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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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des schon frühe erkannten Antagonismus zwischen dem gastri-
schen und dem Hautsystem, die Verrichtung des Magens.
Man fängt an schwer zu verdauen, die Entzündung der Haut
veranlaßt profuse Schweiße, den Durst kann man nicht löschen,
und auf die beständig zunehmende Unruhe folgt bei Personen
von schwacher Konstitution eine geistige Niedergeschlagenheit,
in der alle pathogenischen Ursachen sehr heftig einwirken.
Gegenwärtig sind es nicht mehr die Gefahren der Schiffahrt
in kleinen Kanoen, nicht die wilden Indianer oder die Schlangen,
die Krokodile oder die Jaguare, was den Spaniern die Reise
auf dem Orinoko bedenklich macht, sondern nur, wie sie naiv
sich ausdrücken, "el sudar y las moscas" (der Schweiß und
die Mücken). Es ist zu hoffen, daß der Mensch, indem er
die Bodenfläche umgestaltet, damit auch die Beschaffenheit der
Luft allmählich umändert. Die Insekten werden sich ver-
mindern, wenn einmal die alten Bäume im Walde verschwun-
den sind und man in diesen öden Ländern die Stromufer
mit Dörfern besetzt, die Ebenen mit Weiden und Fruchtfeldern
bedeckt sieht.

Wer lange in von Moskiten heimgesuchten Ländern ge-
lebt hat, wird gleich uns die Erfahrung gemacht haben, daß
es gegen die Insektenplage kein Radikalmittel gibt. Die mit
Onoto, Bolus oder Schildkrötenfett beschmierten Indianer
klatschten sich jeden Augenblick mit der flachen Hand auf
Schultern, Rücken und Beine, ungefähr wie wenn sie gar
nicht bemalt wären. Es ist überhaupt zweifelhaft, ob das
Bemalen Erleichterung verschafft; so viel ist aber gewiß, daß
es nicht schützt. Die Europäer, die eben erst an den Ori-
noko, den Magdalenenstrom, den Guayaquil oder den Rio
Chagre kommen (ich nenne hier die vier Flüsse, wo die In-
sekten am furchtbarsten sind), bedecken sich zuerst Gesicht und
Hände; bald aber fühlen sie eine unerträgliche Hitze, die Lange-
weile, da sie gar nichts thun können, drückt sie nieder, und
am Ende lassen sie Gesicht und Hände frei. Wer bei der
Flußschiffahrt auf jede Beschäftigung verzichten wollte, könnte
aus Europa eine eigens verfertigte, sackförmige Kleidung mit-
bringen, in die er sich steckte und die er nur alle halbe Stunden
aufmachte; der Sack müßte durch Fischbeinreife ausgespannt
sein, denn eine bloße Maske und Handschuhe wären nicht
zu ertragen. Da wir am Boden auf Häuten oder in Hänge-
matten lagen, hätten wir uns auf dem Orinoko der Fliegen-
netze (toldos) nicht bedienen können. Der Toldo leistet nur

des ſchon frühe erkannten Antagonismus zwiſchen dem gaſtri-
ſchen und dem Hautſyſtem, die Verrichtung des Magens.
Man fängt an ſchwer zu verdauen, die Entzündung der Haut
veranlaßt profuſe Schweiße, den Durſt kann man nicht löſchen,
und auf die beſtändig zunehmende Unruhe folgt bei Perſonen
von ſchwacher Konſtitution eine geiſtige Niedergeſchlagenheit,
in der alle pathogeniſchen Urſachen ſehr heftig einwirken.
Gegenwärtig ſind es nicht mehr die Gefahren der Schiffahrt
in kleinen Kanoen, nicht die wilden Indianer oder die Schlangen,
die Krokodile oder die Jaguare, was den Spaniern die Reiſe
auf dem Orinoko bedenklich macht, ſondern nur, wie ſie naiv
ſich ausdrücken, „el sudar y las moscas” (der Schweiß und
die Mücken). Es iſt zu hoffen, daß der Menſch, indem er
die Bodenfläche umgeſtaltet, damit auch die Beſchaffenheit der
Luft allmählich umändert. Die Inſekten werden ſich ver-
mindern, wenn einmal die alten Bäume im Walde verſchwun-
den ſind und man in dieſen öden Ländern die Stromufer
mit Dörfern beſetzt, die Ebenen mit Weiden und Fruchtfeldern
bedeckt ſieht.

