Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.zwischen dem Landungsplatz und der Vorstadt der Guaikeri. Bonpland hatte in der Nacht Fieber; aber als ein kräftiger zwiſchen dem Landungsplatz und der Vorſtadt der Guaikeri. Bonpland hatte in der Nacht Fieber; aber als ein kräftiger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="44"/> zwiſchen dem Landungsplatz und der Vorſtadt der Guaikeri.<lb/> Ich hörte hinter mir gehen, und wie ich mich umwandte,<lb/> ſah ich einen hochgewachſenen Mann von der Farbe der<lb/><hi rendition="#g">Zambos</hi>, nackt bis zum Gürtel. Er hielt faſt über meinem<lb/> Kopf eine <hi rendition="#g">Macana</hi>, einen dicken, unten keulenförmig dicker<lb/> werdenden Stock aus Palmholz. Ich wich dem Schlage aus,<lb/> indem ich links zur Seite ſprang. Bonpland, der mir zur<lb/> Rechten ging, war nicht ſo glücklich; er hatte den Zambo<lb/> ſpäter bemerkt als ich, und erhielt über die Schläfe einen<lb/> Schlag, der ihn zu Boden ſtreckte. Wir waren allein, unbe-<lb/> waffnet, 2 Kilometer von jeder Wohnung auf einer weiten<lb/> Ebene an der See. Der Zambo kümmerte ſich nicht mehr<lb/> um mich, ſondern ging langſam davon und nahm Bonplands<lb/> Hut auf, der die Gewalt des Schlages etwas gebrochen hatte<lb/> und weit weggeflogen war. Aufs äußerſte erſchrocken, da<lb/> ich meinen Reiſegefährten zu Boden ſtürzen und eine Weile<lb/> bewußtlos daliegen ſah, dachte ich nur an ihn. Ich half<lb/> ihm aufſtehen; der Schmerz und der Zorn gaben ihm doppelte<lb/> Kraft. Wir ſtürzten auf den Zambo zu, der, ſei es aus<lb/> Feigheit, die bei dieſem Menſchenſchlag gemein iſt, oder weil<lb/> er von weitem Leute am Strande ſah, nicht auf uns wartete<lb/> und dem <hi rendition="#g">Tunal</hi> zulief, einem kleinen Buſchwerk aus Fackel-<lb/> diſteln und baumartigen Avicennien. Zufällig fiel er unter-<lb/> wegs, Bonpland, der zunächſt an ihm war, rang mit ihm<lb/> und ſetzte ſich dadurch der äußerſten Gefahr aus. Der Zambo<lb/> zog ein langes Meſſer aus ſeinem Beinkleid, und im un-<lb/> gleichen Kampfe wären wir ſicher verwundet worden, wären<lb/> nicht biscayiſche Handelsleute, die auf dem Strande Kühlung<lb/> ſuchten, uns zu Hilfe gekommen. Als der Zambo ſich um-<lb/> ringt ſah, gab er die Gegenwehr auf; er entſprang wieder,<lb/> und nachdem wir ihm lange durch die ſtachlichten Kaktus nach-<lb/> gelaufen, ſchlüpfte er in einen Viehſtall, aus dem er ſich ruhig<lb/> herausholen und ins Gefängnis führen ließ.</p><lb/> <p>Bonpland hatte in der Nacht Fieber; aber als ein kräftiger<lb/> Mann, voll der Munterkeit, die eine der koſtbarſten Gaben<lb/> iſt, welche die Natur einem Reiſenden verleihen kann, ging<lb/> er ſchon des anderen Tages wieder ſeiner Arbeit nach. Der<lb/> Schlag der Macana hatte bis zum Scheitel die Haut ge-<lb/> quetſcht, und er ſpürte die Nachwehen mehrere Monate während<lb/> unſeres Aufenthaltes in Caracas. Beim Bücken, um Pflanzen<lb/> aufzunehmen, wurde er mehrere Male von einem Schwindel<lb/> befallen, der uns befürchten ließ, daß im Schädel etwas aus-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0052]
zwiſchen dem Landungsplatz und der Vorſtadt der Guaikeri.
Ich hörte hinter mir gehen, und wie ich mich umwandte,
ſah ich einen hochgewachſenen Mann von der Farbe der
Zambos, nackt bis zum Gürtel. Er hielt faſt über meinem
Kopf eine Macana, einen dicken, unten keulenförmig dicker
werdenden Stock aus Palmholz. Ich wich dem Schlage aus,
indem ich links zur Seite ſprang. Bonpland, der mir zur
Rechten ging, war nicht ſo glücklich; er hatte den Zambo
ſpäter bemerkt als ich, und erhielt über die Schläfe einen
Schlag, der ihn zu Boden ſtreckte. Wir waren allein, unbe-
waffnet, 2 Kilometer von jeder Wohnung auf einer weiten
Ebene an der See. Der Zambo kümmerte ſich nicht mehr
um mich, ſondern ging langſam davon und nahm Bonplands
Hut auf, der die Gewalt des Schlages etwas gebrochen hatte
und weit weggeflogen war. Aufs äußerſte erſchrocken, da
ich meinen Reiſegefährten zu Boden ſtürzen und eine Weile
bewußtlos daliegen ſah, dachte ich nur an ihn. Ich half
ihm aufſtehen; der Schmerz und der Zorn gaben ihm doppelte
Kraft. Wir ſtürzten auf den Zambo zu, der, ſei es aus
Feigheit, die bei dieſem Menſchenſchlag gemein iſt, oder weil
er von weitem Leute am Strande ſah, nicht auf uns wartete
und dem Tunal zulief, einem kleinen Buſchwerk aus Fackel-
diſteln und baumartigen Avicennien. Zufällig fiel er unter-
wegs, Bonpland, der zunächſt an ihm war, rang mit ihm
und ſetzte ſich dadurch der äußerſten Gefahr aus. Der Zambo
zog ein langes Meſſer aus ſeinem Beinkleid, und im un-
gleichen Kampfe wären wir ſicher verwundet worden, wären
nicht biscayiſche Handelsleute, die auf dem Strande Kühlung
ſuchten, uns zu Hilfe gekommen. Als der Zambo ſich um-
ringt ſah, gab er die Gegenwehr auf; er entſprang wieder,
und nachdem wir ihm lange durch die ſtachlichten Kaktus nach-
gelaufen, ſchlüpfte er in einen Viehſtall, aus dem er ſich ruhig
herausholen und ins Gefängnis führen ließ.
Bonpland hatte in der Nacht Fieber; aber als ein kräftiger
Mann, voll der Munterkeit, die eine der koſtbarſten Gaben
iſt, welche die Natur einem Reiſenden verleihen kann, ging
er ſchon des anderen Tages wieder ſeiner Arbeit nach. Der
Schlag der Macana hatte bis zum Scheitel die Haut ge-
quetſcht, und er ſpürte die Nachwehen mehrere Monate während
unſeres Aufenthaltes in Caracas. Beim Bücken, um Pflanzen
aufzunehmen, wurde er mehrere Male von einem Schwindel
befallen, der uns befürchten ließ, daß im Schädel etwas aus-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |