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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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fast weiß. Dieser Unterschied in der Farbe der bedeckten und
nicht bedeckten Teile wird bei den Eingeborenen von Peru
und Mexiko niemals beobachtet, selbst nicht bei sehr wohl-
habenden Familien, die sich fast beständig in ihren Häusern
aufhalten. Westwärts von den Miami, auf der gegenüber-
liegenden asiatischen Küste, bei den Koljuschen und Tlinkit
in der Norfolkbai, erscheinen die erwachsenen Mädchen, wenn
sie angehalten werden, sich zu waschen, so weiß wie Europäer.
Diese weiße Hautfarbe soll, nach einigen Reiseberichten, auch
den Gebirgsvölkern in Chile zukommen. 1

Dies sind sehr bemerkenswerte Thatsachen, die der nur
zu sehr verbreiteten Ansicht von der außerordentlichen Gleich-
förmigkeit der Körperbildung bei den Eingeborenen Amerikas
widersprechen. Wenn wir dieselben in Eskimo und Nicht-
Eskimo
teilen, so geben wir gerne zu, daß die Einteilung
um nichts philosophischer ist, als wenn die Alten in der
ganzen bewohnten Welt nur Kelten und Skythen, Griechen
und Barbaren sahen. Handelt es sich indessen davon, zahllose
Volksstämme zu gruppieren, so gewinnt man immer doch etwas,
wenn man ausschließend zu Werke geht. Wir wollten hier
darthun, daß, wenn man die Eskimo-Tschugat ausscheidet,
mitten unter den kupferbraunen Amerikanern Stämme vor-
kommen, bei denen die Kinder weiß zur Welt kommen, ohne
daß sich, bis zur Zeit der Eroberung zurück, darthun ließe,
daß sie sich mit Europäern vermischt hätten. Dieser Umstand
verdient genauere Untersuchung durch Reisende, die bei physio-
logischen Kenntnissen Gelegenheit finden, die braunen Kinder
der Mexikaner und die weißen der Miami im Alter von zwei
Jahren zu beobachten, sowie die Horden am Orinoko, die im
heißesten Erdstrich ihr Leben lang und bei voller Kraft die
weißliche Hautfarbe der Mestizen behalten. Der geringe Ver-
kehr, der bis jetzt zwischen Nordamerika und den spanischen
Kolonieen stattfindet, hat alle derartigen Untersuchungen un-
möglich gemacht.

Beim Menschen betreffen die Abweichungen vom ganzen
gemeinsamen Rassentypus mehr den Wuchs, den Gesichts-
ausdruck, den Körperbau, als die Farbe. Bei den Tieren ist
es anders; bei diesen sind Spielarten nach der Farbe häufiger

1 Darf man an die blauen Augen der Borroa in Chile und
der Guayana am Uruguay glauben, die wie Völker vom Stamme
Odins geschildert werden? (Azzara, Reise.)

faſt weiß. Dieſer Unterſchied in der Farbe der bedeckten und
nicht bedeckten Teile wird bei den Eingeborenen von Peru
und Mexiko niemals beobachtet, ſelbſt nicht bei ſehr wohl-
habenden Familien, die ſich faſt beſtändig in ihren Häuſern
aufhalten. Weſtwärts von den Miami, auf der gegenüber-
liegenden aſiatiſchen Küſte, bei den Koljuſchen und Tlinkit
in der Norfolkbai, erſcheinen die erwachſenen Mädchen, wenn
ſie angehalten werden, ſich zu waſchen, ſo weiß wie Europäer.
Dieſe weiße Hautfarbe ſoll, nach einigen Reiſeberichten, auch
den Gebirgsvölkern in Chile zukommen. 1

