Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.Fuße der hohen Berge Las Viruelas. Am Wege stehen große Den 23. Februar brachten wir im Hause des Marques 1 Sämtliche Carolinea princeps in Schönbrunn stammen aus
Samen, die Bose und Bredemeyer von einem ungeheuer dicken Baume bei Chacao, östlich von Caracas, genommen. Fuße der hohen Berge Las Viruelas. Am Wege ſtehen große Den 23. Februar brachten wir im Hauſe des Marques 1 Sämtliche Carolinea princeps in Schönbrunn ſtammen aus
Samen, die Boſe und Bredemeyer von einem ungeheuer dicken Baume bei Chacao, öſtlich von Caracas, genommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0231" n="223"/> Fuße der hohen Berge Las Viruelas. Am Wege ſtehen große<lb/> Zamang oder Mimoſen, deren Stamm 20 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch wird. Die<lb/> faſt wagerechten Aeſte derſelben ſtoßen auf mehr als 48 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> Entfernung zuſammen. Nirgends habe ich ein ſchöneres,<lb/> dichteres Laubdach geſehen. Die Nacht war dunkel; die<lb/> Teufelsmauer und ihre gezackten Felſen tauchten zuweilen in<lb/> der Ferne auf, beleuchtet vom Scheine der brennenden Sa-<lb/> vannen oder in rötliche Rauchwolken gehüllt. Wo das Ge-<lb/> büſch am dichteſten war, ſcheuten unſere Pferde ob dem Ge-<lb/> ſchrei eines Tieres, das hinter uns herzukommen ſchien. Es<lb/> war ein großer Tiger, der ſich ſeit drei Jahren in dieſen<lb/> Bergen umtrieb und den Nachſtellungen der kühnſten Jäger<lb/> entgangen war. Er ſchleppte Pferde und Maultiere ſogar<lb/> aus Einzäunungen fort; da es ihm aber nicht an Nahrung<lb/> fehlte, hatte er noch nie Menſchen angefallen. Der Neger,<lb/> der uns führte, erhob ein wildes Geſchrei, um den Tiger zu<lb/> verſcheuchen, was natürlich nicht gelang. Der Jaguar ſtreicht,<lb/> wie der europäiſche Wolf, den Reiſenden nach, auch wenn er<lb/> ſie nicht anfallen will; der Wolf thut dies auf freiem Felde,<lb/> auf offenen Landſtrecken, der Jaguar ſchleicht am Wege hin<lb/> und zeigt ſich nur von Zeit zu Zeit im Gebüſche.</p><lb/> <p>Den 23. Februar brachten wir im Hauſe des Marques<lb/> del Toro, im Dorfe Guacara, einer ſehr ſtarken indianiſchen<lb/> Gemeinde, zu. Die Eingeborenen, deren Korregidor, Don<lb/> Pedro Peñalver, ein ſehr gebildeter Mann war, ſind ziemlich<lb/> wohlhabend. Sie hatten eben bei der Audiencia einen Prozeß<lb/> gewonnen, der ihnen die Ländereien wieder zuſprach, welche<lb/> die Weißen ihnen ſtreitig gemacht. Eine Allee von Carolinea-<lb/> bäumen führt von Guacara nach Mocundo. Ich ſah hier<lb/> zum erſtenmal dieſes prachtvolle Gewächs, das eine der vor-<lb/> nehmſten Zierden der Gewächshäuſer in Schönbrunn iſt. <note place="foot" n="1">Sämtliche <hi rendition="#aq">Carolinea princeps</hi> in Schönbrunn ſtammen aus<lb/> Samen, die Boſe und Bredemeyer von einem ungeheuer dicken<lb/> Baume bei Chacao, öſtlich von Caracas, genommen.</note><lb/> Mocundo iſt eine reiche Zuckerpflanzung der Familie Toro.<lb/> Man findet hier ſogar, was in dieſem Lande ſo ſelten iſt,<lb/> „den Luxus des Ackerbaues“, einen Garten, künſtliche Gehölze<lb/> und am Waſſer auf einem Gneisfelſen ein Luſthaus mit<lb/> einem <hi rendition="#g">Mirador</hi> oder Belvedere. Man hat da eine herrliche<lb/> Ausſicht auf das weſtliche Stück des Sees, auf die Gebirge<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0231]
Fuße der hohen Berge Las Viruelas. Am Wege ſtehen große
Zamang oder Mimoſen, deren Stamm 20 m hoch wird. Die
faſt wagerechten Aeſte derſelben ſtoßen auf mehr als 48 m
Entfernung zuſammen. Nirgends habe ich ein ſchöneres,
dichteres Laubdach geſehen. Die Nacht war dunkel; die
Teufelsmauer und ihre gezackten Felſen tauchten zuweilen in
der Ferne auf, beleuchtet vom Scheine der brennenden Sa-
vannen oder in rötliche Rauchwolken gehüllt. Wo das Ge-
büſch am dichteſten war, ſcheuten unſere Pferde ob dem Ge-
ſchrei eines Tieres, das hinter uns herzukommen ſchien. Es
war ein großer Tiger, der ſich ſeit drei Jahren in dieſen
Bergen umtrieb und den Nachſtellungen der kühnſten Jäger
entgangen war. Er ſchleppte Pferde und Maultiere ſogar
aus Einzäunungen fort; da es ihm aber nicht an Nahrung
fehlte, hatte er noch nie Menſchen angefallen. Der Neger,
der uns führte, erhob ein wildes Geſchrei, um den Tiger zu
verſcheuchen, was natürlich nicht gelang. Der Jaguar ſtreicht,
wie der europäiſche Wolf, den Reiſenden nach, auch wenn er
ſie nicht anfallen will; der Wolf thut dies auf freiem Felde,
auf offenen Landſtrecken, der Jaguar ſchleicht am Wege hin
und zeigt ſich nur von Zeit zu Zeit im Gebüſche.
Den 23. Februar brachten wir im Hauſe des Marques
del Toro, im Dorfe Guacara, einer ſehr ſtarken indianiſchen
Gemeinde, zu. Die Eingeborenen, deren Korregidor, Don
Pedro Peñalver, ein ſehr gebildeter Mann war, ſind ziemlich
wohlhabend. Sie hatten eben bei der Audiencia einen Prozeß
gewonnen, der ihnen die Ländereien wieder zuſprach, welche
die Weißen ihnen ſtreitig gemacht. Eine Allee von Carolinea-
bäumen führt von Guacara nach Mocundo. Ich ſah hier
zum erſtenmal dieſes prachtvolle Gewächs, das eine der vor-
nehmſten Zierden der Gewächshäuſer in Schönbrunn iſt. 1
Mocundo iſt eine reiche Zuckerpflanzung der Familie Toro.
Man findet hier ſogar, was in dieſem Lande ſo ſelten iſt,
„den Luxus des Ackerbaues“, einen Garten, künſtliche Gehölze
und am Waſſer auf einem Gneisfelſen ein Luſthaus mit
einem Mirador oder Belvedere. Man hat da eine herrliche
Ausſicht auf das weſtliche Stück des Sees, auf die Gebirge
1 Sämtliche Carolinea princeps in Schönbrunn ſtammen aus
Samen, die Boſe und Bredemeyer von einem ungeheuer dicken
Baume bei Chacao, öſtlich von Caracas, genommen.
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