dieser Beziehung gleichen die Beobachtungen, die man bei der Besteigung des Vulkanes von Tenerifa macht, denen, die man bei einer Auffahrt im Luftballon machen kann. Es ist in- dessen zu bemerken, daß die See wegen ihrer Durchsichtigkeit und wegen der Verdunstung weniger Wärme den hohen Luft- regionen zusendet als die Ebenen; daher ist es auf vom Meere umgebenen Berggipfeln im Sommer kälter als auf Bergen mitten im Lande; dieses Moment hat aber nur geringen Ein- fluß auf die Abnahme der Luftwärme, da die Temperatur der tiefen Regionen in der Nähe des Meeres gleichfalls eine niedrigere ist.
Anders verhält es sich mit dem Einflusse der Wind- richtung und der Geschwindigkeit des aufsteigenden Stromes; letzterer erhöht nicht selten die Temperatur der höchsten Berge in erstaunlichem Grade. Am Abhang des Antisana im König- reich Quito sah ich in 5530 m Höhe den Thermometer auf 19° stehen; Labillardiere beobachtete am Kraterrand des Pik von Tenerifa 18,7°, wobei er alle erdenkliche Vorsicht ge- braucht hatte, um den Einfluß zufälliger Ursachen auszu- schließen. Da die Temperatur der Reede von Santa Cruz zur selben Zeit 28° war, so betrug der Unterschied zwischen der Luft an der Küste und der auf dem Pik 9,3° statt 20°, die einer Wärmeabnahme von einem Grad auf 183 m ent- sprechen. Ich finde im Schiffstagebuch von d'Entrecasteaux' Expedition, daß damals in Santa Cruz der Wind Süd-Süd- Ost war. Vielleicht wehte derselbe Wind stärker in den hohen Luftregionen; vielleicht trieb er in schiefer Richtung die warme Luft vom nahen Festlande der Spitze des Piton zu. Labil- lardieres Besteigung fand zudem am 17. Oktober 1791 statt, und in den Schweizer Alpen hat man die Beobachtung ge- macht, daß der Temperaturunterschied zwischen Berg und Tief- land im Herbst geringer ist als im Sommer. Alle diese Schwankungen im Maß der Temperaturabnahme haben auf die Messungen mittels des Barometers nur insofern Einfluß, als die Abnahme in den dazwischenliegenden Schichten nicht gleichförmig ist, und von der arithmetischen gleichmäßigen Progression, wie die angewandten Formeln sie annehmen, ab- weicht.
Wir wurden auf dem Gipfel des Piks nicht müde, die Farbe des blauen Himmelsgewölbes zu bewundern. Ihre Intensität im Zenith schien uns gleich 41° des Cyanometers. Man weiß nach Saussures Versuchen, daß diese Intensität
dieſer Beziehung gleichen die Beobachtungen, die man bei der Beſteigung des Vulkanes von Tenerifa macht, denen, die man bei einer Auffahrt im Luftballon machen kann. Es iſt in- deſſen zu bemerken, daß die See wegen ihrer Durchſichtigkeit und wegen der Verdunſtung weniger Wärme den hohen Luft- regionen zuſendet als die Ebenen; daher iſt es auf vom Meere umgebenen Berggipfeln im Sommer kälter als auf Bergen mitten im Lande; dieſes Moment hat aber nur geringen Ein- fluß auf die Abnahme der Luftwärme, da die Temperatur der tiefen Regionen in der Nähe des Meeres gleichfalls eine niedrigere iſt.
