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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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mittlere Temperatur des kältesten Monats ist an diesen vier
Orten: 23,2°, 26,8°, 21°, 21,0°; in Kairo 13,4°. Das
Mittel der ganzen Jahrestemperatur ist, nach guten,
sorgfältig berechneten Beobachtungen, in Guayra ungefähr
28,1°, in Cumana 27,7°, in Veracruz 25,4°, in der Ha-
vana 25,6°, in Rio Janeiro 23,5°, in Santa Cruz auf
Tenerifa, unter 28° 28' der Breite, aber wie Guayra an
eine Felswand gelehnt, 21,9°, in Kairo 22,4°, in Rom
15,8° 1.

Aus diesen Beobachtungen geht hervor, daß Guayra
einer der heißesten Orte der Erde ist, daß die Summe der
Wärme, welche derselbe im Laufe eines Jahres erhält, etwas
größer ist als in Cumana, daß sich aber in den Monaten
November, Dezember und Januar (bei gleichem Abstand von
den zwei Durchgängen der Sonne durch den Zenith der
Stadt) die Luft in Guayra stärker abkühlt. Sollte diese
Abkühlung, die weit unbedeutender ist als die fast zur selben
Zeit in Veracruz und in der Havana eintretende, nicht von
der westlicheren Lage von Guayra herrühren? Das Luft-
meer, das für den oberflächlichen Blick nur eine Masse bildet,
wird durch Strömungen bewegt, deren Grenzen durch unab-
änderliche Gesetze bestimmt sind. Die Temperatur desselben
ändert sich in mannigfacher Weise nach der Gestalt der Länder
und der Meere, auf denen es ruht. Man kann es in ver-
schiedene Becken abteilen, die sich ineinander ergießen, und
wovon die unruhigsten (wie das über dem Golf von Mexiko
oder zwischen der Sierra Santa Marta und dem Meerbusen
von Darien) merkbaren Einfluß auf Erkältung und Bewe-
gung der benachbarten Luftsäulen äußern. Die Nordwinde
verursachen zuweilen im südwestlichen Striche des Meeres der
Antillen Stauungen und Gegenströmungen, die in gewissen
Monaten die Temperatur bis zu Terra Firma hin herab-
drücken.

Während meines Aufenthaltes in Guayra kannte man
die Geißel des gelben Fiebers, der Calentura amarilla, erst
seit zwei Jahren; auch war die Sterblichkeit nicht bedeutend
gewesen, da die Küste von Caracas weit weniger von Frem-
den besucht war als die Havana und Veracruz. Man hatte

1 In Paris ist das Mittel des heißesten Monats 19 bis 20°,
demnach um 3 bis 4° niedriger als die mittlere Temperatur des
kältesten Monats in Guayra.

mittlere Temperatur des kälteſten Monats iſt an dieſen vier
Orten: 23,2°, 26,8°, 21°, 21,0°; in Kairo 13,4°. Das
Mittel der ganzen Jahrestemperatur iſt, nach guten,
ſorgfältig berechneten Beobachtungen, in Guayra ungefähr
28,1°, in Cumana 27,7°, in Veracruz 25,4°, in der Ha-
vana 25,6°, in Rio Janeiro 23,5°, in Santa Cruz auf
Tenerifa, unter 28° 28′ der Breite, aber wie Guayra an
eine Felswand gelehnt, 21,9°, in Kairo 22,4°, in Rom
15,8° 1.