Wer lange in von Moskiten heimgeſuchten Ländern ge-
lebt hat, wird gleich uns die Erfahrung gemacht haben, daß
es gegen die Inſektenplage kein Radikalmittel gibt. Die mit
Onoto, Bolus oder Schildkrötenfett beſchmierten Indianer
klatſchten ſich jeden Augenblick mit der flachen Hand auf
Schultern, Rücken und Beine, ungefähr wie wenn ſie gar
nicht bemalt wären. Es iſt überhaupt zweifelhaft, ob das
Bemalen Erleichterung verſchafft; ſo viel iſt aber gewiß, daß
es nicht ſchützt. Die Europäer, die eben erſt an den Ori-
noko, den Magdalenenſtrom, den Guayaquil oder den Rio
Chagre kommen (ich nenne hier die vier Flüſſe, wo die In-
ſekten am furchtbarſten ſind), bedecken ſich zuerſt Geſicht und
Hände; bald aber fühlen ſie eine unerträgliche Hitze, die Lange-
weile, da ſie gar nichts thun können, drückt ſie nieder, und
am Ende laſſen ſie Geſicht und Hände frei. Wer bei der
Flußſchiffahrt auf jede Beſchäftigung verzichten wollte, könnte
aus Europa eine eigens verfertigte, ſackförmige Kleidung mit-
bringen, in die er ſich ſteckte und die er nur alle halbe Stunden
aufmachte; der Sack müßte durch Fiſchbeinreife ausgeſpannt
ſein, denn eine bloße Maske und Handſchuhe wären nicht
zu ertragen. Da wir am Boden auf Häuten oder in Hänge-
matten lagen, hätten wir uns auf dem Orinoko der Fliegen-
netze (toldos) nicht bedienen können. Der Toldo leiſtet nur

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[157/0165] des ſchon frühe erkannten Antagonismus zwiſchen dem gaſtri- ſchen und dem Hautſyſtem, die Verrichtung des Magens. Man fängt an ſchwer zu verdauen, die Entzündung der Haut veranlaßt profuſe Schweiße, den Durſt kann man nicht löſchen, und auf die beſtändig zunehmende Unruhe folgt bei Perſonen von ſchwacher Konſtitution eine geiſtige Niedergeſchlagenheit, in der alle pathogeniſchen Urſachen ſehr heftig einwirken. Gegenwärtig ſind es nicht mehr die Gefahren der Schiffahrt in kleinen Kanoen, nicht die wilden Indianer oder die Schlangen, die Krokodile oder die Jaguare, was den Spaniern die Reiſe auf dem Orinoko bedenklich macht, ſondern nur, wie ſie naiv ſich ausdrücken, „el sudar y las moscas” (der Schweiß und die Mücken). Es iſt zu hoffen, daß der Menſch, indem er die Bodenfläche umgeſtaltet, damit auch die Beſchaffenheit der Luft allmählich umändert. Die Inſekten werden ſich ver- mindern, wenn einmal die alten Bäume im Walde verſchwun- den ſind und man in dieſen öden Ländern die Stromufer mit Dörfern beſetzt, die Ebenen mit Weiden und Fruchtfeldern bedeckt ſieht. Wer lange in von Moskiten heimgeſuchten Ländern ge- lebt hat, wird gleich uns die Erfahrung gemacht haben, daß es gegen die Inſektenplage kein Radikalmittel gibt. Die mit Onoto, Bolus oder Schildkrötenfett beſchmierten Indianer klatſchten ſich jeden Augenblick mit der flachen Hand auf Schultern, Rücken und Beine, ungefähr wie wenn ſie gar nicht bemalt wären. Es iſt überhaupt zweifelhaft, ob das Bemalen Erleichterung verſchafft; ſo viel iſt aber gewiß, daß es nicht ſchützt. Die Europäer, die eben erſt an den Ori- noko, den Magdalenenſtrom, den Guayaquil oder den Rio Chagre kommen (ich nenne hier die vier Flüſſe, wo die In- ſekten am furchtbarſten ſind), bedecken ſich zuerſt Geſicht und Hände; bald aber fühlen ſie eine unerträgliche Hitze, die Lange- weile, da ſie gar nichts thun können, drückt ſie nieder, und am Ende laſſen ſie Geſicht und Hände frei. Wer bei der Flußſchiffahrt auf jede Beſchäftigung verzichten wollte, könnte aus Europa eine eigens verfertigte, ſackförmige Kleidung mit- bringen, in die er ſich ſteckte und die er nur alle halbe Stunden aufmachte; der Sack müßte durch Fiſchbeinreife ausgeſpannt ſein, denn eine bloße Maske und Handſchuhe wären nicht zu ertragen. Da wir am Boden auf Häuten oder in Hänge- matten lagen, hätten wir uns auf dem Orinoko der Fliegen- netze (toldos) nicht bedienen können. Der Toldo leiſtet nur

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/165>, abgerufen am 21.11.2024.