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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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die mit ihrem nackten, gewundenen Stamm, mit den saftigen
Blättern und der blaugrünen Färbung den Typus der Vege-
tation Afrikas tragen. In dieser Zone werden der Dattel-
baum, der Bananenbaum, das Zuckerrohr, der indische Feigen-
baum, Arum colocasia, dessen Wurzel dem gemeinen Volke
ein nahrhaftes Mehl liefert, der Oelbaum, die europäischen
Obstarten, der Weinstock und die Getreidearten gebaut. Das
Korn wird von Ende März bis Anfang Mai geschnitten, und
man hat mit dem Anbau des Tahitischen Brotbaumes, des
Zimtbaumes von den Molukken, des Kaffeebaumes aus Arabien
und des Kakaobaumes aus Amerika gelungene Versuche ge-
macht. Auf mehreren Punkten der Küste hat das Land ganz
den Charakter einer tropischen Landschaft. Chamärops und
der Dattelbaum kommen auf der fruchtbaren Ebene von
Murviedro, an der Küste von Genua und in der Provence
bei Antibes unter 39 bis 44° der Breite ganz gut fort; einige
Dattelbäume wachsen sogar innerhalb der Mauern von Rom
und dauern in einer Temperatur von 2,5° unter dem Ge-
frierpunkt aus. Wenn aber dem südlichen Europa nur erst
ein geringer Teil von den Schätzen zugeteilt ist, welche die
Natur in der Region der Palmen ausstreut, so ist die Insel
Tenerifa, die unter derselben Breite liegt wie Aegypten, das
südliche Persien und Florida, bereits mit denselben Pflanzen-
gestalten geschmückt, welche den Landschaften in der Nähe des
Aequators ihre Großartigkeit verleihen.

Bei der Musterung der Sippen einheimischer Gewächse ver-
mißt man ungern die Bäume mit zartgefiederten Blättern und
die baumartigen Gräser. Keine Art der zahlreichen Familie
der Sensitiven ist auf ihrer Wanderung zum Archipel der
Kanarien gedrungen, während sie auf beiden Kontinenten
bis zum 38. und 40. Breitegrad vorkommen. In Amerika
ist die Schranckia uncinata Willdenows 1 bis hinauf in
die Wälder von Virginien verbreitet; in Afrika wächst die
Acacia gummifera auf den Hügeln bei Mogador, in Asien,
westwärts vom Kaspischen Meer, hat v. Biberstein die Ebenen
von Chyrvan mit Acacia stephaniana bedeckt gesehen. Wenn
man die Pflanzen von Lanzarote und Fuerteventura, die der
Küste von Marokko am nächsten liegen, genauer untersuchte,
könnten sich doch unter so vielen Gewächsen der afrikanischen
Flora leicht ein paar Mimosen finden.


1 Mimosa horridula, Michaux.

die mit ihrem nackten, gewundenen Stamm, mit den ſaftigen
Blättern und der blaugrünen Färbung den Typus der Vege-
tation Afrikas tragen. In dieſer Zone werden der Dattel-
baum, der Bananenbaum, das Zuckerrohr, der indiſche Feigen-
baum, Arum colocasia, deſſen Wurzel dem gemeinen Volke
ein nahrhaftes Mehl liefert, der Oelbaum, die europäiſchen
Obſtarten, der Weinſtock und die Getreidearten gebaut. Das
Korn wird von Ende März bis Anfang Mai geſchnitten, und
man hat mit dem Anbau des Tahitiſchen Brotbaumes, des
Zimtbaumes von den Molukken, des Kaffeebaumes aus Arabien
und des Kakaobaumes aus Amerika gelungene Verſuche ge-
macht. Auf mehreren Punkten der Küſte hat das Land ganz
den Charakter einer tropiſchen Landſchaft. Chamärops und
der Dattelbaum kommen auf der fruchtbaren Ebene von
Murviedro, an der Küſte von Genua und in der Provence
bei Antibes unter 39 bis 44° der Breite ganz gut fort; einige
Dattelbäume wachſen ſogar innerhalb der Mauern von Rom
und dauern in einer Temperatur von 2,5° unter dem Ge-
frierpunkt aus. Wenn aber dem ſüdlichen Europa nur erſt
ein geringer Teil von den Schätzen zugeteilt iſt, welche die
Natur in der Region der Palmen ausſtreut, ſo iſt die Inſel
Tenerifa, die unter derſelben Breite liegt wie Aegypten, das
ſüdliche Perſien und Florida, bereits mit denſelben Pflanzen-
geſtalten geſchmückt, welche den Landſchaften in der Nähe des
Aequators ihre Großartigkeit verleihen.

