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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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alles mit so bewundernswürdiger Regelmäßigkeit aufeinander
folgt, könnte man beinahe am Sumsen der Insekten und an
den Stichen, die je nach der Art des Giftes, das jedes In-
sekt in der Wunde zurückläßt, wieder anders schmerzen, Tag
und Nacht mit verbundenen Augen erraten, welche Zeit es ist.

Zur Zeit, da die Tier- und Pflanzengeographie noch
keine Wissenschaft war, warf man häufig verwandte Arten
aus verschiedenen Himmelsstrichen zusammen. In Japan, auf
dem Rücken der Anden und an der Magelhaensschen Meerenge
glaubte man die Fichten und die Ranunkeln, die Hirsche, Ratten
und Schnaken des nördlichen Europa wiederzufinden. Hoch-
verdiente, berühmte Naturforscher glaubten, der Maringuin
der heißen Zone sei die Schnake unserer Sümpfe, nur kräf-
tiger, gefräßiger, schädlicher infolge des heißen Klimas; dies
ist aber ein großer Irrtum. Ich habe die Zancudos, von
denen man am ärgsten gequält wird, an Ort und Stelle sorg-
fältig untersucht und beschrieben. Im Magdalenenfluß und
im Guayaquil gibt es allein fünf ganz verschiedene Arten.

Die Culexarten in Südamerika sind meist geflügelt,
Bruststück und Füße sind blau, geringelt, mit metallisch glän-
zenden Flecken und daher schillernd. Hier wie in Europa
sind die Männchen, die sich durch ihre gefiederten Fühlhörner
auszeichnen, sehr selten; man wird fast immer nur von
Weibchen gestochen. Aus dem großen Uebergewicht dieses
Geschlechtes erklärt sich die ungeheure Vermehrung der Art,
da jedes Weibchen mehrere hundert Eier legt. Fährt man
einen der großen amerikanischen Ströme hinauf, so bemerkt
man, daß sich aus dem Auftreten einer neuen Culexart schließen
läßt, daß bald wieder ein Nebenfluß hereinkommt. Ich führe
ein Beispiel dieser merkwürdigen Erscheinung an. Den Culex
lineatus,
dessen Heimat der Canno Tamalameque ist, trifft
man im Thal des Magdalenenstroms nur bis auf 4,5 km
nördlich vom Zusammenfluß der beiden Gewässer an; derselbe
geht den großen Strom hinauf, aber nicht hinab; in ähnlicher
Weise verkündigt in einem Hauptgang das Auftreten einer
neuen Substanz in der Gangmasse dem Bergmann die Nähe
eines sekundären Ganges, der sich mit jenem verbindet.

Fassen wir die hier mitgeteilten Beobachtungen zusammen,
so sehen wir, daß unter den Tropen die Moskiten und Ma-
ringuine am Abhang der Kordilleren 1 nicht in die gemäßigte

1 Der europäische Culex pipiens meidet das Gebirgsland

alles mit ſo bewundernswürdiger Regelmäßigkeit aufeinander
folgt, könnte man beinahe am Sumſen der Inſekten und an
den Stichen, die je nach der Art des Giftes, das jedes In-
ſekt in der Wunde zurückläßt, wieder anders ſchmerzen, Tag
und Nacht mit verbundenen Augen erraten, welche Zeit es iſt.

Zur Zeit, da die Tier- und Pflanzengeographie noch
keine Wiſſenſchaft war, warf man häufig verwandte Arten
aus verſchiedenen Himmelsſtrichen zuſammen. In Japan, auf
dem Rücken der Anden und an der Magelhaensſchen Meerenge
glaubte man die Fichten und die Ranunkeln, die Hirſche, Ratten
und Schnaken des nördlichen Europa wiederzufinden. Hoch-
verdiente, berühmte Naturforſcher glaubten, der Maringuin
der heißen Zone ſei die Schnake unſerer Sümpfe, nur kräf-
tiger, gefräßiger, ſchädlicher infolge des heißen Klimas; dies
iſt aber ein großer Irrtum. Ich habe die Zancudos, von
denen man am ärgſten gequält wird, an Ort und Stelle ſorg-
fältig unterſucht und beſchrieben. Im Magdalenenfluß und
im Guayaquil gibt es allein fünf ganz verſchiedene Arten.

