vereinfachen, überall zum Wunderbaren, und so glaubt es denn, an den genannten zwei Orten habe ein Bischof den Haien den Segen erteilt.
Guayra ist ganz eigentümlich gelegen; es läßt sich nur mit Santa Cruz auf Tenerifa vergleichen. Die Bergkette zwischen dem Hafen und dem hochgelegenen Thale von Caracas stürzt fast unmittelbar in die See ab und die Häuser der Stadt lehnen sich an eine schroffe Felswand. Zwischen dieser Wand und der See bleibt kaum ein 200 bis 270 m breiter ebener Raum. Die Stadt hat 6000 bis 8000 Einwohner und besteht nur aus zwei Straßen, die nebeneinander von Ost nach West laufen. Sie wird von der Batterie auf dem Cerro Colorado beherrscht und die Werke an der See sind gut an- gelegt und wohl erhalten. Der Anblick des Ortes hat etwas Vereinsamtes, Trübseliges; man meint nicht auf einem mit ungeheuren Wäldern bedeckten Festlande zu sein, sondern auf einer felsigen Insel ohne Dammerde und Pflanzenwuchs. Außer Cabo Blanco und den Kokosnußbäumen von Maiquetia besteht die ganze Landschaft aus dem Meereshorizont und dem blauen Himmelsgewölbe. Bei Tage ist die Hitze er- stickend, und meistens auch bei Nacht. Das Klima von Guayra gilt mit Recht für heißer als das von Cumana, Porto Cabello und Coro, weil der Seewind schwächer ist und durch die Wärme, welche nach Sonnenuntergang von den senkrechten Felsen ausstrahlt, die Luft erhitzt wird. Man machte sich übrigens von der Luftbeschaffenheit dieses Ortes und des ganzen benachbarten Küstenlandes eine unrichtige Vorstellung, wenn man nur die Temperaturen, wie der Ther- mometer sie angibt, vergleichen wollte. Eine stockende, in einer Bergschlucht eingeschlossene, mit nackten Felsmassen in Berührung stehende Luft wirkt auf unsere Organe ganz anders als eine gleich warme Luft in offener Gegend. Ich bin weit entfernt, die physische Ursache dieses Unterschiedes nur in der verschiedenen elektrischen Ladung der Luft zu suchen, muß aber doch bemerken, daß ich etwas westlich von Guayra gegen Macuto zu, weit weg von den Häusern und über 580 m von den Gneisfelsen, mehrere Tage lange kaum schwache Spuren von positiver Elektrizität bemerken konnte, während in Cumana in denselben Nachmittagsstunden und am selben mit rauchendem Docht versehenen Voltaschen Elektro- meter die Fliedermarkkügelchen 2 bis 4 mm auseinander ge- gangen waren. Ich verbreite mich weiter unten über die
vereinfachen, überall zum Wunderbaren, und ſo glaubt es denn, an den genannten zwei Orten habe ein Biſchof den Haien den Segen erteilt.
Guayra iſt ganz eigentümlich gelegen; es läßt ſich nur mit Santa Cruz auf Tenerifa vergleichen. Die Bergkette zwiſchen dem Hafen und dem hochgelegenen Thale von Caracas ſtürzt faſt unmittelbar in die See ab und die Häuſer der Stadt lehnen ſich an eine ſchroffe Felswand. Zwiſchen dieſer Wand und der See bleibt kaum ein 200 bis 270 m breiter ebener Raum. Die Stadt hat 6000 bis 8000 Einwohner und beſteht nur aus zwei Straßen, die nebeneinander von Oſt nach Weſt laufen. Sie wird von der Batterie auf dem Cerro Colorado beherrſcht und die Werke an der See ſind gut an- gelegt und wohl erhalten. Der Anblick des Ortes hat etwas Vereinſamtes, Trübſeliges; man meint nicht auf einem mit ungeheuren Wäldern bedeckten Feſtlande zu ſein, ſondern auf einer felſigen Inſel ohne Dammerde und Pflanzenwuchs. Außer Cabo Blanco und den Kokosnußbäumen von Maiquetia beſteht die ganze Landſchaft aus dem Meereshorizont und dem blauen Himmelsgewölbe. Bei Tage iſt die Hitze er- ſtickend, und meiſtens auch bei Nacht. Das Klima von Guayra gilt mit Recht für heißer als das von Cumana, Porto Cabello und Coro, weil der Seewind ſchwächer iſt und durch die