durch die obersten Erdschichten fortgepflanzt worden und daß er von da ausgegangen sei, wo der Kegel und der Krater des Cotopaxi liegen. Man muß es wahrscheinlich finden, daß der hochgelegene Teil des Königreiches Quito und die benach- barten Kordilleren keineswegs eine Gruppe einzelner Vulkane sind, sondern eine einzige aufgetriebene Masse bilden, eine ungeheure von Süd nach Nord laufende vulkanische Mauer, deren Kamm über 12150 qkm Oberfläche hat. Auf diesem Gewölbe, auf diesem aufgetriebenen Erdstücke stehen nun der Cotopaxi, der Tunguragua, der Antisana, der Pichincha. Man gibt jedem einen eigenen Namen, obgleich es im Grunde nur verschiedene Gipfel desselben vulkanischen Gebirgsklumpens sind. Das Feuer bricht bald durch den einen, bald durch den anderen dieser Gipfel aus. Die ausgefüllten Krater erscheinen uns als erloschene Vulkane; wenn aber auch der Cotopaxi und der Tunguragua in hundert Jahren nur ein oder zweimal auswerfen, so läßt sich doch annehmen, daß das unterirdische Feuer unter der Stadt Quito, unter Pichincha und Imbaburu in beständiger Thätigkeit ist.
Nordwärts finden wir zwischen dem Vulkan Cotopaxi und der Stadt Honda zwei andere vulkanische Berg- systeme, die Berge Los Pastos und die von Popayan. Daß diese Systeme unter sich zusammenhängen, geht unzweifelhaft aus einer Erscheinung hervor, deren ich schon oben gedacht habe, als von der gänzlichen Zerstörung der Stadt Caracas die Rede war. Vom November 1796 an stieß der Vulkan bei Pasto, der westlich von der Stadt dieses Namens am Thale des Rio Guaytara liegt, eine dicke Rauchsäule aus. Die Mündungen des Vulkanes liegen an der Seite des Berges, auf seinem westlichen Abhange; dennoch stieg die Rauchsäule drei Monate lang so hoch über den Gebirgskamm empor, daß die Einwohner der Stadt Pasto sie fortwährend sahen. Alle versicherten uns, zu ihrer großen Ueberraschung sei am 4. Februar 1797 der Rauch auf einmal verschwunden, ohne daß man einen Erdstoß spürte. Und im selben Augenblick wurde 300 km weiter gegen Süd zwischen dem Chimborazo, dem Tunguragua und dem Altar (Capac-Urcu) die Stadt Riobamba durch ein Erdbeben zerstört, furchtbarer als alle, die im Andenken geblieben sind. Die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse läßt wohl keinen Zweifel darüber, daß die Dämpfe, welche der Vulkan von Pasto aus seinen kleinen Mündungen oder ventanillas ausstieß, am Drucke elastischer Flüssigkeiten
durch die oberſten Erdſchichten fortgepflanzt worden und daß er von da ausgegangen ſei, wo der Kegel und der Krater des Cotopaxi liegen. Man muß es wahrſcheinlich finden, daß der hochgelegene Teil des Königreiches Quito und die benach- barten Kordilleren keineswegs eine Gruppe einzelner Vulkane ſind, ſondern eine einzige aufgetriebene Maſſe bilden, eine ungeheure von Süd nach Nord laufende vulkaniſche Mauer, deren Kamm über 12150 qkm Oberfläche hat. Auf dieſem Gewölbe, auf dieſem aufgetriebenen Erdſtücke ſtehen nun der Cotopaxi, der Tunguragua, der Antiſana, der Pichincha. Man gibt jedem einen eigenen Namen, obgleich es im Grunde nur verſchiedene Gipfel desſelben vulkaniſchen Gebirgsklumpens ſind. Das Feuer bricht bald durch den einen, bald durch den anderen dieſer Gipfel aus. Die ausgefüllten Krater erſcheinen uns als erloſchene Vulkane; wenn aber auch der Cotopaxi und der Tunguragua in hundert Jahren nur ein oder zweimal auswerfen, ſo läßt ſich doch annehmen, daß das unterirdiſche Feuer unter der Stadt Quito, unter Pichincha und Imbaburu in beſtändiger Thätigkeit iſt.