Anders verhält es ſich mit dem Einfluſſe der Wind- richtung und der Geſchwindigkeit des aufſteigenden Stromes; letzterer erhöht nicht ſelten die Temperatur der höchſten Berge in erſtaunlichem Grade. Am Abhang des Antiſana im König- reich Quito ſah ich in 5530 m Höhe den Thermometer auf 19° ſtehen; Labillardière beobachtete am Kraterrand des Pik von Tenerifa 18,7°, wobei er alle erdenkliche Vorſicht ge- braucht hatte, um den Einfluß zufälliger Urſachen auszu- ſchließen. Da die Temperatur der Reede von Santa Cruz zur ſelben Zeit 28° war, ſo betrug der Unterſchied zwiſchen der Luft an der Küſte und der auf dem Pik 9,3° ſtatt 20°, die einer Wärmeabnahme von einem Grad auf 183 m ent- ſprechen. Ich finde im Schiffstagebuch von d’Entrecaſteaux’ Expedition, daß damals in Santa Cruz der Wind Süd-Süd- Oſt war. Vielleicht wehte derſelbe Wind ſtärker in den hohen Luftregionen; vielleicht trieb er in ſchiefer Richtung die warme Luft vom nahen Feſtlande der Spitze des Piton zu. Labil- lardières Beſteigung fand zudem am 17. Oktober 1791 ſtatt, und in den Schweizer Alpen hat man die Beobachtung ge- macht, daß der Temperaturunterſchied zwiſchen Berg und Tief- land im Herbſt geringer iſt als im Sommer. Alle dieſe Schwankungen im Maß der Temperaturabnahme haben auf die Meſſungen mittels des Barometers nur inſofern Einfluß, als die Abnahme in den dazwiſchenliegenden Schichten nicht gleichförmig iſt, und von der arithmetiſchen gleichmäßigen Progreſſion, wie die angewandten Formeln ſie annehmen, ab- weicht.
Wir wurden auf dem Gipfel des Piks nicht müde, die Farbe des blauen Himmelsgewölbes zu bewundern. Ihre Intenſität im Zenith ſchien uns gleich 41° des Cyanometers. Man weiß nach Sauſſures Verſuchen, daß dieſe Intenſität
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dieſer Beziehung gleichen die Beobachtungen, die man bei der
Beſteigung des Vulkanes von Tenerifa macht, denen, die man
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deſſen zu bemerken, daß die See wegen ihrer Durchſichtigkeit
und wegen der Verdunſtung weniger Wärme den hohen Luft-
regionen zuſendet als die Ebenen; daher iſt es auf vom Meere
umgebenen Berggipfeln im Sommer kälter als auf Bergen
mitten im Lande; dieſes Moment hat aber nur geringen Ein-
fluß auf die Abnahme der Luftwärme, da die Temperatur
der tiefen Regionen in der Nähe des Meeres gleichfalls eine
niedrigere iſt.
Anders verhält es ſich mit dem Einfluſſe der Wind-
richtung und der Geſchwindigkeit des aufſteigenden Stromes;
letzterer erhöht nicht ſelten die Temperatur der höchſten Berge
in erſtaunlichem Grade. Am Abhang des Antiſana im König-
reich Quito ſah ich in 5530 m Höhe den Thermometer auf
19° ſtehen; Labillardière beobachtete am Kraterrand des Pik
von Tenerifa 18,7°, wobei er alle erdenkliche Vorſicht ge-
braucht hatte, um den Einfluß zufälliger Urſachen auszu-
ſchließen. Da die Temperatur der Reede von Santa Cruz
zur ſelben Zeit 28° war, ſo betrug der Unterſchied zwiſchen
der Luft an der Küſte und der auf dem Pik 9,3° ſtatt 20°,
die einer Wärmeabnahme von einem Grad auf 183 m ent-
ſprechen. Ich finde im Schiffstagebuch von d’Entrecaſteaux’
Expedition, daß damals in Santa Cruz der Wind Süd-Süd-
Oſt war. Vielleicht wehte derſelbe Wind ſtärker in den hohen
Luftregionen; vielleicht trieb er in ſchiefer Richtung die warme
Luft vom nahen Feſtlande der Spitze des Piton zu. Labil-
lardières Beſteigung fand zudem am 17. Oktober 1791 ſtatt,
und in den Schweizer Alpen hat man die Beobachtung ge-
macht, daß der Temperaturunterſchied zwiſchen Berg und Tief-
land im Herbſt geringer iſt als im Sommer. Alle dieſe
Schwankungen im Maß der Temperaturabnahme haben auf
die Meſſungen mittels des Barometers nur inſofern Einfluß,
als die Abnahme in den dazwiſchenliegenden Schichten nicht
gleichförmig iſt, und von der arithmetiſchen gleichmäßigen
Progreſſion, wie die angewandten Formeln ſie annehmen, ab-
weicht.
Wir wurden auf dem Gipfel des Piks nicht müde, die
Farbe des blauen Himmelsgewölbes zu bewundern. Ihre
Intenſität im Zenith ſchien uns gleich 41° des Cyanometers.
Man weiß nach Sauſſures Verſuchen, daß dieſe Intenſität
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/111>, abgerufen am 16.02.2025.
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