rührt allein von der Verdunstung und Einsickerung auf san- digen, durchnäßten Ufern her. Man kann sich vorstellen, wie viel dies ausmacht, wenn man bedenkt, daß wir den trockenen Sand zu verschiedenen Tagesstunden 36 bis 52°, den Sand, über dem 8 bis 10 cm Wasser standen, noch 32° warm fanden. Das Flußwasser erwärmt sich dem Boden zu, so weit die Sonnenstrahlen eindringen können, ohne beim Durchgange durch die übereinander gelagerten Wasserschichten zu sehr ge- schwächt zu werden. Dabei reicht die Einsickerung weit über das Flußbett hinaus und ist, sozusagen, seitlich. Das Ge- stade, das ganz trocken scheint, ist bis zur Höhe des Wasser- spiegels mit Wasser getränkt. 97 m vom Flusse sahen wir Wasser hervorquellen, so oft die Indianer die Ruder in den Boden steckten; dieser unten feuchte, oben trockene und dem Sonnenstrahle ausgesetzte Sand wirkt nun aber wie ein Schwamm. Er gibt jeden Augenblick durch Verdunstung vom eingesickerten Wasser ab; der sich entwickelnde Wasserdampf zieht durch die obere, stark erhitzte Sandschicht und wird sicht- bar, wenn sich am Abend die Luft abkühlt. Im Maße, als das Gestade Wasser abgibt, zieht es aus dem Strome neues an, und man sieht leicht, daß dieses fortwährende Spiel von Verdunstung und seitlicher Einsaugung dem Flusse ungeheure Wassermassen entziehen muß, nur daß der Verlust schwer genau zu berechnen ist. Die Zunahme dieses Verlustes wäre der Länge des Stromlaufes proportional, wenn die Flüsse von der Quelle bis zur Mündung überall gleiche Ufer hätten; da aber diese von den Anschwemmungen herrühren, und die Ge- wässer, je weiter von der Quelle weg, desto langsamer fließen und somit notwendig im unteren Stromlaufe mehr absetzen als im oberen, so werden viele Flüsse im heißen Erdstriche ihrer Mündung zu seichter. Barrow hat die auffallende Wirkung des Sandes im östlichen Afrika an den Ufern des Orangeflusses beobachtet. Sie gab sogar bei den verschiedenen Annahmen über den Lauf des Nigers zu sehr wichtigen Er- örterungen Anlaß.
Bei der Vuelta de Basilio, wo wir ans Land gingen, um Pflanzen zu sammeln, sahen wir oben auf einem Baum zwei hübsche, kleine, pechschwarze Affen, von der Größe des Sai, mit Wickelschwänzen. Ihrem Gesichte und ihren Be- wegungen nach konnte es weder der Coaita, noch der Chamek, noch überhaupt ein Atele sein. Sogar unsere Indianer hatten nie dergleichen gesehen. In diesen Wäldern gibt es eine
rührt allein von der Verdunſtung und Einſickerung auf ſan- digen, durchnäßten Ufern her. Man kann ſich vorſtellen, wie viel dies ausmacht, wenn man bedenkt, daß wir den trockenen Sand zu verſchiedenen Tagesſtunden 36 bis 52°, den Sand, über dem 8 bis 10 cm Waſſer ſtanden, noch 32° warm fanden. Das Flußwaſſer erwärmt ſich dem Boden zu, ſo weit die Sonnenſtrahlen eindringen können, ohne beim Durchgange durch die übereinander gelagerten Waſſerſchichten zu ſehr ge- ſchwächt zu werden. Dabei reicht die Einſickerung weit über das Flußbett hinaus und iſt, ſozuſagen, ſeitlich. Das Ge- ſtade, das ganz trocken ſcheint, iſt bis zur Höhe des Waſſer- ſpiegels mit Waſſer getränkt. 97 m vom Fluſſe ſahen wir Waſſer hervorquellen, ſo oft die Indianer die Ruder in den Boden ſteckten; dieſer unten feuchte, oben trockene und dem Sonnenſtrahle ausgeſetzte Sand wirkt nun aber wie ein Schwamm. Er gibt jeden Augenblick durch Verdunſtung vom eingeſickerten Waſſer ab; der ſich entwickelnde Waſſerdampf zieht durch die obere, ſtark erhitzte Sandſchicht und wird ſicht- bar, wenn ſich am Abend die Luft abkühlt. Im Maße, als das Geſtade Waſſer abgibt, zieht es aus dem Strome neues an, und man ſieht leicht, daß dieſes fortwährende Spiel von Verdunſtung und ſeitlicher Einſaugung dem Fluſſe ungeheure Waſſermaſſen entziehen muß, nur daß der Verluſt ſchwer genau zu berechnen iſt. Die Zunahme dieſes Verluſtes wäre der Länge des Stromlaufes proportional, wenn die Flüſſe von der Quelle bis zur Mündung überall gleiche Ufer hätten; da aber dieſe von den Anſchwemmungen herrühren, und die Ge- wäſſer, je weiter von der Quelle weg, deſto langſamer fließen und ſomit notwendig im unteren Stromlaufe mehr abſetzen als im oberen, ſo werden viele Flüſſe im heißen Erdſtriche ihrer Mündung zu ſeichter. Barrow hat die auffallende Wirkung des Sandes im öſtlichen Afrika an den Ufern des Orangefluſſes beobachtet. Sie gab ſogar bei den verſchiedenen Annahmen über den Lauf des Nigers zu ſehr wichtigen Er- örterungen Anlaß.