Nordwärts finden wir zwiſchen dem Vulkan Cotopaxi und der Stadt Honda zwei andere vulkaniſche Berg- ſyſteme, die Berge Los Paſtos und die von Popayan. Daß dieſe Syſteme unter ſich zuſammenhängen, geht unzweifelhaft aus einer Erſcheinung hervor, deren ich ſchon oben gedacht habe, als von der gänzlichen Zerſtörung der Stadt Caracas die Rede war. Vom November 1796 an ſtieß der Vulkan bei Paſto, der weſtlich von der Stadt dieſes Namens am Thale des Rio Guaytara liegt, eine dicke Rauchſäule aus. Die Mündungen des Vulkanes liegen an der Seite des Berges, auf ſeinem weſtlichen Abhange; dennoch ſtieg die Rauchſäule drei Monate lang ſo hoch über den Gebirgskamm empor, daß die Einwohner der Stadt Paſto ſie fortwährend ſahen. Alle verſicherten uns, zu ihrer großen Ueberraſchung ſei am 4. Februar 1797 der Rauch auf einmal verſchwunden, ohne daß man einen Erdſtoß ſpürte. Und im ſelben Augenblick wurde 300 km weiter gegen Süd zwiſchen dem Chimborazo, dem Tunguragua und dem Altar (Capac-Urcu) die Stadt Riobamba durch ein Erdbeben zerſtört, furchtbarer als alle, die im Andenken geblieben ſind. Die Gleichzeitigkeit dieſer Ereigniſſe läßt wohl keinen Zweifel darüber, daß die Dämpfe, welche der Vulkan von Paſto aus ſeinen kleinen Mündungen oder ventanillas ausſtieß, am Drucke elaſtiſcher Flüſſigkeiten
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durch die oberſten Erdſchichten fortgepflanzt worden und daß
er von da ausgegangen ſei, wo der Kegel und der Krater
des Cotopaxi liegen. Man muß es wahrſcheinlich finden, daß
der hochgelegene Teil des Königreiches Quito und die benach-
barten Kordilleren keineswegs eine Gruppe einzelner Vulkane
ſind, ſondern eine einzige aufgetriebene Maſſe bilden, eine
ungeheure von Süd nach Nord laufende vulkaniſche Mauer,
deren Kamm über 12150 qkm Oberfläche hat. Auf dieſem
Gewölbe, auf dieſem aufgetriebenen Erdſtücke ſtehen nun der
Cotopaxi, der Tunguragua, der Antiſana, der Pichincha. Man
gibt jedem einen eigenen Namen, obgleich es im Grunde nur
verſchiedene Gipfel desſelben vulkaniſchen Gebirgsklumpens
ſind. Das Feuer bricht bald durch den einen, bald durch den
anderen dieſer Gipfel aus. Die ausgefüllten Krater erſcheinen
uns als erloſchene Vulkane; wenn aber auch der Cotopaxi
und der Tunguragua in hundert Jahren nur ein oder zweimal
auswerfen, ſo läßt ſich doch annehmen, daß das unterirdiſche
Feuer unter der Stadt Quito, unter Pichincha und Imbaburu
in beſtändiger Thätigkeit iſt.
Nordwärts finden wir zwiſchen dem Vulkan Cotopaxi
und der Stadt Honda zwei andere vulkaniſche Berg-
ſyſteme, die Berge Los Paſtos und die von Popayan. Daß
dieſe Syſteme unter ſich zuſammenhängen, geht unzweifelhaft
aus einer Erſcheinung hervor, deren ich ſchon oben gedacht
habe, als von der gänzlichen Zerſtörung der Stadt Caracas
die Rede war. Vom November 1796 an ſtieß der Vulkan
bei Paſto, der weſtlich von der Stadt dieſes Namens am
Thale des Rio Guaytara liegt, eine dicke Rauchſäule aus. Die
Mündungen des Vulkanes liegen an der Seite des Berges,
auf ſeinem weſtlichen Abhange; dennoch ſtieg die Rauchſäule
drei Monate lang ſo hoch über den Gebirgskamm empor,
daß die Einwohner der Stadt Paſto ſie fortwährend ſahen.
Alle verſicherten uns, zu ihrer großen Ueberraſchung ſei am
4. Februar 1797 der Rauch auf einmal verſchwunden, ohne
daß man einen Erdſtoß ſpürte. Und im ſelben Augenblick
wurde 300 km weiter gegen Süd zwiſchen dem Chimborazo,
dem Tunguragua und dem Altar (Capac-Urcu) die Stadt
Riobamba durch ein Erdbeben zerſtört, furchtbarer als alle,
die im Andenken geblieben ſind. Die Gleichzeitigkeit dieſer
Ereigniſſe läßt wohl keinen Zweifel darüber, daß die Dämpfe,
welche der Vulkan von Paſto aus ſeinen kleinen Mündungen
oder ventanillas ausſtieß, am Drucke elaſtiſcher Flüſſigkeiten
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/170>, abgerufen am 16.02.2025.
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