Aus dieſen Beobachtungen geht hervor, daß Guayra
einer der heißeſten Orte der Erde iſt, daß die Summe der
Wärme, welche derſelbe im Laufe eines Jahres erhält, etwas
größer iſt als in Cumana, daß ſich aber in den Monaten
November, Dezember und Januar (bei gleichem Abſtand von
den zwei Durchgängen der Sonne durch den Zenith der
Stadt) die Luft in Guayra ſtärker abkühlt. Sollte dieſe
Abkühlung, die weit unbedeutender iſt als die faſt zur ſelben
Zeit in Veracruz und in der Havana eintretende, nicht von
der weſtlicheren Lage von Guayra herrühren? Das Luft-
meer, das für den oberflächlichen Blick nur eine Maſſe bildet,
wird durch Strömungen bewegt, deren Grenzen durch unab-
änderliche Geſetze beſtimmt ſind. Die Temperatur desſelben
ändert ſich in mannigfacher Weiſe nach der Geſtalt der Länder
und der Meere, auf denen es ruht. Man kann es in ver-
ſchiedene Becken abteilen, die ſich ineinander ergießen, und
wovon die unruhigſten (wie das über dem Golf von Mexiko
oder zwiſchen der Sierra Santa Marta und dem Meerbuſen
von Darien) merkbaren Einfluß auf Erkältung und Bewe-
gung der benachbarten Luftſäulen äußern. Die Nordwinde
verurſachen zuweilen im ſüdweſtlichen Striche des Meeres der
Antillen Stauungen und Gegenſtrömungen, die in gewiſſen
Monaten die Temperatur bis zu Terra Firma hin herab-
drücken.

Während meines Aufenthaltes in Guayra kannte man
die Geißel des gelben Fiebers, der Calentura amarilla, erſt
ſeit zwei Jahren; auch war die Sterblichkeit nicht bedeutend
geweſen, da die Küſte von Caracas weit weniger von Frem-
den beſucht war als die Havana und Veracruz. Man hatte

1 In Paris iſt das Mittel des heißeſten Monats 19 bis 20°,
demnach um 3 bis 4° niedriger als die mittlere Temperatur des
kälteſten Monats in Guayra.
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[80/0088] mittlere Temperatur des kälteſten Monats iſt an dieſen vier Orten: 23,2°, 26,8°, 21°, 21,0°; in Kairo 13,4°. Das Mittel der ganzen Jahrestemperatur iſt, nach guten, ſorgfältig berechneten Beobachtungen, in Guayra ungefähr 28,1°, in Cumana 27,7°, in Veracruz 25,4°, in der Ha- vana 25,6°, in Rio Janeiro 23,5°, in Santa Cruz auf Tenerifa, unter 28° 28′ der Breite, aber wie Guayra an eine Felswand gelehnt, 21,9°, in Kairo 22,4°, in Rom 15,8° 1. Aus dieſen Beobachtungen geht hervor, daß Guayra einer der heißeſten Orte der Erde iſt, daß die Summe der Wärme, welche derſelbe im Laufe eines Jahres erhält, etwas größer iſt als in Cumana, daß ſich aber in den Monaten November, Dezember und Januar (bei gleichem Abſtand von den zwei Durchgängen der Sonne durch den Zenith der Stadt) die Luft in Guayra ſtärker abkühlt. Sollte dieſe Abkühlung, die weit unbedeutender iſt als die faſt zur ſelben Zeit in Veracruz und in der Havana eintretende, nicht von der weſtlicheren Lage von Guayra herrühren? Das Luft- meer, das für den oberflächlichen Blick nur eine Maſſe bildet, wird durch Strömungen bewegt, deren Grenzen durch unab- änderliche Geſetze beſtimmt ſind. Die Temperatur desſelben ändert ſich in mannigfacher Weiſe nach der Geſtalt der Länder und der Meere, auf denen es ruht. Man kann es in ver- ſchiedene Becken abteilen, die ſich ineinander ergießen, und wovon die unruhigſten (wie das über dem Golf von Mexiko oder zwiſchen der Sierra Santa Marta und dem Meerbuſen von Darien) merkbaren Einfluß auf Erkältung und Bewe- gung der benachbarten Luftſäulen äußern. Die Nordwinde verurſachen zuweilen im ſüdweſtlichen Striche des Meeres der Antillen Stauungen und Gegenſtrömungen, die in gewiſſen Monaten die Temperatur bis zu Terra Firma hin herab- drücken. Während meines Aufenthaltes in Guayra kannte man die Geißel des gelben Fiebers, der Calentura amarilla, erſt ſeit zwei Jahren; auch war die Sterblichkeit nicht bedeutend geweſen, da die Küſte von Caracas weit weniger von Frem- den beſucht war als die Havana und Veracruz. Man hatte 1 In Paris iſt das Mittel des heißeſten Monats 19 bis 20°, demnach um 3 bis 4° niedriger als die mittlere Temperatur des kälteſten Monats in Guayra.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/88>, abgerufen am 21.11.2024.