Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.bedienen, um den Thränenfluß zu steigern. Diese Erklärungen Ostwärts von Maniquarez an der Südküste liegen nahe Der Salzthon von Araya enthält festes, zerreibliches bedienen, um den Thränenfluß zu ſteigern. Dieſe Erklärungen Oſtwärts von Maniquarez an der Südküſte liegen nahe Der Salzthon von Araya enthält feſtes, zerreibliches <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0222" n="206"/> bedienen, um den Thränenfluß zu ſteigern. Dieſe Erklärungen<lb/> waren aber gar nicht nach dem Geſchmack der Einwohner von<lb/> Araya. Die Natur erſcheint dem Menſchen deſto größer, je<lb/> geheimnisvoller ſie iſt, und die Volksphyſik weiſt alles von<lb/> ſich, was einfach iſt.</p><lb/> <p>Oſtwärts von Maniquarez an der Südküſte liegen nahe<lb/> aneinander drei Landzungen, genannt Punta de Soto, Punta<lb/> de la Brea und Punta Guaratarito. In dieſer Gegend be-<lb/> ſteht der Meeresboden offenbar aus Glimmerſchiefer, und aus<lb/> dieſer Gebirgsart entſpringt bei Punta de la Brea, aber 26 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> vom Ufer, eine <hi rendition="#g">Naphthaquelle</hi>, deren Geruch ſich weit in<lb/> die Halbinſel hinein verbreitet. Man mußte bis zum halben<lb/> Leibe ins Waſſer gehen, um die intereſſante Erſcheinung in der<lb/> Nähe zu beobachten. Das Waſſer iſt mit <hi rendition="#aq">Zostera</hi> bedeckt,<lb/> und mitten in einer ſehr großen Bank dieſes Gewächſes ſieht<lb/> man einen freien runden Fleck von 1 <hi rendition="#aq">m</hi> Durchmeſſer, auf dem<lb/> einzelne Maſſen von <hi rendition="#aq">Ulva lactuca</hi> ſchwimmen. Hier kommen<lb/> die Quellen zu Tage. Der Boden des Meerbuſens iſt mit<lb/> Sand bedeckt, und das Bergöl, das, durchſichtig und von gelber<lb/> Farbe, der eigentlichen Naphtha nahe kommt, ſprudelt ſtoß-<lb/> weiſe unter Entwickelung von Luftblaſen hervor. Stampft<lb/> man den Boden mit den Füßen feſt, ſo ſieht man die kleinen<lb/> Quellen wegrücken. Die Naphtha bedeckt das Meer über 320 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> weit. Nimmt man an, daß das Fallen der Schichten ſich<lb/> gleich bleibt, ſo muß der Glimmerſchiefer wenige Meter unter<lb/> dem Sande liegen.</p><lb/> <p>Der Salzthon von Araya enthält feſtes, zerreibliches<lb/> Bergöl. Dieſes geologiſche Verhältnis zwiſchen ſalzſaurem<lb/> Natron und Erdpech kommt in allen Steinſalzgruben und bei<lb/> allen Salzquellen vor, aber als ein höchſt merkwürdiger Fall<lb/> erſcheint das Vorkommen einer Naphthaquelle in einer Urge-<lb/> birgsart. Alle bis jetzt bekannten gehören ſekundären Forma-<lb/> tionen an, und dieſer Umſtand ſchien für die Annahme zu<lb/> ſprechen, daß alles mineraliſche Harz Produkt der Zerſetzung<lb/> von Pflanzen und Tieren oder des Brandes der Steinkohlen<lb/> ſei. Auf der Halbinſel Araya aber fließt die Naphtha aus<lb/> dem Urgebirge ſelbſt, und dieſe Erſcheinung wird noch bedeu-<lb/> tender, wenn man bedenkt, daß in dieſem Urgebirge der Herd<lb/> des unterirdiſchen Feuers iſt, daß man am Rande brennender<lb/> Krater zuweilen Naphthageruch bemerkt, und daß die meiſten<lb/> heißen Quellen Amerikas aus Gneis und Glimmerſchiefer<lb/> hervorbrechen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0222]
bedienen, um den Thränenfluß zu ſteigern. Dieſe Erklärungen
waren aber gar nicht nach dem Geſchmack der Einwohner von
Araya. Die Natur erſcheint dem Menſchen deſto größer, je
geheimnisvoller ſie iſt, und die Volksphyſik weiſt alles von
ſich, was einfach iſt.
Oſtwärts von Maniquarez an der Südküſte liegen nahe
aneinander drei Landzungen, genannt Punta de Soto, Punta
de la Brea und Punta Guaratarito. In dieſer Gegend be-
ſteht der Meeresboden offenbar aus Glimmerſchiefer, und aus
dieſer Gebirgsart entſpringt bei Punta de la Brea, aber 26 m
vom Ufer, eine Naphthaquelle, deren Geruch ſich weit in
die Halbinſel hinein verbreitet. Man mußte bis zum halben
Leibe ins Waſſer gehen, um die intereſſante Erſcheinung in der
Nähe zu beobachten. Das Waſſer iſt mit Zostera bedeckt,
und mitten in einer ſehr großen Bank dieſes Gewächſes ſieht
man einen freien runden Fleck von 1 m Durchmeſſer, auf dem
einzelne Maſſen von Ulva lactuca ſchwimmen. Hier kommen
die Quellen zu Tage. Der Boden des Meerbuſens iſt mit
Sand bedeckt, und das Bergöl, das, durchſichtig und von gelber
Farbe, der eigentlichen Naphtha nahe kommt, ſprudelt ſtoß-
weiſe unter Entwickelung von Luftblaſen hervor. Stampft
man den Boden mit den Füßen feſt, ſo ſieht man die kleinen
Quellen wegrücken. Die Naphtha bedeckt das Meer über 320 m
weit. Nimmt man an, daß das Fallen der Schichten ſich
gleich bleibt, ſo muß der Glimmerſchiefer wenige Meter unter
dem Sande liegen.
Der Salzthon von Araya enthält feſtes, zerreibliches
Bergöl. Dieſes geologiſche Verhältnis zwiſchen ſalzſaurem
Natron und Erdpech kommt in allen Steinſalzgruben und bei
allen Salzquellen vor, aber als ein höchſt merkwürdiger Fall
erſcheint das Vorkommen einer Naphthaquelle in einer Urge-
birgsart. Alle bis jetzt bekannten gehören ſekundären Forma-
tionen an, und dieſer Umſtand ſchien für die Annahme zu
ſprechen, daß alles mineraliſche Harz Produkt der Zerſetzung
von Pflanzen und Tieren oder des Brandes der Steinkohlen
ſei. Auf der Halbinſel Araya aber fließt die Naphtha aus
dem Urgebirge ſelbſt, und dieſe Erſcheinung wird noch bedeu-
tender, wenn man bedenkt, daß in dieſem Urgebirge der Herd
des unterirdiſchen Feuers iſt, daß man am Rande brennender
Krater zuweilen Naphthageruch bemerkt, und daß die meiſten
heißen Quellen Amerikas aus Gneis und Glimmerſchiefer
hervorbrechen.
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