Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.sogar über das Becken des Ozeans fortpflanzen, deutlich dar- Wenn nun auch in den weitentlegensten Ländern die Ur- ſogar über das Becken des Ozeans fortpflanzen, deutlich dar- Wenn nun auch in den weitentlegenſten Ländern die Ur- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0194" n="178"/> ſogar über das Becken des Ozeans fortpflanzen, deutlich dar-<lb/> auf hinweiſt, daß der Mittelpunkt der Bewegung von der<lb/> Erdoberfläche ſehr weit entfernt iſt. Ohne Zweifel aus dem-<lb/> ſelben Grunde ſind die Erdbeben nicht an gewiſſe Gebirgs-<lb/> arten gebunden, wie manche Phyſiker behaupten, ſondern alle<lb/> ſind vielmehr gleich geeignet, die Bewegung fortzupflanzen.<lb/> Um nicht den Kreis meiner eigenen Erfahrung zu überſchreiten,<lb/> nenne ich nur die Granite von Lima und Acapulco, den Gneis<lb/> von Caracas, den Glimmerſchiefer der Halbinſel Araya, den<lb/> Urgebirgsſchiefer von Tepecuacuilco in Mexiko, die ſekundären<lb/> Kalkſteine des Apennins, Spaniens und Neuandaluſiens, end-<lb/> lich die Trappporphyre der Provinzen Quito und Popayan.<lb/> An allen dieſen Orten wird der Boden häufig durch die<lb/> heftigſten Stöße erſchüttert; aber zuweilen werden in der-<lb/> ſelben Gebirgsart die obenauf gelagerten Schichten zu einem<lb/> unüberwindlichen Hindernis für die Fortpflanzung der Be-<lb/> wegung. So ſah man ſchon in den ſächſiſchen Erzgruben die<lb/> Bergleute wegen Bebungen, die ſie empfunden, erſchrocken aus-<lb/> fahren, während man an der Erdoberfläche nichts davon ge-<lb/> ſpürt hatte.</p><lb/> <p>Wenn nun auch in den weitentlegenſten Ländern die Ur-<lb/> gebirge, die ſekundären und die vulkaniſchen Gebirgsarten an<lb/> den krampfhaften Zuckungen des Erdballes in gleichem Maße<lb/> teilnehmen, ſo läßt ſich doch nicht in Abrede ziehen, daß in<lb/> einem nicht ſehr ausgedehnten Landſtrich gewiſſe Gebirgsarten<lb/> die Fortpflanzung der Stöße hemmen. In Cumana z. B.<lb/> wurden vor der großen Kataſtrophe im Jahre 1797 die Erd-<lb/> beben nur längs der aus Kalk beſtehenden Südküſte des<lb/> Meerbuſens von Cariaco bis zur Stadt dieſes Namens ge-<lb/> ſpürt, während auf der Halbinſel Araya und im Dorfe Mani-<lb/> quarez der Boden an denſelben Bewegungen keinen Teil nahm.<lb/> Die Bewohner dieſer Nordküſte, die aus Glimmerſchieſer be-<lb/> ſteht, bauten ihre Hütten auf unerſchütterlichem Boden; ein<lb/> 5,8 bis 7,8 <hi rendition="#aq">km</hi> breiter Meerbuſen lag zwiſchen ihnen und<lb/> einer durch die Erdbeben mit Trümmern bedeckten und ver-<lb/> wüſteten Ebene. Mit dieſer auf die Erfahrung von Jahr-<lb/> hunderten gebauten Sicherheit iſt es vorbei; mit dem 14. De-<lb/> zember 1797 ſcheinen ſich im Inneren der Erde neue<lb/> Verbindungswege geöffnet zu haben. Jetzt empfindet man es<lb/> in Araya nicht nur, wenn in Cumana der Boden bebt, das<lb/> Vorgebirge aus Glimmerſchiefer iſt ſeinerſeits zum Mittel-<lb/> punkt von Bewegungen geworden. Bereits wird zuweilen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0194]
ſogar über das Becken des Ozeans fortpflanzen, deutlich dar-
auf hinweiſt, daß der Mittelpunkt der Bewegung von der
Erdoberfläche ſehr weit entfernt iſt. Ohne Zweifel aus dem-
ſelben Grunde ſind die Erdbeben nicht an gewiſſe Gebirgs-
arten gebunden, wie manche Phyſiker behaupten, ſondern alle
ſind vielmehr gleich geeignet, die Bewegung fortzupflanzen.
Um nicht den Kreis meiner eigenen Erfahrung zu überſchreiten,
nenne ich nur die Granite von Lima und Acapulco, den Gneis
von Caracas, den Glimmerſchiefer der Halbinſel Araya, den
Urgebirgsſchiefer von Tepecuacuilco in Mexiko, die ſekundären
Kalkſteine des Apennins, Spaniens und Neuandaluſiens, end-
lich die Trappporphyre der Provinzen Quito und Popayan.
An allen dieſen Orten wird der Boden häufig durch die
heftigſten Stöße erſchüttert; aber zuweilen werden in der-
ſelben Gebirgsart die obenauf gelagerten Schichten zu einem
unüberwindlichen Hindernis für die Fortpflanzung der Be-
wegung. So ſah man ſchon in den ſächſiſchen Erzgruben die
Bergleute wegen Bebungen, die ſie empfunden, erſchrocken aus-
fahren, während man an der Erdoberfläche nichts davon ge-
ſpürt hatte.
Wenn nun auch in den weitentlegenſten Ländern die Ur-
gebirge, die ſekundären und die vulkaniſchen Gebirgsarten an
den krampfhaften Zuckungen des Erdballes in gleichem Maße
teilnehmen, ſo läßt ſich doch nicht in Abrede ziehen, daß in
einem nicht ſehr ausgedehnten Landſtrich gewiſſe Gebirgsarten
die Fortpflanzung der Stöße hemmen. In Cumana z. B.
wurden vor der großen Kataſtrophe im Jahre 1797 die Erd-
beben nur längs der aus Kalk beſtehenden Südküſte des
Meerbuſens von Cariaco bis zur Stadt dieſes Namens ge-
ſpürt, während auf der Halbinſel Araya und im Dorfe Mani-
quarez der Boden an denſelben Bewegungen keinen Teil nahm.
Die Bewohner dieſer Nordküſte, die aus Glimmerſchieſer be-
ſteht, bauten ihre Hütten auf unerſchütterlichem Boden; ein
5,8 bis 7,8 km breiter Meerbuſen lag zwiſchen ihnen und
einer durch die Erdbeben mit Trümmern bedeckten und ver-
wüſteten Ebene. Mit dieſer auf die Erfahrung von Jahr-
hunderten gebauten Sicherheit iſt es vorbei; mit dem 14. De-
zember 1797 ſcheinen ſich im Inneren der Erde neue
Verbindungswege geöffnet zu haben. Jetzt empfindet man es
in Araya nicht nur, wenn in Cumana der Boden bebt, das
Vorgebirge aus Glimmerſchiefer iſt ſeinerſeits zum Mittel-
punkt von Bewegungen geworden. Bereits wird zuweilen
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