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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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sie aber in zwei Monaten verdient, verschwenden sie in einer
Woche für geistige Getränke in den Schenken, deren leider
von Tag zu Tage mehr werden.

In Turmero sahen wir ein Ueberbleibsel der Landmiliz
beisammen. Man sah es den Leuten an, daß diese Thäler
seit Jahrhunderten eines ununterbrochenen Friedens genossen
hatten. Der Generalkapitän wollte das Militärwesen wieder
in Schwung bringen und hatte große Uebungen angeordnet.
Da hatte in einem Scheingefecht das Bataillon von Turmero
auf das von Victoria Feuer gegeben. Unser Wirt, ein Miliz-
lieutenant, wurde nicht müde, uns zu schildern, wie gefährlich
ein solches Manöver sei. "Rings um ihn seien Gewehre ge-
wesen, die jeden Augenblick zerspringen konnten; er habe vier
Stunden in der Sonne stehen müssen, und seine Sklaven haben
ihm nicht einmal einen Sonnenschirm über den Kopf halten
dürfen." Wie rasch doch die scheinbar friedfertigsten Völker
sich an den Krieg gewöhnen! Ich lächelte damals über eine
Hasenfüßigkeit, die sich mit so naiver Offenherzigkeit kundgab,
und zwölf Jahre darauf wurden diese selben Thäler von
Aragua, die friedlichen Ebenen bei Victoria und Turmero,
das Defile von Cabrera und die fruchtbaren Ufer des Sees
von Valencia der Schauplatz der blutigsten, hartnäckigsten
Gefechte zwischen den Eingeborenen und den Truppen des
Mutterlandes.

Südlich von Turmero springt ein Bergzug aus Kalkstein
in die Ebene vor und trennt zwei schöne Zuckerpflanzungen,
die Guayavita und die Paja. Letztere gehört der Familie
des Grafen Tovar, der überall in der Provinz Besitzungen
hat. Bei der Guayavita hat man braunes Eisenerz entdeckt.
Nördlich von Turmero, in der Küstenkordillere, erhebt sich
ein Granitgipfel, der Chuao, auf dem man zugleich das
Meer und den See von Valencia sieht. Ueber diesen Fels-
kamm, der, so weit das Auge reicht, nach West fortstreicht, ge-
langt man auf ziemlich beschwerlichen Wegen zu den reichen
Kakaopflanzungen auf dem Küstenstriche bei Choroni, Turiamo
und Ocumare, Orten, wohlbekannt wegen der Fruchtbar-
keit ihres Bodens und wegen ihrer Ungesundheit. Turmero,
Maracay, Cura, Guacara, jeder Ort im Araguathal hat
seinen Bergpfad, der zu einem der kleinen Häfen an der
Küste führt.

Hinter dem Dorfe Turmero, Maracay zu, bemerkt man
auf 4,5 km weit am Horizont einen Gegenstand, der wie ein

A. v. Humboldt, Reise. II. 13

ſie aber in zwei Monaten verdient, verſchwenden ſie in einer
Woche für geiſtige Getränke in den Schenken, deren leider
von Tag zu Tage mehr werden.

In Turmero ſahen wir ein Ueberbleibſel der Landmiliz
beiſammen. Man ſah es den Leuten an, daß dieſe Thäler
ſeit Jahrhunderten eines ununterbrochenen Friedens genoſſen
hatten. Der Generalkapitän wollte das Militärweſen wieder
in Schwung bringen und hatte große Uebungen angeordnet.
Da hatte in einem Scheingefecht das Bataillon von Turmero
auf das von Victoria Feuer gegeben. Unſer Wirt, ein Miliz-
lieutenant, wurde nicht müde, uns zu ſchildern, wie gefährlich
ein ſolches Manöver ſei. „Rings um ihn ſeien Gewehre ge-
weſen, die jeden Augenblick zerſpringen konnten; er habe vier
Stunden in der Sonne ſtehen müſſen, und ſeine Sklaven haben
ihm nicht einmal einen Sonnenſchirm über den Kopf halten
dürfen.“ Wie raſch doch die ſcheinbar friedfertigſten Völker
ſich an den Krieg gewöhnen! Ich lächelte damals über eine
Haſenfüßigkeit, die ſich mit ſo naiver Offenherzigkeit kundgab,
und zwölf Jahre darauf wurden dieſe ſelben Thäler von
Aragua, die friedlichen Ebenen bei Victoria und Turmero,
das Defilé von Cabrera und die fruchtbaren Ufer des Sees
von Valencia der Schauplatz der blutigſten, hartnäckigſten
Gefechte zwiſchen den Eingeborenen und den Truppen des
Mutterlandes.