Die Culexarten in Südamerika ſind meiſt geflügelt,
Bruſtſtück und Füße ſind blau, geringelt, mit metalliſch glän-
zenden Flecken und daher ſchillernd. Hier wie in Europa
ſind die Männchen, die ſich durch ihre gefiederten Fühlhörner
auszeichnen, ſehr ſelten; man wird faſt immer nur von
Weibchen geſtochen. Aus dem großen Uebergewicht dieſes
Geſchlechtes erklärt ſich die ungeheure Vermehrung der Art,
da jedes Weibchen mehrere hundert Eier legt. Fährt man
einen der großen amerikaniſchen Ströme hinauf, ſo bemerkt
man, daß ſich aus dem Auftreten einer neuen Culexart ſchließen
läßt, daß bald wieder ein Nebenfluß hereinkommt. Ich führe
ein Beiſpiel dieſer merkwürdigen Erſcheinung an. Den Culex
lineatus,
deſſen Heimat der Caño Tamalameque iſt, trifft
man im Thal des Magdalenenſtroms nur bis auf 4,5 km
nördlich vom Zuſammenfluß der beiden Gewäſſer an; derſelbe
geht den großen Strom hinauf, aber nicht hinab; in ähnlicher
Weiſe verkündigt in einem Hauptgang das Auftreten einer
neuen Subſtanz in der Gangmaſſe dem Bergmann die Nähe
eines ſekundären Ganges, der ſich mit jenem verbindet.

Faſſen wir die hier mitgeteilten Beobachtungen zuſammen,
ſo ſehen wir, daß unter den Tropen die Moskiten und Ma-
ringuine am Abhang der Kordilleren 1 nicht in die gemäßigte

1 Der europäiſche Culex pipiens meidet das Gebirgsland
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[149/0157] alles mit ſo bewundernswürdiger Regelmäßigkeit aufeinander folgt, könnte man beinahe am Sumſen der Inſekten und an den Stichen, die je nach der Art des Giftes, das jedes In- ſekt in der Wunde zurückläßt, wieder anders ſchmerzen, Tag und Nacht mit verbundenen Augen erraten, welche Zeit es iſt. Zur Zeit, da die Tier- und Pflanzengeographie noch keine Wiſſenſchaft war, warf man häufig verwandte Arten aus verſchiedenen Himmelsſtrichen zuſammen. In Japan, auf dem Rücken der Anden und an der Magelhaensſchen Meerenge glaubte man die Fichten und die Ranunkeln, die Hirſche, Ratten und Schnaken des nördlichen Europa wiederzufinden. Hoch- verdiente, berühmte Naturforſcher glaubten, der Maringuin der heißen Zone ſei die Schnake unſerer Sümpfe, nur kräf- tiger, gefräßiger, ſchädlicher infolge des heißen Klimas; dies iſt aber ein großer Irrtum. Ich habe die Zancudos, von denen man am ärgſten gequält wird, an Ort und Stelle ſorg- fältig unterſucht und beſchrieben. Im Magdalenenfluß und im Guayaquil gibt es allein fünf ganz verſchiedene Arten. Die Culexarten in Südamerika ſind meiſt geflügelt, Bruſtſtück und Füße ſind blau, geringelt, mit metalliſch glän- zenden Flecken und daher ſchillernd. Hier wie in Europa ſind die Männchen, die ſich durch ihre gefiederten Fühlhörner auszeichnen, ſehr ſelten; man wird faſt immer nur von Weibchen geſtochen. Aus dem großen Uebergewicht dieſes Geſchlechtes erklärt ſich die ungeheure Vermehrung der Art, da jedes Weibchen mehrere hundert Eier legt. Fährt man einen der großen amerikaniſchen Ströme hinauf, ſo bemerkt man, daß ſich aus dem Auftreten einer neuen Culexart ſchließen läßt, daß bald wieder ein Nebenfluß hereinkommt. Ich führe ein Beiſpiel dieſer merkwürdigen Erſcheinung an. Den Culex lineatus, deſſen Heimat der Caño Tamalameque iſt, trifft man im Thal des Magdalenenſtroms nur bis auf 4,5 km nördlich vom Zuſammenfluß der beiden Gewäſſer an; derſelbe geht den großen Strom hinauf, aber nicht hinab; in ähnlicher Weiſe verkündigt in einem Hauptgang das Auftreten einer neuen Subſtanz in der Gangmaſſe dem Bergmann die Nähe eines ſekundären Ganges, der ſich mit jenem verbindet. Faſſen wir die hier mitgeteilten Beobachtungen zuſammen, ſo ſehen wir, daß unter den Tropen die Moskiten und Ma- ringuine am Abhang der Kordilleren 1 nicht in die gemäßigte 1 Der europäiſche Culex pipiens meidet das Gebirgsland

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/157>, abgerufen am 21.11.2024.