Dies ſind ſehr bemerkenswerte Thatſachen, die der nur
zu ſehr verbreiteten Anſicht von der außerordentlichen Gleich-
förmigkeit der Körperbildung bei den Eingeborenen Amerikas
widerſprechen. Wenn wir dieſelben in Eskimo und Nicht-
Eskimo
teilen, ſo geben wir gerne zu, daß die Einteilung
um nichts philoſophiſcher iſt, als wenn die Alten in der
ganzen bewohnten Welt nur Kelten und Skythen, Griechen
und Barbaren ſahen. Handelt es ſich indeſſen davon, zahlloſe
Volksſtämme zu gruppieren, ſo gewinnt man immer doch etwas,
wenn man ausſchließend zu Werke geht. Wir wollten hier
darthun, daß, wenn man die Eskimo-Tſchugat ausſcheidet,
mitten unter den kupferbraunen Amerikanern Stämme vor-
kommen, bei denen die Kinder weiß zur Welt kommen, ohne
daß ſich, bis zur Zeit der Eroberung zurück, darthun ließe,
daß ſie ſich mit Europäern vermiſcht hätten. Dieſer Umſtand
verdient genauere Unterſuchung durch Reiſende, die bei phyſio-
logiſchen Kenntniſſen Gelegenheit finden, die braunen Kinder
der Mexikaner und die weißen der Miami im Alter von zwei
Jahren zu beobachten, ſowie die Horden am Orinoko, die im
heißeſten Erdſtrich ihr Leben lang und bei voller Kraft die
weißliche Hautfarbe der Meſtizen behalten. Der geringe Ver-
kehr, der bis jetzt zwiſchen Nordamerika und den ſpaniſchen
Kolonieen ſtattfindet, hat alle derartigen Unterſuchungen un-
möglich gemacht.

Beim Menſchen betreffen die Abweichungen vom ganzen
gemeinſamen Raſſentypus mehr den Wuchs, den Geſichts-
ausdruck, den Körperbau, als die Farbe. Bei den Tieren iſt
es anders; bei dieſen ſind Spielarten nach der Farbe häufiger

1 Darf man an die blauen Augen der Borroa in Chile und
der Guayana am Uruguay glauben, die wie Völker vom Stamme
Odins geſchildert werden? (Azzara, Reiſe.)
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[40/0048] faſt weiß. Dieſer Unterſchied in der Farbe der bedeckten und nicht bedeckten Teile wird bei den Eingeborenen von Peru und Mexiko niemals beobachtet, ſelbſt nicht bei ſehr wohl- habenden Familien, die ſich faſt beſtändig in ihren Häuſern aufhalten. Weſtwärts von den Miami, auf der gegenüber- liegenden aſiatiſchen Küſte, bei den Koljuſchen und Tlinkit in der Norfolkbai, erſcheinen die erwachſenen Mädchen, wenn ſie angehalten werden, ſich zu waſchen, ſo weiß wie Europäer. Dieſe weiße Hautfarbe ſoll, nach einigen Reiſeberichten, auch den Gebirgsvölkern in Chile zukommen. 1 Dies ſind ſehr bemerkenswerte Thatſachen, die der nur zu ſehr verbreiteten Anſicht von der außerordentlichen Gleich- förmigkeit der Körperbildung bei den Eingeborenen Amerikas widerſprechen. Wenn wir dieſelben in Eskimo und Nicht- Eskimo teilen, ſo geben wir gerne zu, daß die Einteilung um nichts philoſophiſcher iſt, als wenn die Alten in der ganzen bewohnten Welt nur Kelten und Skythen, Griechen und Barbaren ſahen. Handelt es ſich indeſſen davon, zahlloſe Volksſtämme zu gruppieren, ſo gewinnt man immer doch etwas, wenn man ausſchließend zu Werke geht. Wir wollten hier darthun, daß, wenn man die Eskimo-Tſchugat ausſcheidet, mitten unter den kupferbraunen Amerikanern Stämme vor- kommen, bei denen die Kinder weiß zur Welt kommen, ohne daß ſich, bis zur Zeit der Eroberung zurück, darthun ließe, daß ſie ſich mit Europäern vermiſcht hätten. Dieſer Umſtand verdient genauere Unterſuchung durch Reiſende, die bei phyſio- logiſchen Kenntniſſen Gelegenheit finden, die braunen Kinder der Mexikaner und die weißen der Miami im Alter von zwei Jahren zu beobachten, ſowie die Horden am Orinoko, die im heißeſten Erdſtrich ihr Leben lang und bei voller Kraft die weißliche Hautfarbe der Meſtizen behalten. Der geringe Ver- kehr, der bis jetzt zwiſchen Nordamerika und den ſpaniſchen Kolonieen ſtattfindet, hat alle derartigen Unterſuchungen un- möglich gemacht. Beim Menſchen betreffen die Abweichungen vom ganzen gemeinſamen Raſſentypus mehr den Wuchs, den Geſichts- ausdruck, den Körperbau, als die Farbe. Bei den Tieren iſt es anders; bei dieſen ſind Spielarten nach der Farbe häufiger 1 Darf man an die blauen Augen der Borroa in Chile und der Guayana am Uruguay glauben, die wie Völker vom Stamme Odins geſchildert werden? (Azzara, Reiſe.)

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/48>, abgerufen am 23.11.2024.