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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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so einfältig und kindlich, wird versteckter, vorsichtiger; es
ahnt Geheimnisse, und möchte seine eigene Natur und die
ganze Umgebung um das letzte Wort fragen: Deshalb
forscht es nach den Reden und Handlungen seiner Eltern,
seiner größern Geschwister, seiner Umgebung. Das ist
der verhängnißvolle Zeitpunkt, wo das Gesetz in den
Gliedern wider das Gesetz des Geistes sich aufzulehnen
beginnt. Wäre das nicht schon eine ungeheuere Gefahr?
Oder gilt hier nicht das Wort des hl. Ambrosius: "Leicht
halten wir uns von andern Lastern frei, aber dieser Feind
liegt in uns hinter Schloß und Riegel; diesen Feind tragen
wir mit uns."
(Ad. Eustach. Ep. 22.) So wird das
Kinderherz der Kampfplatz, wo die Leidenschaften sich
herumschlagen und die Neugierde ein immer weiteres
Feld sich sucht.

Ist dieser Hausfeind nicht stark genug, die reine
Seele zu trüben, zu beflecken? Allerdings - und dazu
findet er noch Bundesgenossen von Außen. Denn be-
trachtet nur die Umgebung des Kindes, wo es so oft
Antwort auf Fragen findet, welche es noch nicht stellen
kann. Denn es ist zwar traurig, aber doch wahr: Bei
der Großzahl der Jugend wird die böse Lust von Außen
geweckt und das oft lange bevor die Reife der Natur es
zu verlangen scheint.

Nehmet zuerst das Elternhaus. Wie unvorsichtig
sind oft Eltern vor ihren Kindern? Unvorsichtig im
Reden, im Handeln - unvorsichtig bei Tag und bei
Nacht. Werden vor Kindern nicht allerlei Aergernisse,
Liebschaften, Heirathen, Tänze, Moden weit und breit
verhandelt? Eine bloße Andeutung kann schon Zündstoff
werden. - Betrachtet noch mehr das Elternhaus! Es
ist Abend, Nacht geworden: Kinder schwärmen noch außer
dem Hause herum, oder das eine liegt auf dieser Bank,
das andere dort, in jenem Winkel langweilen sich andere;

so einfältig und kindlich, wird versteckter, vorsichtiger; es
ahnt Geheimnisse, und möchte seine eigene Natur und die
ganze Umgebung um das letzte Wort fragen: Deshalb
forscht es nach den Reden und Handlungen seiner Eltern,
seiner größern Geschwister, seiner Umgebung. Das ist
der verhängnißvolle Zeitpunkt, wo das Gesetz in den
Gliedern wider das Gesetz des Geistes sich aufzulehnen
beginnt. Wäre das nicht schon eine ungeheuere Gefahr?
Oder gilt hier nicht das Wort des hl. Ambrosius: „Leicht
halten wir uns von andern Lastern frei, aber dieser Feind
liegt in uns hinter Schloß und Riegel; diesen Feind tragen
wir mit uns.“
(Ad. Eustach. Ep. 22.) So wird das
Kinderherz der Kampfplatz, wo die Leidenschaften sich
herumschlagen und die Neugierde ein immer weiteres
Feld sich sucht.

Ist dieser Hausfeind nicht stark genug, die reine
Seele zu trüben, zu beflecken? Allerdings – und dazu
findet er noch Bundesgenossen von Außen. Denn be-
trachtet nur die Umgebung des Kindes, wo es so oft
Antwort auf Fragen findet, welche es noch nicht stellen
kann. Denn es ist zwar traurig, aber doch wahr: Bei
der Großzahl der Jugend wird die böse Lust von Außen
geweckt und das oft lange bevor die Reife der Natur es
zu verlangen scheint.

Nehmet zuerst das Elternhaus. Wie unvorsichtig
sind oft Eltern vor ihren Kindern? Unvorsichtig im
Reden, im Handeln – unvorsichtig bei Tag und bei
Nacht. Werden vor Kindern nicht allerlei Aergernisse,
Liebschaften, Heirathen, Tänze, Moden weit und breit
verhandelt? Eine bloße Andeutung kann schon Zündstoff
werden. – Betrachtet noch mehr das Elternhaus! Es
ist Abend, Nacht geworden: Kinder schwärmen noch außer
dem Hause herum, oder das eine liegt auf dieser Bank,
das andere dort, in jenem Winkel langweilen sich andere;

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[247/0259] so einfältig und kindlich, wird versteckter, vorsichtiger; es ahnt Geheimnisse, und möchte seine eigene Natur und die ganze Umgebung um das letzte Wort fragen: Deshalb forscht es nach den Reden und Handlungen seiner Eltern, seiner größern Geschwister, seiner Umgebung. Das ist der verhängnißvolle Zeitpunkt, wo das Gesetz in den Gliedern wider das Gesetz des Geistes sich aufzulehnen beginnt. Wäre das nicht schon eine ungeheuere Gefahr? Oder gilt hier nicht das Wort des hl. Ambrosius: „Leicht halten wir uns von andern Lastern frei, aber dieser Feind liegt in uns hinter Schloß und Riegel; diesen Feind tragen wir mit uns.“ (Ad. Eustach. Ep. 22.) So wird das Kinderherz der Kampfplatz, wo die Leidenschaften sich herumschlagen und die Neugierde ein immer weiteres Feld sich sucht. Ist dieser Hausfeind nicht stark genug, die reine Seele zu trüben, zu beflecken? Allerdings – und dazu findet er noch Bundesgenossen von Außen. Denn be- trachtet nur die Umgebung des Kindes, wo es so oft Antwort auf Fragen findet, welche es noch nicht stellen kann. Denn es ist zwar traurig, aber doch wahr: Bei der Großzahl der Jugend wird die böse Lust von Außen geweckt und das oft lange bevor die Reife der Natur es zu verlangen scheint. Nehmet zuerst das Elternhaus. Wie unvorsichtig sind oft Eltern vor ihren Kindern? Unvorsichtig im Reden, im Handeln – unvorsichtig bei Tag und bei Nacht. Werden vor Kindern nicht allerlei Aergernisse, Liebschaften, Heirathen, Tänze, Moden weit und breit verhandelt? Eine bloße Andeutung kann schon Zündstoff werden. – Betrachtet noch mehr das Elternhaus! Es ist Abend, Nacht geworden: Kinder schwärmen noch außer dem Hause herum, oder das eine liegt auf dieser Bank, das andere dort, in jenem Winkel langweilen sich andere;

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/259>, abgerufen am 22.11.2024.