Wärme, welche nach Sonnenuntergang von den ſenkrechten Felſen ausſtrahlt, die Luft erhitzt wird. Man machte ſich übrigens von der Luftbeſchaffenheit dieſes Ortes und des ganzen benachbarten Küſtenlandes eine unrichtige Vorſtellung, wenn man nur die Temperaturen, wie der Ther- mometer ſie angibt, vergleichen wollte. Eine ſtockende, in einer Bergſchlucht eingeſchloſſene, mit nackten Felsmaſſen in Berührung ſtehende Luft wirkt auf unſere Organe ganz anders als eine gleich warme Luft in offener Gegend. Ich bin weit entfernt, die phyſiſche Urſache dieſes Unterſchiedes nur in der verſchiedenen elektriſchen Ladung der Luft zu ſuchen, muß aber doch bemerken, daß ich etwas weſtlich von Guayra gegen Macuto zu, weit weg von den Häuſern und über 580 m von den Gneisfelſen, mehrere Tage lange kaum ſchwache Spuren von poſitiver Elektrizität bemerken konnte, während in Cumana in denſelben Nachmittagsſtunden und am ſelben mit rauchendem Docht verſehenen Voltaſchen Elektro- meter die Fliedermarkkügelchen 2 bis 4 mm auseinander ge- gangen waren. Ich verbreite mich weiter unten über die
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vereinfachen, überall zum Wunderbaren, und ſo glaubt es
denn, an den genannten zwei Orten habe ein Biſchof den
Haien den Segen erteilt.
Guayra iſt ganz eigentümlich gelegen; es läßt ſich nur
mit Santa Cruz auf Tenerifa vergleichen. Die Bergkette
zwiſchen dem Hafen und dem hochgelegenen Thale von Caracas
ſtürzt faſt unmittelbar in die See ab und die Häuſer der
Stadt lehnen ſich an eine ſchroffe Felswand. Zwiſchen dieſer
Wand und der See bleibt kaum ein 200 bis 270 m breiter
ebener Raum. Die Stadt hat 6000 bis 8000 Einwohner und
beſteht nur aus zwei Straßen, die nebeneinander von Oſt
nach Weſt laufen. Sie wird von der Batterie auf dem Cerro
Colorado beherrſcht und die Werke an der See ſind gut an-
gelegt und wohl erhalten. Der Anblick des Ortes hat etwas
Vereinſamtes, Trübſeliges; man meint nicht auf einem mit
ungeheuren Wäldern bedeckten Feſtlande zu ſein, ſondern auf
einer felſigen Inſel ohne Dammerde und Pflanzenwuchs.
Außer Cabo Blanco und den Kokosnußbäumen von Maiquetia
beſteht die ganze Landſchaft aus dem Meereshorizont und
dem blauen Himmelsgewölbe. Bei Tage iſt die Hitze er-
ſtickend, und meiſtens auch bei Nacht. Das Klima von
Guayra gilt mit Recht für heißer als das von Cumana,
Porto Cabello und Coro, weil der Seewind ſchwächer iſt und
durch die Wärme, welche nach Sonnenuntergang von den
ſenkrechten Felſen ausſtrahlt, die Luft erhitzt wird. Man
machte ſich übrigens von der Luftbeſchaffenheit dieſes Ortes
und des ganzen benachbarten Küſtenlandes eine unrichtige
Vorſtellung, wenn man nur die Temperaturen, wie der Ther-
mometer ſie angibt, vergleichen wollte. Eine ſtockende, in
einer Bergſchlucht eingeſchloſſene, mit nackten Felsmaſſen
in Berührung ſtehende Luft wirkt auf unſere Organe ganz
anders als eine gleich warme Luft in offener Gegend. Ich
bin weit entfernt, die phyſiſche Urſache dieſes Unterſchiedes
nur in der verſchiedenen elektriſchen Ladung der Luft zu
ſuchen, muß aber doch bemerken, daß ich etwas weſtlich von
Guayra gegen Macuto zu, weit weg von den Häuſern und
über 580 m von den Gneisfelſen, mehrere Tage lange kaum
ſchwache Spuren von poſitiver Elektrizität bemerken konnte,
während in Cumana in denſelben Nachmittagsſtunden und
am ſelben mit rauchendem Docht verſehenen Voltaſchen Elektro-
meter die Fliedermarkkügelchen 2 bis 4 mm auseinander ge-
gangen waren. Ich verbreite mich weiter unten über die
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/86>, abgerufen am 16.02.2025.
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