Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.kommen sehen, so machen sie sich daran, Hypothesen über ver- Die großen Nebenflüsse des Amazonenstromes heißen, kommen ſehen, ſo machen ſie ſich daran, Hypotheſen über ver- Die großen Nebenflüſſe des Amazonenſtromes heißen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0261" n="253"/> kommen ſehen, ſo machen ſie ſich daran, Hypotheſen über ver-<lb/> meintliche Flußverbindungen zu ſchmieden. Jeder Teil hat<lb/> ein Intereſſe dabei, nicht zu ſagen, was er ganz gut weiß,<lb/> und der Hang zu allem Geheimnisvollen, der bei rohen Men-<lb/> ſchen ſo gemein und ſo lebendig iſt, thut das Seinige dazu,<lb/> um die Sache im Dunkeln zu laſſen. Noch mehr, die ver-<lb/> ſchiedenen Indianerſtämme, welche dieſes Waſſerlabyrinth be-<lb/> fahren, geben den Flüſſen ganz verſchiedene Namen, und dieſe<lb/> Namen werden durch Endungen, welche „Waſſer, großes<lb/> Waſſer, Strömung“ bedeuten, unkenntlich gemacht und ver-<lb/> längert. Wie oft bin ich beim notwendigen Geſchäft, die<lb/> Synonymie der Flüſſe ins reine zu bringen, in größter Ver-<lb/> legenheit geweſen, wenn ich die geſcheiteſten Indianer vor mir<lb/> hatte und ſie mittels eines Dolmetſchers über die Zahl der<lb/> Nebenflüſſe, die Quellen und die Trageplätze befragte! Da<lb/> in derſelben Miſſion drei, vier Sprachen geſprochen werden,<lb/> ſo hält es ſehr ſchwer, die Ausſagen in Uebereinſtimmung zu<lb/> bringen. Unſere Karten wimmeln von willkürlich abgekürzten<lb/> oder entſtellten Namen. Um herauszubringen, was darauf<lb/> richtig iſt, muß man ſich von der geographiſchen Lage der<lb/> Nebenflüſſe, faſt möchte ich ſagen von einem gewiſſen etymo-<lb/> logiſchen Takt leiten laſſen. Der Rio Uaupe oder Uapes der<lb/> portugieſiſchen Karten iſt der Guapue der ſpaniſchen und der<lb/> Ucayari der Eingeborenen. Der Anava der älteren Geo-<lb/> graphen iſt Arrowſmiths Anauahu, und der Unanauhau oder<lb/> Guanauhu der Indianer. Man ließ nicht gerne einen leeren<lb/> Raum auf den Karten, damit ſie recht genau ausſehen möchten,<lb/> und ſo erſchuf man Flüſſe und legte ihnen Namen bei, ohne<lb/> zu wiſſen, daß dieſelben nur Synonyme waren. Erſt in der<lb/> neueſten Zeit haben die Reiſenden in Amerika, in Perſien<lb/> und Indien eingeſehen, wie viel darauf ankommt, daß man<lb/> in der Namengebung korrekt iſt. Lieſt man die Reiſe des<lb/> berühmten Ralegh, ſo iſt es eben nicht leicht, im See Mrecabo<lb/> den See Maracaybo und im Marquis Paraco den Namen<lb/> Pizarros, des Zerſtörers des Reichs der Inka, zu erkennen.</p><lb/> <p>Die großen Nebenflüſſe des Amazonenſtromes heißen,<lb/> ſelbſt bei den Miſſionären von europäiſcher Abſtammung, in<lb/> ihrem oberen Laufe anders als im unteren. Der I<hi rendition="#aq">ç</hi>a heißt<lb/> weiter oben Putumayo; der Jupura führt ſeinen Quellen zu<lb/> den Namen Caqueta. Wenn man in den Miſſionen der An-<lb/> daquies ſich nach dem wahren Urſprung des Rio Negro um-<lb/> ſah, ſo konnte dies um ſo weniger zu etwas führen, da man<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [253/0261]
kommen ſehen, ſo machen ſie ſich daran, Hypotheſen über ver-
meintliche Flußverbindungen zu ſchmieden. Jeder Teil hat
ein Intereſſe dabei, nicht zu ſagen, was er ganz gut weiß,
und der Hang zu allem Geheimnisvollen, der bei rohen Men-
ſchen ſo gemein und ſo lebendig iſt, thut das Seinige dazu,
um die Sache im Dunkeln zu laſſen. Noch mehr, die ver-
ſchiedenen Indianerſtämme, welche dieſes Waſſerlabyrinth be-
fahren, geben den Flüſſen ganz verſchiedene Namen, und dieſe
Namen werden durch Endungen, welche „Waſſer, großes
Waſſer, Strömung“ bedeuten, unkenntlich gemacht und ver-
längert. Wie oft bin ich beim notwendigen Geſchäft, die
Synonymie der Flüſſe ins reine zu bringen, in größter Ver-
legenheit geweſen, wenn ich die geſcheiteſten Indianer vor mir
hatte und ſie mittels eines Dolmetſchers über die Zahl der
Nebenflüſſe, die Quellen und die Trageplätze befragte! Da
in derſelben Miſſion drei, vier Sprachen geſprochen werden,
ſo hält es ſehr ſchwer, die Ausſagen in Uebereinſtimmung zu
bringen. Unſere Karten wimmeln von willkürlich abgekürzten
oder entſtellten Namen. Um herauszubringen, was darauf
richtig iſt, muß man ſich von der geographiſchen Lage der
Nebenflüſſe, faſt möchte ich ſagen von einem gewiſſen etymo-
logiſchen Takt leiten laſſen. Der Rio Uaupe oder Uapes der
portugieſiſchen Karten iſt der Guapue der ſpaniſchen und der
Ucayari der Eingeborenen. Der Anava der älteren Geo-
graphen iſt Arrowſmiths Anauahu, und der Unanauhau oder
Guanauhu der Indianer. Man ließ nicht gerne einen leeren
Raum auf den Karten, damit ſie recht genau ausſehen möchten,
und ſo erſchuf man Flüſſe und legte ihnen Namen bei, ohne
zu wiſſen, daß dieſelben nur Synonyme waren. Erſt in der
neueſten Zeit haben die Reiſenden in Amerika, in Perſien
und Indien eingeſehen, wie viel darauf ankommt, daß man
in der Namengebung korrekt iſt. Lieſt man die Reiſe des
berühmten Ralegh, ſo iſt es eben nicht leicht, im See Mrecabo
den See Maracaybo und im Marquis Paraco den Namen
Pizarros, des Zerſtörers des Reichs der Inka, zu erkennen.
Die großen Nebenflüſſe des Amazonenſtromes heißen,
ſelbſt bei den Miſſionären von europäiſcher Abſtammung, in
ihrem oberen Laufe anders als im unteren. Der Iça heißt
weiter oben Putumayo; der Jupura führt ſeinen Quellen zu
den Namen Caqueta. Wenn man in den Miſſionen der An-
daquies ſich nach dem wahren Urſprung des Rio Negro um-
ſah, ſo konnte dies um ſo weniger zu etwas führen, da man
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