Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Zweites Kapitel. Aufenthalt auf Tenerifa. -- Reise von Santa Cruz nach Orotava. -- Von unserer Abreise von Graciosa an war der Horizont Am 19. morgens sahen wir den Berggipfel Naga (Punta Zweites Kapitel. Aufenthalt auf Tenerifa. — Reiſe von Santa Cruz nach Orotava. — Von unſerer Abreiſe von Gracioſa an war der Horizont Am 19. morgens ſahen wir den Berggipfel Naga (Punta <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0071" n="[55]"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zweites Kapitel.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c">Aufenthalt auf Tenerifa. — Reiſe von Santa Cruz nach Orotava. —<lb/> Beſteigung des Piks.</hi> </p> </argument><lb/> <p>Von unſerer Abreiſe von Gracioſa an war der Horizont<lb/> fortwährend ſo dunſtig, daß trotz der anſehnlichen Höhe der<lb/> Berge Canarias (<hi rendition="#aq">Isla de la gran Canaria</hi>) die Inſel erſt<lb/> am 19. abends in Sicht kam. Sie iſt die Kornkammer des Ar-<lb/> chipels der „glückſeligen Inſeln“, und man behauptet, was<lb/> für ein Land außerhalb der Tropen ſehr auffallend iſt, in<lb/> einigen Strichen erhalte man zwei Getreideernten im Jahre,<lb/> eine im Februar, die andere im Juni. Canaria iſt noch nie<lb/> von einem unterrichteten Mineralogen beſucht worden; ſie ver-<lb/> diente es aber um ſo mehr, als mir ihre in parallelen Ketten<lb/> ſtreichenden Berge von ganz anderem Charakter ſchienen als<lb/> die Gipfel von Lanzarote und Tenerifa. Nichts iſt für den<lb/> Geologen anziehender als die Beobachtung, wie ſich an einem<lb/> beſtimmten Punkte die vulkaniſchen Bildungen zu den Ur-<lb/> gebirgen und den ſekundären Gebirgen verhalten. Sind ein-<lb/> mal die Kanariſchen Inſeln in allen ihren Gebirgsgliedern er-<lb/> forſcht, ſo wird ſich zeigen, daß man zu voreilig die Bildung<lb/> der ganzen Gruppe einer Hebung durch unterſeeiſche Feuer-<lb/> ausbrüche zugeſchrieben hat.</p><lb/> <p>Am 19. morgens ſahen wir den Berggipfel Naga <hi rendition="#aq">(Punta<lb/> de Naga, Anaga</hi> oder <hi rendition="#aq">Nago),</hi> aber der Pik von Tenerifa<lb/> blieb fortwährend unſichtbar. Das Land trat nur undeutlich<lb/> hervor, ein dicker Nebel verwiſchte alle Umriſſe. Als wir uns<lb/> der Reede von Santa Cruz näherten, bemerkten wir, daß der<lb/> Nebel, vom Winde getrieben, auf uns zukam. Das Meer war<lb/> ſehr unruhig, wie faſt immer in dieſen Strichen. Wir warfen<lb/> Anker, nachdem wir mehrmals das Senkblei ausgeworfen;<lb/> denn der Nebel war ſo dicht, daß man kaum auf ein paar<lb/> Kabellängen ſah. Aber eben da man anfing den Platz zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[55]/0071]
Zweites Kapitel.
Aufenthalt auf Tenerifa. — Reiſe von Santa Cruz nach Orotava. —
Beſteigung des Piks.
Von unſerer Abreiſe von Gracioſa an war der Horizont
fortwährend ſo dunſtig, daß trotz der anſehnlichen Höhe der
Berge Canarias (Isla de la gran Canaria) die Inſel erſt
am 19. abends in Sicht kam. Sie iſt die Kornkammer des Ar-
chipels der „glückſeligen Inſeln“, und man behauptet, was
für ein Land außerhalb der Tropen ſehr auffallend iſt, in
einigen Strichen erhalte man zwei Getreideernten im Jahre,
eine im Februar, die andere im Juni. Canaria iſt noch nie
von einem unterrichteten Mineralogen beſucht worden; ſie ver-
diente es aber um ſo mehr, als mir ihre in parallelen Ketten
ſtreichenden Berge von ganz anderem Charakter ſchienen als
die Gipfel von Lanzarote und Tenerifa. Nichts iſt für den
Geologen anziehender als die Beobachtung, wie ſich an einem
beſtimmten Punkte die vulkaniſchen Bildungen zu den Ur-
gebirgen und den ſekundären Gebirgen verhalten. Sind ein-
mal die Kanariſchen Inſeln in allen ihren Gebirgsgliedern er-
forſcht, ſo wird ſich zeigen, daß man zu voreilig die Bildung
der ganzen Gruppe einer Hebung durch unterſeeiſche Feuer-
ausbrüche zugeſchrieben hat.
Am 19. morgens ſahen wir den Berggipfel Naga (Punta
de Naga, Anaga oder Nago), aber der Pik von Tenerifa
blieb fortwährend unſichtbar. Das Land trat nur undeutlich
hervor, ein dicker Nebel verwiſchte alle Umriſſe. Als wir uns
der Reede von Santa Cruz näherten, bemerkten wir, daß der
Nebel, vom Winde getrieben, auf uns zukam. Das Meer war
ſehr unruhig, wie faſt immer in dieſen Strichen. Wir warfen
Anker, nachdem wir mehrmals das Senkblei ausgeworfen;
denn der Nebel war ſo dicht, daß man kaum auf ein paar
Kabellängen ſah. Aber eben da man anfing den Platz zu
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