Bei der Muſterung der Sippen einheimiſcher Gewächſe ver-
mißt man ungern die Bäume mit zartgefiederten Blättern und
die baumartigen Gräſer. Keine Art der zahlreichen Familie
der Senſitiven iſt auf ihrer Wanderung zum Archipel der
Kanarien gedrungen, während ſie auf beiden Kontinenten
bis zum 38. und 40. Breitegrad vorkommen. In Amerika
iſt die Schranckia uncinata Willdenows 1 bis hinauf in
die Wälder von Virginien verbreitet; in Afrika wächſt die
Acacia gummifera auf den Hügeln bei Mogador, in Aſien,
weſtwärts vom Kaſpiſchen Meer, hat v. Biberſtein die Ebenen
von Chyrvan mit Acacia stephaniana bedeckt geſehen. Wenn
man die Pflanzen von Lanzarote und Fuerteventura, die der
Küſte von Marokko am nächſten liegen, genauer unterſuchte,
könnten ſich doch unter ſo vielen Gewächſen der afrikaniſchen
Flora leicht ein paar Mimoſen finden.


1 Mimosa horridula, Michaux.
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[112/0128] die mit ihrem nackten, gewundenen Stamm, mit den ſaftigen Blättern und der blaugrünen Färbung den Typus der Vege- tation Afrikas tragen. In dieſer Zone werden der Dattel- baum, der Bananenbaum, das Zuckerrohr, der indiſche Feigen- baum, Arum colocasia, deſſen Wurzel dem gemeinen Volke ein nahrhaftes Mehl liefert, der Oelbaum, die europäiſchen Obſtarten, der Weinſtock und die Getreidearten gebaut. Das Korn wird von Ende März bis Anfang Mai geſchnitten, und man hat mit dem Anbau des Tahitiſchen Brotbaumes, des Zimtbaumes von den Molukken, des Kaffeebaumes aus Arabien und des Kakaobaumes aus Amerika gelungene Verſuche ge- macht. Auf mehreren Punkten der Küſte hat das Land ganz den Charakter einer tropiſchen Landſchaft. Chamärops und der Dattelbaum kommen auf der fruchtbaren Ebene von Murviedro, an der Küſte von Genua und in der Provence bei Antibes unter 39 bis 44° der Breite ganz gut fort; einige Dattelbäume wachſen ſogar innerhalb der Mauern von Rom und dauern in einer Temperatur von 2,5° unter dem Ge- frierpunkt aus. Wenn aber dem ſüdlichen Europa nur erſt ein geringer Teil von den Schätzen zugeteilt iſt, welche die Natur in der Region der Palmen ausſtreut, ſo iſt die Inſel Tenerifa, die unter derſelben Breite liegt wie Aegypten, das ſüdliche Perſien und Florida, bereits mit denſelben Pflanzen- geſtalten geſchmückt, welche den Landſchaften in der Nähe des Aequators ihre Großartigkeit verleihen. Bei der Muſterung der Sippen einheimiſcher Gewächſe ver- mißt man ungern die Bäume mit zartgefiederten Blättern und die baumartigen Gräſer. Keine Art der zahlreichen Familie der Senſitiven iſt auf ihrer Wanderung zum Archipel der Kanarien gedrungen, während ſie auf beiden Kontinenten bis zum 38. und 40. Breitegrad vorkommen. In Amerika iſt die Schranckia uncinata Willdenows 1 bis hinauf in die Wälder von Virginien verbreitet; in Afrika wächſt die Acacia gummifera auf den Hügeln bei Mogador, in Aſien, weſtwärts vom Kaſpiſchen Meer, hat v. Biberſtein die Ebenen von Chyrvan mit Acacia stephaniana bedeckt geſehen. Wenn man die Pflanzen von Lanzarote und Fuerteventura, die der Küſte von Marokko am nächſten liegen, genauer unterſuchte, könnten ſich doch unter ſo vielen Gewächſen der afrikaniſchen Flora leicht ein paar Mimoſen finden. 1 Mimosa horridula, Michaux.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/128>, abgerufen am 21.11.2024.