künftigen Ausschweifung wuchert schon in ihrer Seele;
mit 13 und 14 Jahren beneiden sie die Größern um den
vollen Lustbecher - sind vielleicht schon in ein tiefes,
wenn auch noch verborgenes sittliches Elend versunken.
Mit 17 Jahren sind sie am Ziele ihrer Gelüste, unbe-
kümmert um das zeitliche Elend, das ihrer wartet, unbe-
kümmert um den Himmel, der ihnen entflieht, unbekümmert
um die Hölle, die unter ihren Füßen gähnt. Väter,
Mütter, - ihr jammert und weint vielleicht, daß euere
Söhne und Töchter in ihren Leidenschaften und Gelüsten
unbändig geworden wie Roß und Maulthier - warum
habet ihr ihnen in den Tagen zartester Kindheit nicht die
Zügel der Abtödtung und der Selbstüberwindung und der
Entsagung angelegt und fest in der Hand gehalten?

Und wie leicht ist es auf christlichem Boden, die
Kinder zur Abtödtung und Entsagung anzuhalten! Steht
nicht vor ihrem Auge das Vorbild des göttlichen Kindes?
Ist das Kinderherz nicht wie geschaffen für die Liebe des
göttlichen Heilandes? Drängt diese Liebe nicht zur Ent-
behrung, zur Entsagung? Aus der Liebe Christi flammt
die Nächstenliebe empor - und verlangt diese Liebe nicht
manche Opfer und Entbehrung in Bezug auf Freuden
und Genüsse, auf Speise und Trank, auf Kleidung und
Moden - verlangt sie nicht diese Opfer für die Bekeh-
rung der Heiden, für Rettung der gefährdeten Unschuld,
für die Unterstützung würdiger Armen? Aber die Kinder

mußten beten. Gut. Aber hast du nicht ihren Leib ver-
weichlichet? Hast du nicht die Sinnlichkeit durch thörichte
Reden, durch Unordnung in Speise und Trank, durch eitles
Gewand geweckt?

Aber das hat nicht geschadet; sie waren ja so ein-
gezogen. Nicht geschadet. Warum sind 10 und 1l jährige
Kinder oft schon so verwildert? Ihre Leidenschaften
wurden nie abgetödtet. Nicht geschadet? Das Unkraut
der künftigen Ausschweifung wuchert schon in ihrer Seele;
mit 13 und 14 Jahren beneiden sie die Größern um den
vollen Lustbecher – sind vielleicht schon in ein tiefes,
wenn auch noch verborgenes sittliches Elend versunken.
Mit 17 Jahren sind sie am Ziele ihrer Gelüste, unbe-
kümmert um das zeitliche Elend, das ihrer wartet, unbe-
kümmert um den Himmel, der ihnen entflieht, unbekümmert
um die Hölle, die unter ihren Füßen gähnt. Väter,
Mütter, – ihr jammert und weint vielleicht, daß euere
Söhne und Töchter in ihren Leidenschaften und Gelüsten
unbändig geworden wie Roß und Maulthier – warum
habet ihr ihnen in den Tagen zartester Kindheit nicht die
Zügel der Abtödtung und der Selbstüberwindung und der
Entsagung angelegt und fest in der Hand gehalten?

Und wie leicht ist es auf christlichem Boden, die
Kinder zur Abtödtung und Entsagung anzuhalten! Steht
nicht vor ihrem Auge das Vorbild des göttlichen Kindes?
Ist das Kinderherz nicht wie geschaffen für die Liebe des
göttlichen Heilandes? Drängt diese Liebe nicht zur Ent-
behrung, zur Entsagung? Aus der Liebe Christi flammt
die Nächstenliebe empor – und verlangt diese Liebe nicht
manche Opfer und Entbehrung in Bezug auf Freuden
und Genüsse, auf Speise und Trank, auf Kleidung und
Moden – verlangt sie nicht diese Opfer für die Bekeh-
rung der Heiden, für Rettung der gefährdeten Unschuld,
für die Unterstützung würdiger Armen? Aber die Kinder

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[226/0238] mußten beten. Gut. Aber hast du nicht ihren Leib ver- weichlichet? Hast du nicht die Sinnlichkeit durch thörichte Reden, durch Unordnung in Speise und Trank, durch eitles Gewand geweckt? Aber das hat nicht geschadet; sie waren ja so ein- gezogen. Nicht geschadet. Warum sind 10 und 1l jährige Kinder oft schon so verwildert? Ihre Leidenschaften wurden nie abgetödtet. Nicht geschadet? Das Unkraut der künftigen Ausschweifung wuchert schon in ihrer Seele; mit 13 und 14 Jahren beneiden sie die Größern um den vollen Lustbecher – sind vielleicht schon in ein tiefes, wenn auch noch verborgenes sittliches Elend versunken. Mit 17 Jahren sind sie am Ziele ihrer Gelüste, unbe- kümmert um das zeitliche Elend, das ihrer wartet, unbe- kümmert um den Himmel, der ihnen entflieht, unbekümmert um die Hölle, die unter ihren Füßen gähnt. Väter, Mütter, – ihr jammert und weint vielleicht, daß euere Söhne und Töchter in ihren Leidenschaften und Gelüsten unbändig geworden wie Roß und Maulthier – warum habet ihr ihnen in den Tagen zartester Kindheit nicht die Zügel der Abtödtung und der Selbstüberwindung und der Entsagung angelegt und fest in der Hand gehalten? Und wie leicht ist es auf christlichem Boden, die Kinder zur Abtödtung und Entsagung anzuhalten! Steht nicht vor ihrem Auge das Vorbild des göttlichen Kindes? Ist das Kinderherz nicht wie geschaffen für die Liebe des göttlichen Heilandes? Drängt diese Liebe nicht zur Ent- behrung, zur Entsagung? Aus der Liebe Christi flammt die Nächstenliebe empor – und verlangt diese Liebe nicht manche Opfer und Entbehrung in Bezug auf Freuden und Genüsse, auf Speise und Trank, auf Kleidung und Moden – verlangt sie nicht diese Opfer für die Bekeh- rung der Heiden, für Rettung der gefährdeten Unschuld, für die Unterstützung würdiger Armen? Aber die Kinder

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/238>, abgerufen am 23.11.2024.