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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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hinein, es fiel auf 15,4°. An 200 m davon ist eine andere
ebenso klare Quelle. Nimmt man an, daß diese Gewässer
ungefähr die mittlere Wärme des Ortes, wo sie zu Tage
kommen, anzeigen, so findet man als absolute Höhe des Platzes
1013 m, die mittlere Temperatur der Küste zu 21° und unter
dieser Zone eine Abnahme der Wärme um einen Grad auf
181 m angenommen. Man dürfte sich nicht wundern, wenn
diese Quelle etwas unter der mittleren Lufttemperatur bliebe,
weil sie sich wahrscheinlich weiter oben am Pik bildet, und
vielleicht sogar mit den kleinen unterirdischen Gletschern zu-
sammenhängt, von denen weiterhin die Rede sein wird. Die
oben erwähnte Uebereinstimmung der barometrischen und der
thermometrischen Messung ist desto auffallender, als im all-
gemeinen, wie ich anderwärts ausgeführt, 1 in Gebirgsländern
mit steilen Hängen die Quellen eine zu rasche Wärmeabnahme
anzeigen, weil sie kleine Wasseradern aufnehmen, die in ver-
schiedenen Höhen in den Boden gelangen, und somit ihre
Temperatur das Mittel aus den Temperaturen dieser Adern
ist. Die Quellen des Dornajito sind im Lande berühmt; als
ich dort war, kannte man auf dem Wege zum Gipfel des
Vulkanes keine andere. Quellenbildung setzt eine gewisse Regel-
mäßigkeit im Streichen und Fallen der Schichten voraus.
Auf vulkanischem Boden verschluckt das löcherige, zerklüftete
Gestein das Regenwasser und läßt es in große Tiefen ver-
sinken. Deshalb sind die Kanarien größtenteils so dürr,
trotzdem daß ihre Berge so ansehnlich sind und der Schiffer
fortwährend gewaltige Wolkenmassen über dem Archipel ge-
lagert sieht.

Vom Pino del Dornajito bis zum Krater zieht sich der
Weg bergan, aber durch kein einziges Thal mehr; denn die
kleinen Schluchten (Barrancos) verdienen diesen Namen nicht.
Geologisch betrachtet, ist die ganze Insel Tenerifa nichts als
ein Berg, dessen fast eiförmige Grundfläche sich gegen Nordost
verlängert, und der mehrere Systeme vulkanischer, zu ver-
schiedenen Zeiten gebildeter Gebirgsarten aufzuweisen hat.
Was man im Lande für besondere Vulkane ansieht, wie der
Chahorra oder Montanna Colorada und die Urca,
das sind nur Hügel, die sich an den Pik lehnen und seine

1 So hat Hunter in den Blauen Bergen auf Jamaika die
Quellen immer kälter gefunden, als sie nach der Höhe, in der sie
zu Tage kommen, sein sollten.

hinein, es fiel auf 15,4°. An 200 m davon iſt eine andere
ebenſo klare Quelle. Nimmt man an, daß dieſe Gewäſſer
ungefähr die mittlere Wärme des Ortes, wo ſie zu Tage
kommen, anzeigen, ſo findet man als abſolute Höhe des Platzes
1013 m, die mittlere Temperatur der Küſte zu 21° und unter
dieſer Zone eine Abnahme der Wärme um einen Grad auf
181 m angenommen. Man dürfte ſich nicht wundern, wenn
dieſe Quelle etwas unter der mittleren Lufttemperatur bliebe,
weil ſie ſich wahrſcheinlich weiter oben am Pik bildet, und
vielleicht ſogar mit den kleinen unterirdiſchen Gletſchern zu-
ſammenhängt, von denen weiterhin die Rede ſein wird. Die
oben erwähnte Uebereinſtimmung der barometriſchen und der
thermometriſchen Meſſung iſt deſto auffallender, als im all-
gemeinen, wie ich anderwärts ausgeführt, 1 in Gebirgsländern
mit ſteilen Hängen die Quellen eine zu raſche Wärmeabnahme
anzeigen, weil ſie kleine Waſſeradern aufnehmen, die in ver-
ſchiedenen Höhen in den Boden gelangen, und ſomit ihre
Temperatur das Mittel aus den Temperaturen dieſer Adern
iſt. Die Quellen des Dornajito ſind im Lande berühmt; als
ich dort war, kannte man auf dem Wege zum Gipfel des
Vulkanes keine andere. Quellenbildung ſetzt eine gewiſſe Regel-
mäßigkeit im Streichen und Fallen der Schichten voraus.
Auf vulkaniſchem Boden verſchluckt das löcherige, zerklüftete
Geſtein das Regenwaſſer und läßt es in große Tiefen ver-
ſinken. Deshalb ſind die Kanarien größtenteils ſo dürr,
trotzdem daß ihre Berge ſo anſehnlich ſind und der Schiffer
fortwährend gewaltige Wolkenmaſſen über dem Archipel ge-
lagert ſieht.