Bei der Vuelta de Baſilio, wo wir ans Land gingen, um Pflanzen zu ſammeln, ſahen wir oben auf einem Baum zwei hübſche, kleine, pechſchwarze Affen, von der Größe des Saï, mit Wickelſchwänzen. Ihrem Geſichte und ihren Be- wegungen nach konnte es weder der Coaïta, noch der Chamek, noch überhaupt ein Atele ſein. Sogar unſere Indianer hatten nie dergleichen geſehen. In dieſen Wäldern gibt es eine
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rührt allein von der Verdunſtung und Einſickerung auf ſan-
digen, durchnäßten Ufern her. Man kann ſich vorſtellen, wie
viel dies ausmacht, wenn man bedenkt, daß wir den trockenen
Sand zu verſchiedenen Tagesſtunden 36 bis 52°, den Sand,
über dem 8 bis 10 cm Waſſer ſtanden, noch 32° warm fanden.
Das Flußwaſſer erwärmt ſich dem Boden zu, ſo weit die
Sonnenſtrahlen eindringen können, ohne beim Durchgange
durch die übereinander gelagerten Waſſerſchichten zu ſehr ge-
ſchwächt zu werden. Dabei reicht die Einſickerung weit über
das Flußbett hinaus und iſt, ſozuſagen, ſeitlich. Das Ge-
ſtade, das ganz trocken ſcheint, iſt bis zur Höhe des Waſſer-
ſpiegels mit Waſſer getränkt. 97 m vom Fluſſe ſahen wir
Waſſer hervorquellen, ſo oft die Indianer die Ruder in den
Boden ſteckten; dieſer unten feuchte, oben trockene und dem
Sonnenſtrahle ausgeſetzte Sand wirkt nun aber wie ein
Schwamm. Er gibt jeden Augenblick durch Verdunſtung vom
eingeſickerten Waſſer ab; der ſich entwickelnde Waſſerdampf
zieht durch die obere, ſtark erhitzte Sandſchicht und wird ſicht-
bar, wenn ſich am Abend die Luft abkühlt. Im Maße, als
das Geſtade Waſſer abgibt, zieht es aus dem Strome neues
an, und man ſieht leicht, daß dieſes fortwährende Spiel von
Verdunſtung und ſeitlicher Einſaugung dem Fluſſe ungeheure
Waſſermaſſen entziehen muß, nur daß der Verluſt ſchwer genau
zu berechnen iſt. Die Zunahme dieſes Verluſtes wäre der
Länge des Stromlaufes proportional, wenn die Flüſſe von
der Quelle bis zur Mündung überall gleiche Ufer hätten; da
aber dieſe von den Anſchwemmungen herrühren, und die Ge-
wäſſer, je weiter von der Quelle weg, deſto langſamer fließen
und ſomit notwendig im unteren Stromlaufe mehr abſetzen
als im oberen, ſo werden viele Flüſſe im heißen Erdſtriche
ihrer Mündung zu ſeichter. Barrow hat die auffallende
Wirkung des Sandes im öſtlichen Afrika an den Ufern des
Orangefluſſes beobachtet. Sie gab ſogar bei den verſchiedenen
Annahmen über den Lauf des Nigers zu ſehr wichtigen Er-
örterungen Anlaß.
Bei der Vuelta de Baſilio, wo wir ans Land gingen,
um Pflanzen zu ſammeln, ſahen wir oben auf einem Baum
zwei hübſche, kleine, pechſchwarze Affen, von der Größe des
Saï, mit Wickelſchwänzen. Ihrem Geſichte und ihren Be-
wegungen nach konnte es weder der Coaïta, noch der Chamek,
noch überhaupt ein Atele ſein. Sogar unſere Indianer hatten
nie dergleichen geſehen. In dieſen Wäldern gibt es eine
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/38>, abgerufen am 16.07.2024.
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