Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Hafen von Orotava. Dort ergreift der Gegensatz zwischen Trotz diesem Unterschied, und obgleich am letzteren Orte Wir haben in der Kordillere der Anden die Beobachtung 1 Die Spitze des Vulkanes ist von Orotava etwa 16,5 km, von
Santa Cruz 44 km entfernt. Hafen von Orotava. Dort ergreift der Gegenſatz zwiſchen Trotz dieſem Unterſchied, und obgleich am letzteren Orte Wir haben in der Kordillere der Anden die Beobachtung 1 Die Spitze des Vulkanes iſt von Orotava etwa 16,5 km, von
Santa Cruz 44 km entfernt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0073" n="57"/> Hafen von Orotava. Dort ergreift der Gegenſatz zwiſchen<lb/> einer lachenden, reich bebauten Ebene und der wilden Phy-<lb/> ſiognomie des Vulkanes. Von den Palmen- und Bananen-<lb/> gruppen am Strande bis zu der Region der Arbutus, der Lor-<lb/> beeren und Pinien iſt das vulkaniſche Geſtein mit kräftigem<lb/> Pflanzenwuchs bedeckt. Man begreift, wie ſogar Völker, welche<lb/> unter dem ſchönen Himmel von Griechenland und Italien<lb/> wohnen, im öſtlichen Teil von Tenerifa eine der glückſeligen<lb/> Inſeln gefunden zu haben meinten. Die Oſtküſte dagegen,<lb/> an der Santa Cruz liegt, trägt überall den Stempel der Un-<lb/> fruchtbarkeit. Der Gipfel des Piks iſt nicht öder als das<lb/> Vorgebirge aus baſaltiſcher Lava, das der Punta de Naga<lb/> zuläuft, und wo Fettpflanzen in den Ritzen des Geſteines eben<lb/> erſt den Grund zu einſtiger Dammerde legen. Im Hafen von<lb/> Orotava erſcheint die Spitze des Zuckerhutes unter einem Winkel<lb/> von mehr als 16½°, während auf dem Hafendamm von Santa<lb/> Cruz der Winkel kaum 4° 36′ beträgt. <note place="foot" n="1">Die Spitze des Vulkanes iſt von Orotava etwa 16,5 <hi rendition="#aq">km</hi>, von<lb/> Santa Cruz 44 <hi rendition="#aq">km</hi> entfernt.</note></p><lb/> <p>Trotz dieſem Unterſchied, und obgleich am letzteren Orte<lb/> der Vulkan kaum ſo weit über den Horizont aufſteigt als der<lb/> Veſuv, vom Molo von Neapel aus geſehen, ſo iſt dennoch der<lb/> Anblick des Piks, wenn man ihn vor Anker auf der Reede<lb/> zum erſtenmal ſieht, äußerſt großartig. Wir ſahen nur den<lb/> Zuckerhut; ſein Kegel hob ſich vom reinſten Himmelsblau ab,<lb/> während ſchwarze dicke Wolken den übrigen Berg bis auf<lb/> 3500 <hi rendition="#aq">m</hi> Höhe einhüllten. Der Bimsſtein, von den erſten<lb/> Sonnenſtrahlen beleuchtet, warf ein rötliches Licht zurück, dem<lb/> ähnlich, das häufig die Gipfel der Hochalpen färbt. Allmäh-<lb/> lich ging dieſer Schimmer in das blendendſte Weiß über, und<lb/> es ging uns wie den meiſten Reiſenden, wir meinten, der<lb/> Pik ſei noch mit Schnee bedeckt und wir werden nur mit<lb/> großer Mühe an den Rand des Kraters gelangen können.</p><lb/> <p>Wir haben in der Kordillere der Anden die Beobachtung<lb/> gemacht, daß Kegelberge, wie der Cotopaxi und der Tungu-<lb/> ragua, ſich öfter unbewölkt zeigen als Berge, deren Krone mit<lb/> vielen kleinen Unebenheiten beſetzt iſt, wie der Antiſana und<lb/> der Pichincha; aber der Pic von Tenerifa iſt, trotz ſeiner<lb/> Kegelgeſtalt, einen großen Teil des Jahres in Dunſt gehüllt,<lb/> und zuweilen ſieht man ihn auf der Reede von Santa Cruz<lb/> mehrere Wochen lang nicht ein einziges Mal. Die Erſchei-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0073]
Hafen von Orotava. Dort ergreift der Gegenſatz zwiſchen
einer lachenden, reich bebauten Ebene und der wilden Phy-
ſiognomie des Vulkanes. Von den Palmen- und Bananen-
gruppen am Strande bis zu der Region der Arbutus, der Lor-
beeren und Pinien iſt das vulkaniſche Geſtein mit kräftigem
Pflanzenwuchs bedeckt. Man begreift, wie ſogar Völker, welche
unter dem ſchönen Himmel von Griechenland und Italien
wohnen, im öſtlichen Teil von Tenerifa eine der glückſeligen
Inſeln gefunden zu haben meinten. Die Oſtküſte dagegen,
an der Santa Cruz liegt, trägt überall den Stempel der Un-
fruchtbarkeit. Der Gipfel des Piks iſt nicht öder als das
Vorgebirge aus baſaltiſcher Lava, das der Punta de Naga
zuläuft, und wo Fettpflanzen in den Ritzen des Geſteines eben
erſt den Grund zu einſtiger Dammerde legen. Im Hafen von
Orotava erſcheint die Spitze des Zuckerhutes unter einem Winkel
von mehr als 16½°, während auf dem Hafendamm von Santa
Cruz der Winkel kaum 4° 36′ beträgt. 1
Trotz dieſem Unterſchied, und obgleich am letzteren Orte
der Vulkan kaum ſo weit über den Horizont aufſteigt als der
Veſuv, vom Molo von Neapel aus geſehen, ſo iſt dennoch der
Anblick des Piks, wenn man ihn vor Anker auf der Reede
zum erſtenmal ſieht, äußerſt großartig. Wir ſahen nur den
Zuckerhut; ſein Kegel hob ſich vom reinſten Himmelsblau ab,
während ſchwarze dicke Wolken den übrigen Berg bis auf
3500 m Höhe einhüllten. Der Bimsſtein, von den erſten
Sonnenſtrahlen beleuchtet, warf ein rötliches Licht zurück, dem
ähnlich, das häufig die Gipfel der Hochalpen färbt. Allmäh-
lich ging dieſer Schimmer in das blendendſte Weiß über, und
es ging uns wie den meiſten Reiſenden, wir meinten, der
Pik ſei noch mit Schnee bedeckt und wir werden nur mit
großer Mühe an den Rand des Kraters gelangen können.
Wir haben in der Kordillere der Anden die Beobachtung
gemacht, daß Kegelberge, wie der Cotopaxi und der Tungu-
ragua, ſich öfter unbewölkt zeigen als Berge, deren Krone mit
vielen kleinen Unebenheiten beſetzt iſt, wie der Antiſana und
der Pichincha; aber der Pic von Tenerifa iſt, trotz ſeiner
Kegelgeſtalt, einen großen Teil des Jahres in Dunſt gehüllt,
und zuweilen ſieht man ihn auf der Reede von Santa Cruz
mehrere Wochen lang nicht ein einziges Mal. Die Erſchei-
1 Die Spitze des Vulkanes iſt von Orotava etwa 16,5 km, von
Santa Cruz 44 km entfernt.
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