Vom Pino del Dornajito bis zum Krater zieht ſich der
Weg bergan, aber durch kein einziges Thal mehr; denn die
kleinen Schluchten (Barrancos) verdienen dieſen Namen nicht.
Geologiſch betrachtet, iſt die ganze Inſel Tenerifa nichts als
ein Berg, deſſen faſt eiförmige Grundfläche ſich gegen Nordoſt
verlängert, und der mehrere Syſteme vulkaniſcher, zu ver-
ſchiedenen Zeiten gebildeter Gebirgsarten aufzuweiſen hat.
Was man im Lande für beſondere Vulkane anſieht, wie der
Chahorra oder Montaña Colorada und die Urca,
das ſind nur Hügel, die ſich an den Pik lehnen und ſeine

1 So hat Hunter in den Blauen Bergen auf Jamaika die
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[76/0092] hinein, es fiel auf 15,4°. An 200 m davon iſt eine andere ebenſo klare Quelle. Nimmt man an, daß dieſe Gewäſſer ungefähr die mittlere Wärme des Ortes, wo ſie zu Tage kommen, anzeigen, ſo findet man als abſolute Höhe des Platzes 1013 m, die mittlere Temperatur der Küſte zu 21° und unter dieſer Zone eine Abnahme der Wärme um einen Grad auf 181 m angenommen. Man dürfte ſich nicht wundern, wenn dieſe Quelle etwas unter der mittleren Lufttemperatur bliebe, weil ſie ſich wahrſcheinlich weiter oben am Pik bildet, und vielleicht ſogar mit den kleinen unterirdiſchen Gletſchern zu- ſammenhängt, von denen weiterhin die Rede ſein wird. Die oben erwähnte Uebereinſtimmung der barometriſchen und der thermometriſchen Meſſung iſt deſto auffallender, als im all- gemeinen, wie ich anderwärts ausgeführt, 1 in Gebirgsländern mit ſteilen Hängen die Quellen eine zu raſche Wärmeabnahme anzeigen, weil ſie kleine Waſſeradern aufnehmen, die in ver- ſchiedenen Höhen in den Boden gelangen, und ſomit ihre Temperatur das Mittel aus den Temperaturen dieſer Adern iſt. Die Quellen des Dornajito ſind im Lande berühmt; als ich dort war, kannte man auf dem Wege zum Gipfel des Vulkanes keine andere. Quellenbildung ſetzt eine gewiſſe Regel- mäßigkeit im Streichen und Fallen der Schichten voraus. Auf vulkaniſchem Boden verſchluckt das löcherige, zerklüftete Geſtein das Regenwaſſer und läßt es in große Tiefen ver- ſinken. Deshalb ſind die Kanarien größtenteils ſo dürr, trotzdem daß ihre Berge ſo anſehnlich ſind und der Schiffer fortwährend gewaltige Wolkenmaſſen über dem Archipel ge- lagert ſieht. Vom Pino del Dornajito bis zum Krater zieht ſich der Weg bergan, aber durch kein einziges Thal mehr; denn die kleinen Schluchten (Barrancos) verdienen dieſen Namen nicht. Geologiſch betrachtet, iſt die ganze Inſel Tenerifa nichts als ein Berg, deſſen faſt eiförmige Grundfläche ſich gegen Nordoſt verlängert, und der mehrere Syſteme vulkaniſcher, zu ver- ſchiedenen Zeiten gebildeter Gebirgsarten aufzuweiſen hat. Was man im Lande für beſondere Vulkane anſieht, wie der Chahorra oder Montaña Colorada und die Urca, das ſind nur Hügel, die ſich an den Pik lehnen und ſeine 1 So hat Hunter in den Blauen Bergen auf Jamaika die Quellen immer kälter gefunden, als ſie nach der Höhe, in der ſie zu Tage kommen, ſein ſollten.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/92>, abgerufen am 24.11.2024.