Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
Erstes Kapitel.

Vorbereitungen. -- Abreise von Spanien. -- Aufenthalt auf den
Kanarischen Inseln.

Wenn eine Regierung eine jener Fahrten auf dem Welt-
meer anordnet, durch welche die Kenntnis des Erdballes erweitert
und die physischen Wissenschaften gefördert werden, so stellt
sich ihrem Vorhaben keinerlei Hindernis entgegen. Der Zeit-
punkt der Abfahrt und der Plan der Reise können festgestellt
werden, sobald die Schiffe ausgerüstet und die Astronomen
und Naturforscher, welche unbekannte Meere befahren sollen,
gewählt sind. Die Inseln und Küsten, deren Produkte die
Seefahrer kennen lernen sollen, liegen außerhalb des Bereiches
der staatlichen Bewegungen Europas. Wenn längere Kriege
die Freiheit zur See beschränken, so stellen die kriegführenden
Mächte gegenseitig Pässe aus; der Haß zwischen Volk und
Volk tritt zurück, wenn es sich von der Förderung des Wissens
handelt, das die gemeine Sache aller Völker ist.

Anders, wenn nur ein Privatmann auf seine Kosten eine
Reise in das Innere eines Festlandes unternimmt, das Europa
in sein System von Kolonieen gezogen hat. Wohl mag sich
der Reisende einen Plan entwerfen, wie er ihm für seine
wissenschaftlichen Zwecke und bei den staatlichen Verhältnissen
der zu bereisenden Länder der angemessenste scheint; er mag
sich die Mittel verschaffen, die ihm fern vom Heimatland auf
Jahre die Unabhängigkeit sichern; aber gar oft widersetzen
sich unvorhergesehene Hindernisse seinem Vorhaben, wenn er
eben meint es ausführen zu können. Nicht leicht hat aber
ein Reisender mit so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt
als ich vor meiner Abreise nach dem spanischen Amerika. Gern
wäre ich darüber weggegangen und hätte meine Reisebeschrei-
bung mit der Besteigung des Piks von Tenerifa begonnen,

Erſtes Kapitel.

Vorbereitungen. — Abreiſe von Spanien. — Aufenthalt auf den
Kanariſchen Inſeln.

Wenn eine Regierung eine jener Fahrten auf dem Welt-
meer anordnet, durch welche die Kenntnis des Erdballes erweitert
und die phyſiſchen Wiſſenſchaften gefördert werden, ſo ſtellt
ſich ihrem Vorhaben keinerlei Hindernis entgegen. Der Zeit-
punkt der Abfahrt und der Plan der Reiſe können feſtgeſtellt
werden, ſobald die Schiffe ausgerüſtet und die Aſtronomen
und Naturforſcher, welche unbekannte Meere befahren ſollen,
gewählt ſind. Die Inſeln und Küſten, deren Produkte die
Seefahrer kennen lernen ſollen, liegen außerhalb des Bereiches
der ſtaatlichen Bewegungen Europas. Wenn längere Kriege
die Freiheit zur See beſchränken, ſo ſtellen die kriegführenden
Mächte gegenſeitig Päſſe aus; der Haß zwiſchen Volk und
Volk tritt zurück, wenn es ſich von der Förderung des Wiſſens
handelt, das die gemeine Sache aller Völker iſt.