Südlich von Turmero ſpringt ein Bergzug aus Kalkſtein
in die Ebene vor und trennt zwei ſchöne Zuckerpflanzungen,
die Guayavita und die Paja. Letztere gehört der Familie
des Grafen Tovar, der überall in der Provinz Beſitzungen
hat. Bei der Guayavita hat man braunes Eiſenerz entdeckt.
Nördlich von Turmero, in der Küſtenkordillere, erhebt ſich
ein Granitgipfel, der Chuao, auf dem man zugleich das
Meer und den See von Valencia ſieht. Ueber dieſen Fels-
kamm, der, ſo weit das Auge reicht, nach Weſt fortſtreicht, ge-
langt man auf ziemlich beſchwerlichen Wegen zu den reichen
Kakaopflanzungen auf dem Küſtenſtriche bei Choroni, Turiamo
und Ocumare, Orten, wohlbekannt wegen der Fruchtbar-
keit ihres Bodens und wegen ihrer Ungeſundheit. Turmero,
Maracay, Cura, Guacara, jeder Ort im Araguathal hat
ſeinen Bergpfad, der zu einem der kleinen Häfen an der
Küſte führt.

Hinter dem Dorfe Turmero, Maracay zu, bemerkt man
auf 4,5 km weit am Horizont einen Gegenſtand, der wie ein

A. v. Humboldt, Reiſe. II. 13
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[193/0201] ſie aber in zwei Monaten verdient, verſchwenden ſie in einer Woche für geiſtige Getränke in den Schenken, deren leider von Tag zu Tage mehr werden. In Turmero ſahen wir ein Ueberbleibſel der Landmiliz beiſammen. Man ſah es den Leuten an, daß dieſe Thäler ſeit Jahrhunderten eines ununterbrochenen Friedens genoſſen hatten. Der Generalkapitän wollte das Militärweſen wieder in Schwung bringen und hatte große Uebungen angeordnet. Da hatte in einem Scheingefecht das Bataillon von Turmero auf das von Victoria Feuer gegeben. Unſer Wirt, ein Miliz- lieutenant, wurde nicht müde, uns zu ſchildern, wie gefährlich ein ſolches Manöver ſei. „Rings um ihn ſeien Gewehre ge- weſen, die jeden Augenblick zerſpringen konnten; er habe vier Stunden in der Sonne ſtehen müſſen, und ſeine Sklaven haben ihm nicht einmal einen Sonnenſchirm über den Kopf halten dürfen.“ Wie raſch doch die ſcheinbar friedfertigſten Völker ſich an den Krieg gewöhnen! Ich lächelte damals über eine Haſenfüßigkeit, die ſich mit ſo naiver Offenherzigkeit kundgab, und zwölf Jahre darauf wurden dieſe ſelben Thäler von Aragua, die friedlichen Ebenen bei Victoria und Turmero, das Defilé von Cabrera und die fruchtbaren Ufer des Sees von Valencia der Schauplatz der blutigſten, hartnäckigſten Gefechte zwiſchen den Eingeborenen und den Truppen des Mutterlandes. Südlich von Turmero ſpringt ein Bergzug aus Kalkſtein in die Ebene vor und trennt zwei ſchöne Zuckerpflanzungen, die Guayavita und die Paja. Letztere gehört der Familie des Grafen Tovar, der überall in der Provinz Beſitzungen hat. Bei der Guayavita hat man braunes Eiſenerz entdeckt. Nördlich von Turmero, in der Küſtenkordillere, erhebt ſich ein Granitgipfel, der Chuao, auf dem man zugleich das Meer und den See von Valencia ſieht. Ueber dieſen Fels- kamm, der, ſo weit das Auge reicht, nach Weſt fortſtreicht, ge- langt man auf ziemlich beſchwerlichen Wegen zu den reichen Kakaopflanzungen auf dem Küſtenſtriche bei Choroni, Turiamo und Ocumare, Orten, wohlbekannt wegen der Fruchtbar- keit ihres Bodens und wegen ihrer Ungeſundheit. Turmero, Maracay, Cura, Guacara, jeder Ort im Araguathal hat ſeinen Bergpfad, der zu einem der kleinen Häfen an der Küſte führt. Hinter dem Dorfe Turmero, Maracay zu, bemerkt man auf 4,5 km weit am Horizont einen Gegenſtand, der wie ein A. v. Humboldt, Reiſe. II. 13

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/201>, abgerufen am 21.11.2024.