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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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lassen; es ist sehr begreiflich, daß Menschen, die an die trockenere
Gebirgsluft gewöhnt sind, es sehr unangenehm empfinden,
wenn die sehr feuchte Seeluft durch die Tipeschlucht wie ein
aufsteigender Strom in das hohe Thal von Caracas herauf-
kommt, hier durch die Ausdehnung, die sie erleidet, und durch
die Berührung mit kälteren Schichten sich abkühlt und einen
bedeutenden Teil ihres Wassers niederschlägt. Diese Unbe-
ständigkeit der Witterung, diese etwas schroffen Uebergänge
von trockener, heller zu feuchter, nebliger Luft sind Uebel-
stände, die Caracas mit der ganzen gemäßigten Region unter
den Tropen, mit allen Orten gemein hat, die in einer Meeres-
höhe von 780 bis 1560 m entweder auf kleinen Hochebenen
oder am Abhange der Kordilleren liegen, wie Xalapa in Mexiko
und Guaduas in Neugranada. Beständig heiterer Himmel
einen großen Teil des Jahres hindurch kommt nur in den
Niederungen an der See vor, und wiederum in sehr bedeu-
tenden Höhen, auf den weiten Hochebenen, wo die gleich-
förmige Strahlung des Bodens die Auflösung der Dunst-
bläschen zu befördern scheint. Die dazwischen liegende Zone
beginnt mit den ersten Wolkenschichten, die sich über der Erd-
oberfläche lagern. Unbeständigkeit und viele Nebel bei sehr
milder Temperatur sind der Witterungscharakter dieser Region.

Trotz der hohen Lage ist der Himmel in Caracas ge-
wöhnlich weniger blau als in Cumana. Der Wasserdunst ist
dort nicht so vollkommen aufgelöst, und wie in unserem Klima
wird durch die stärkere Zerstreuung des Lichtes die Farbe der
Luft geschwächt, indem sich Weiß dem Blau beimischt. Die
Intensität des Himmelblau war auf dem Saussureschen Kyano-
meter vom November bis Januar im Durchschnitt 18, nie
über 20°, an den Küsten dagegen 22 bis 25°. Ich habe
im Thale von Caracas die Bemerkung gemacht, daß der Wind
von Petare das Himmelsgewölbe zuweilen auffallend blaß
färbt. Am 23. Januar war das Blau des Himmels um
Mittag im Zenith heller, als ich es je in der heißen Zone
gesehen. Es war gleich 12° des Kyanometers; die Luft war
dabei vollkommen durchsichtig, wolkenlos und auffallend trocken.
Sobald der starke Wind von Petare nachließ, stieg das Blau
im Zenith auf 16°. Zur See habe ich häufig, wenn auch in
geringerem Grade, einen ähnlichen Einfluß des Windes auf
die Farbe der Luft beim heitersten Himmel beobachtet.

Welches ist die mittlere Temperatur von Caracas? Wir
kennen sie nicht so genau wie die von Santa Fe de Bogota

A. v. Humboldt, Reise. II. 8

laſſen; es iſt ſehr begreiflich, daß Menſchen, die an die trockenere
Gebirgsluft gewöhnt ſind, es ſehr unangenehm empfinden,
wenn die ſehr feuchte Seeluft durch die Tipeſchlucht wie ein
aufſteigender Strom in das hohe Thal von Caracas herauf-
kommt, hier durch die Ausdehnung, die ſie erleidet, und durch
die Berührung mit kälteren Schichten ſich abkühlt und einen
bedeutenden Teil ihres Waſſers niederſchlägt. Dieſe Unbe-
ſtändigkeit der Witterung, dieſe etwas ſchroffen Uebergänge
von trockener, heller zu feuchter, nebliger Luft ſind Uebel-
ſtände, die Caracas mit der ganzen gemäßigten Region unter
den Tropen, mit allen Orten gemein hat, die in einer Meeres-
höhe von 780 bis 1560 m entweder auf kleinen Hochebenen
oder am Abhange der Kordilleren liegen, wie Xalapa in Mexiko
und Guaduas in Neugranada. Beſtändig heiterer Himmel
einen großen Teil des Jahres hindurch kommt nur in den
Niederungen an der See vor, und wiederum in ſehr bedeu-
tenden Höhen, auf den weiten Hochebenen, wo die gleich-
förmige Strahlung des Bodens die Auflöſung der Dunſt-
bläschen zu befördern ſcheint. Die dazwiſchen liegende Zone
beginnt mit den erſten Wolkenſchichten, die ſich über der Erd-
oberfläche lagern. Unbeſtändigkeit und viele Nebel bei ſehr
milder Temperatur ſind der Witterungscharakter dieſer Region.