Anders, wenn nur ein Privatmann auf ſeine Koſten eine
Reiſe in das Innere eines Feſtlandes unternimmt, das Europa
in ſein Syſtem von Kolonieen gezogen hat. Wohl mag ſich
der Reiſende einen Plan entwerfen, wie er ihm für ſeine
wiſſenſchaftlichen Zwecke und bei den ſtaatlichen Verhältniſſen
der zu bereiſenden Länder der angemeſſenſte ſcheint; er mag
ſich die Mittel verſchaffen, die ihm fern vom Heimatland auf
Jahre die Unabhängigkeit ſichern; aber gar oft widerſetzen
ſich unvorhergeſehene Hinderniſſe ſeinem Vorhaben, wenn er
eben meint es ausführen zu können. Nicht leicht hat aber
ein Reiſender mit ſo vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt
als ich vor meiner Abreiſe nach dem ſpaniſchen Amerika. Gern
wäre ich darüber weggegangen und hätte meine Reiſebeſchrei-
bung mit der Beſteigung des Piks von Tenerifa begonnen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0019" n="[3]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Kapitel.</hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p> <hi rendition="#c">Vorbereitungen. &#x2014; Abrei&#x017F;e von Spanien. &#x2014; Aufenthalt auf den<lb/>
Kanari&#x017F;chen In&#x017F;eln.</hi> </p>
          </argument><lb/>
          <p>Wenn eine Regierung eine jener Fahrten auf dem Welt-<lb/>
meer anordnet, durch welche die Kenntnis des Erdballes erweitert<lb/>
und die phy&#x017F;i&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften gefördert werden, &#x017F;o &#x017F;tellt<lb/>
&#x017F;ich ihrem Vorhaben keinerlei Hindernis entgegen. Der Zeit-<lb/>
punkt der Abfahrt und der Plan der Rei&#x017F;e können fe&#x017F;tge&#x017F;tellt<lb/>
werden, &#x017F;obald die Schiffe ausgerü&#x017F;tet und die A&#x017F;tronomen<lb/>
und Naturfor&#x017F;cher, welche unbekannte Meere befahren &#x017F;ollen,<lb/>
gewählt &#x017F;ind. Die In&#x017F;eln und Kü&#x017F;ten, deren Produkte die<lb/>
Seefahrer kennen lernen &#x017F;ollen, liegen außerhalb des Bereiches<lb/>
der &#x017F;taatlichen Bewegungen Europas. Wenn längere Kriege<lb/>
die Freiheit zur See be&#x017F;chränken, &#x017F;o &#x017F;tellen die kriegführenden<lb/>
Mächte gegen&#x017F;eitig Pä&#x017F;&#x017F;e aus; der Haß zwi&#x017F;chen Volk und<lb/>
Volk tritt zurück, wenn es &#x017F;ich von der Förderung des Wi&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
handelt, das die gemeine Sache aller Völker i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Anders, wenn nur ein Privatmann auf &#x017F;eine Ko&#x017F;ten eine<lb/>
Rei&#x017F;e in das Innere eines Fe&#x017F;tlandes unternimmt, das Europa<lb/>
in &#x017F;ein Sy&#x017F;tem von Kolonieen gezogen hat. Wohl mag &#x017F;ich<lb/>
der Rei&#x017F;ende einen Plan entwerfen, wie er ihm für &#x017F;eine<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Zwecke und bei den &#x017F;taatlichen Verhältni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der zu berei&#x017F;enden Länder der angeme&#x017F;&#x017F;en&#x017F;te &#x017F;cheint; er mag<lb/>
&#x017F;ich die Mittel ver&#x017F;chaffen, die ihm fern vom Heimatland auf<lb/>
Jahre die Unabhängigkeit &#x017F;ichern; aber gar oft wider&#x017F;etzen<lb/>
&#x017F;ich unvorherge&#x017F;ehene Hinderni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einem Vorhaben, wenn er<lb/>
eben meint es ausführen zu können. Nicht leicht hat aber<lb/>
ein Rei&#x017F;ender mit &#x017F;o vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt<lb/>
als ich vor meiner Abrei&#x017F;e nach dem &#x017F;pani&#x017F;chen Amerika. Gern<lb/>
wäre ich darüber weggegangen und hätte meine Rei&#x017F;ebe&#x017F;chrei-<lb/>
bung mit der Be&#x017F;teigung des Piks von Tenerifa begonnen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0019] Erſtes Kapitel. Vorbereitungen. — Abreiſe von Spanien. — Aufenthalt auf den Kanariſchen Inſeln. Wenn eine Regierung eine jener Fahrten auf dem Welt- meer anordnet, durch welche die Kenntnis des Erdballes erweitert und die phyſiſchen Wiſſenſchaften gefördert werden, ſo ſtellt ſich ihrem Vorhaben keinerlei Hindernis entgegen. Der Zeit- punkt der Abfahrt und der Plan der Reiſe können feſtgeſtellt werden, ſobald die Schiffe ausgerüſtet und die Aſtronomen und Naturforſcher, welche unbekannte Meere befahren ſollen, gewählt ſind. Die Inſeln und Küſten, deren Produkte die Seefahrer kennen lernen ſollen, liegen außerhalb des Bereiches der ſtaatlichen Bewegungen Europas. Wenn längere Kriege die Freiheit zur See beſchränken, ſo ſtellen die kriegführenden Mächte gegenſeitig Päſſe aus; der Haß zwiſchen Volk und Volk tritt zurück, wenn es ſich von der Förderung des Wiſſens handelt, das die gemeine Sache aller Völker iſt. Anders, wenn nur ein Privatmann auf ſeine Koſten eine Reiſe in das Innere eines Feſtlandes unternimmt, das Europa in ſein Syſtem von Kolonieen gezogen hat. Wohl mag ſich der Reiſende einen Plan entwerfen, wie er ihm für ſeine wiſſenſchaftlichen Zwecke und bei den ſtaatlichen Verhältniſſen der zu bereiſenden Länder der angemeſſenſte ſcheint; er mag ſich die Mittel verſchaffen, die ihm fern vom Heimatland auf Jahre die Unabhängigkeit ſichern; aber gar oft widerſetzen ſich unvorhergeſehene Hinderniſſe ſeinem Vorhaben, wenn er eben meint es ausführen zu können. Nicht leicht hat aber ein Reiſender mit ſo vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt als ich vor meiner Abreiſe nach dem ſpaniſchen Amerika. Gern wäre ich darüber weggegangen und hätte meine Reiſebeſchrei- bung mit der Beſteigung des Piks von Tenerifa begonnen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/19
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/19>, abgerufen am 21.11.2024.