Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.rückwarf, war die Hitze erstickend; kein Lüftchen bewegte das Bei der Abfahrt von der Insel Panumana sahen wir Das kleine Dorf San Juan Nepomuceno de los rückwarf, war die Hitze erſtickend; kein Lüftchen bewegte das Bei der Abfahrt von der Inſel Panumana ſahen wir Das kleine Dorf San Juan Nepomuceno de los <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0112" n="104"/> rückwarf, war die Hitze erſtickend; kein Lüftchen bewegte das<lb/> Laub der Bäume. Wie gewöhnlich waren die Jaguare über<lb/> den Flußarm zwiſchen uns und dem Ufer herübergekommen,<lb/> und wir hörten ſie ganz in unſerer Nähe brüllen. Im Laufe<lb/> der Nacht hatten uns die Indianer geraten, aus dem Biwuak<lb/> in eine verlaſſene Hütte zu ziehen, die zu den „Conucos“ der<lb/> Einwohner von Apures gehört; ſie verrammelten den Eingang<lb/> mit Brettern, was uns ziemlich überflüſſig vorkam. Die Tiger<lb/> ſind bei den Katarakten ſo häufig, daß vor zwei Jahren ein<lb/> Indianer, der am Ende der Regenzeit, eben hier in den Co-<lb/> nucos von Panumana, ſeine Hütte wieder aufſuchte, dieſelbe<lb/> von einem Tigerweibchen mit zwei Jungen beſetzt fand. Die<lb/> Tiere hatten ſich ſeit mehreren Monaten hier aufgehalten;<lb/> nur mit Mühe brachte man ſie hinaus, und erſt nach hart-<lb/> näckigem Kampfe konnte der Eigentümer einziehen. Die Ja-<lb/> guare ziehen ſich gerne in verlaſſene Bauten, und nach meiner<lb/> Meinung thut der einzelne Reiſende meiſt klüger, unter freiem<lb/> Himmel zwiſchen zwei Feuern zu übernachten, als in unbe-<lb/> wohnten Hütten Schutz zu ſuchen.</p><lb/> <p>Bei der Abfahrt von der Inſel Panumana ſahen wir<lb/> auf dem weſtlichen Stromufer die Lagerfeuer wilder Guahibos;<lb/> der Miſſionär, der bei uns war, ließ einige blinde Schüſſe<lb/> abfeuern, um ſie einzuſchüchtern, ſagte er, und ihnen zu zeigen,<lb/> daß wir uns wehren könnten. Die Wilden hatten ohne Zweifel<lb/> keine Kanoen und wohl auch keine Luſt, uns mitten auf dem<lb/> Strome zu Leibe zu gehen. Bei Sonnenaufgang kamen wir<lb/> am Einfluß des Rio Anaveni vorüber, der von den öſtlichen<lb/> Bergen herabkommt. Jetzt ſind ſeine Ufer verlaſſen; aber<lb/> zur Jeſuitenzeit hatte Pater Olmos hier Japuin- oder Yaruro-<lb/> indianer in einem kleinen Dorfe zuſammengebracht. Die Hitze<lb/> am Tage war ſo ſtark, daß wir lange an einem ſchattigen<lb/> Platze hielten und mit der Leine fiſchten. Wir konnten die<lb/> Fiſche, die wir gefangen, kaum alle fortbringen. Erſt ganz<lb/> ſpät langten wir unmittelbar unter dem großen Katarakt in<lb/> einer Bucht an, die der <hi rendition="#g">untere Hafen</hi> (<hi rendition="#aq">puerto de abaxo</hi>)<lb/> heißt, und gingen, bei der dunkeln Nacht nicht ohne Be-<lb/> ſchwerde, auf ſchmalem Fußpfad in die Miſſion Atures, 4,5 <hi rendition="#aq">km</hi><lb/> vom Flußufer. Man kommt dabei über eine mit großen<lb/> Granitblöcken bedeckte Ebene.</p><lb/> <p>Das kleine Dorf <hi rendition="#g">San Juan Nepomuceno de los<lb/> Atures</hi> wurde im Jahre 1748 vom Jeſuiten Pater Fran-<lb/> cisco Gonzales angelegt. Es iſt ſtromaufwärts die letzte vom<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0112]
rückwarf, war die Hitze erſtickend; kein Lüftchen bewegte das
Laub der Bäume. Wie gewöhnlich waren die Jaguare über
den Flußarm zwiſchen uns und dem Ufer herübergekommen,
und wir hörten ſie ganz in unſerer Nähe brüllen. Im Laufe
der Nacht hatten uns die Indianer geraten, aus dem Biwuak
in eine verlaſſene Hütte zu ziehen, die zu den „Conucos“ der
Einwohner von Apures gehört; ſie verrammelten den Eingang
mit Brettern, was uns ziemlich überflüſſig vorkam. Die Tiger
ſind bei den Katarakten ſo häufig, daß vor zwei Jahren ein
Indianer, der am Ende der Regenzeit, eben hier in den Co-
nucos von Panumana, ſeine Hütte wieder aufſuchte, dieſelbe
von einem Tigerweibchen mit zwei Jungen beſetzt fand. Die
Tiere hatten ſich ſeit mehreren Monaten hier aufgehalten;
nur mit Mühe brachte man ſie hinaus, und erſt nach hart-
näckigem Kampfe konnte der Eigentümer einziehen. Die Ja-
guare ziehen ſich gerne in verlaſſene Bauten, und nach meiner
Meinung thut der einzelne Reiſende meiſt klüger, unter freiem
Himmel zwiſchen zwei Feuern zu übernachten, als in unbe-
wohnten Hütten Schutz zu ſuchen.
Bei der Abfahrt von der Inſel Panumana ſahen wir
auf dem weſtlichen Stromufer die Lagerfeuer wilder Guahibos;
der Miſſionär, der bei uns war, ließ einige blinde Schüſſe
abfeuern, um ſie einzuſchüchtern, ſagte er, und ihnen zu zeigen,
daß wir uns wehren könnten. Die Wilden hatten ohne Zweifel
keine Kanoen und wohl auch keine Luſt, uns mitten auf dem
Strome zu Leibe zu gehen. Bei Sonnenaufgang kamen wir
am Einfluß des Rio Anaveni vorüber, der von den öſtlichen
Bergen herabkommt. Jetzt ſind ſeine Ufer verlaſſen; aber
zur Jeſuitenzeit hatte Pater Olmos hier Japuin- oder Yaruro-
indianer in einem kleinen Dorfe zuſammengebracht. Die Hitze
am Tage war ſo ſtark, daß wir lange an einem ſchattigen
Platze hielten und mit der Leine fiſchten. Wir konnten die
Fiſche, die wir gefangen, kaum alle fortbringen. Erſt ganz
ſpät langten wir unmittelbar unter dem großen Katarakt in
einer Bucht an, die der untere Hafen (puerto de abaxo)
heißt, und gingen, bei der dunkeln Nacht nicht ohne Be-
ſchwerde, auf ſchmalem Fußpfad in die Miſſion Atures, 4,5 km
vom Flußufer. Man kommt dabei über eine mit großen
Granitblöcken bedeckte Ebene.
Das kleine Dorf San Juan Nepomuceno de los
Atures wurde im Jahre 1748 vom Jeſuiten Pater Fran-
cisco Gonzales angelegt. Es iſt ſtromaufwärts die letzte vom
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