Trotz der hohen Lage iſt der Himmel in Caracas ge-
wöhnlich weniger blau als in Cumana. Der Waſſerdunſt iſt
dort nicht ſo vollkommen aufgelöſt, und wie in unſerem Klima
wird durch die ſtärkere Zerſtreuung des Lichtes die Farbe der
Luft geſchwächt, indem ſich Weiß dem Blau beimiſcht. Die
Intenſität des Himmelblau war auf dem Sauſſureſchen Kyano-
meter vom November bis Januar im Durchſchnitt 18, nie
über 20°, an den Küſten dagegen 22 bis 25°. Ich habe
im Thale von Caracas die Bemerkung gemacht, daß der Wind
von Petare das Himmelsgewölbe zuweilen auffallend blaß
färbt. Am 23. Januar war das Blau des Himmels um
Mittag im Zenith heller, als ich es je in der heißen Zone
geſehen. Es war gleich 12° des Kyanometers; die Luft war
dabei vollkommen durchſichtig, wolkenlos und auffallend trocken.
Sobald der ſtarke Wind von Petare nachließ, ſtieg das Blau
im Zenith auf 16°. Zur See habe ich häufig, wenn auch in
geringerem Grade, einen ähnlichen Einfluß des Windes auf
die Farbe der Luft beim heiterſten Himmel beobachtet.

Welches iſt die mittlere Temperatur von Caracas? Wir
kennen ſie nicht ſo genau wie die von Santa Fé de Bogota

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[113/0121] laſſen; es iſt ſehr begreiflich, daß Menſchen, die an die trockenere Gebirgsluft gewöhnt ſind, es ſehr unangenehm empfinden, wenn die ſehr feuchte Seeluft durch die Tipeſchlucht wie ein aufſteigender Strom in das hohe Thal von Caracas herauf- kommt, hier durch die Ausdehnung, die ſie erleidet, und durch die Berührung mit kälteren Schichten ſich abkühlt und einen bedeutenden Teil ihres Waſſers niederſchlägt. Dieſe Unbe- ſtändigkeit der Witterung, dieſe etwas ſchroffen Uebergänge von trockener, heller zu feuchter, nebliger Luft ſind Uebel- ſtände, die Caracas mit der ganzen gemäßigten Region unter den Tropen, mit allen Orten gemein hat, die in einer Meeres- höhe von 780 bis 1560 m entweder auf kleinen Hochebenen oder am Abhange der Kordilleren liegen, wie Xalapa in Mexiko und Guaduas in Neugranada. Beſtändig heiterer Himmel einen großen Teil des Jahres hindurch kommt nur in den Niederungen an der See vor, und wiederum in ſehr bedeu- tenden Höhen, auf den weiten Hochebenen, wo die gleich- förmige Strahlung des Bodens die Auflöſung der Dunſt- bläschen zu befördern ſcheint. Die dazwiſchen liegende Zone beginnt mit den erſten Wolkenſchichten, die ſich über der Erd- oberfläche lagern. Unbeſtändigkeit und viele Nebel bei ſehr milder Temperatur ſind der Witterungscharakter dieſer Region. Trotz der hohen Lage iſt der Himmel in Caracas ge- wöhnlich weniger blau als in Cumana. Der Waſſerdunſt iſt dort nicht ſo vollkommen aufgelöſt, und wie in unſerem Klima wird durch die ſtärkere Zerſtreuung des Lichtes die Farbe der Luft geſchwächt, indem ſich Weiß dem Blau beimiſcht. Die Intenſität des Himmelblau war auf dem Sauſſureſchen Kyano- meter vom November bis Januar im Durchſchnitt 18, nie über 20°, an den Küſten dagegen 22 bis 25°. Ich habe im Thale von Caracas die Bemerkung gemacht, daß der Wind von Petare das Himmelsgewölbe zuweilen auffallend blaß färbt. Am 23. Januar war das Blau des Himmels um Mittag im Zenith heller, als ich es je in der heißen Zone geſehen. Es war gleich 12° des Kyanometers; die Luft war dabei vollkommen durchſichtig, wolkenlos und auffallend trocken. Sobald der ſtarke Wind von Petare nachließ, ſtieg das Blau im Zenith auf 16°. Zur See habe ich häufig, wenn auch in geringerem Grade, einen ähnlichen Einfluß des Windes auf die Farbe der Luft beim heiterſten Himmel beobachtet. Welches iſt die mittlere Temperatur von Caracas? Wir kennen ſie nicht ſo genau wie die von Santa Fé de Bogota A. v. Humboldt, Reiſe. II. 8

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/121>, abgerufen am 21.11.2024.