Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.kennen lernen wollte, und in den Wäldern von Guyana, dem In diesen Bergen der Encaramada, die, wie der meiste Ich kann dieses erste Glied des Bergstockes der Encara- 1 Der Begleiter des Diego de Ordaz.
kennen lernen wollte, und in den Wäldern von Guyana, dem In dieſen Bergen der Encaramada, die, wie der meiſte Ich kann dieſes erſte Glied des Bergſtockes der Encara- 1 Der Begleiter des Diego de Ordaz.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="46"/> kennen lernen wollte, und in den Wäldern von Guyana, dem<lb/> klaſſiſchen Lande der Lüge und der märchenhaften Ueberliefe-<lb/> rungen, die Argliſt der Indianer die ſchimäriſche Vorſtellung<lb/> von den Schätzen des Dorado, welche die <choice><sic>Einbildungskraſt</sic><corr>Einbildungskraft</corr></choice><lb/> der erſten Eroberer ſo gewaltig beſchäftigt hatte, von neuem<lb/> in Umlauf brachte.</p><lb/> <p>In dieſen Bergen der Encaramada, die, wie der meiſte<lb/> grobkörnige Granit, keine Gänge enthalten, fragt man ſich,<lb/> wo die Goldgeſchiebe herkommen, welche Juan Martinez <note place="foot" n="1">Der Begleiter des Diego de Ordaz.</note> und<lb/> Ralegh bei den Indianern am Orinoko in ſo großer Menge<lb/> geſehen haben wollen. Nach meinen Beobachtungen in dieſem<lb/> Teile von Amerika glaube ich, daß das Gold, wie das Zinn,<lb/> zuweilen in kaum ſichtbaren Teilchen durch die ganze Maſſe<lb/> des Granitgeſteins zerſtreut iſt, ohne daß man kleine veräſtete<lb/> und ineinander verſchlungene Gänge anzunehmen hat. Noch<lb/> nicht lange fanden Indianer aus Encaramada in der Que-<lb/> brada del Tigre (Tigerſchlucht) ein Goldkorn von 4 <hi rendition="#aq">mm</hi> Durch-<lb/> meſſer. Es war rund und ſchien im Waſſer gerollt. Dieſe<lb/> Entdeckung war den Miſſionären noch wichtiger als den In-<lb/> dianern, aber ſie blieb alleinſtehend.</p><lb/> <p>Ich kann dieſes erſte Glied des Bergſtockes der Encara-<lb/> mada nicht verlaſſen, ohne eines Umſtandes zu erwähnen, der<lb/> Pater Gili nicht unbekannt geblieben war, und deſſen man<lb/> während unſeres Aufenthaltes in den Miſſionen am Orinoko<lb/> häufig gegen uns erwähnte. Unter den Eingeborenen dieſer<lb/> Länder hat ſich die Sage erhalten, „beim großen Waſſer, als<lb/> ihre Väter das Kanoe beſteigen mußten, um der allgemeinen<lb/> Ueberſchwemmung zu entgehen, haben die Wellen des Meeres<lb/> die Felſen von Encaramada beſpült“. Dieſe Sage kommt<lb/> nicht nur bei einem einzelnen Volke, den Tamanaken vor,<lb/> ſie gehört zu einem Kreiſe geſchichtlicher Ueberlieferungen, aus<lb/> dem ſich einzelne Vorſtellungen bei den Maypures an den<lb/> großen Katarakten, bei den Indianern am Rio Erevato, der<lb/> ſich in den Caura ergießt, und faſt bei allen Stämmen am<lb/> oberen Orinoko finden. Fragt man die Tamanaken, wie das<lb/> Menſchengeſchlecht dieſe große Kataſtrophe, die <hi rendition="#g">Waſſerzeit</hi><lb/> der Mexikaner, überlebt habe, ſo ſagen ſie, „ein Mann und<lb/> ein Weib haben ſich auf einen hohen Berg, Namens Ta-<lb/> manacu, am Ufer des Aſiveru, geflüchtet; da haben ſie Früchte<lb/> der Mauritiapalme hinter ſich über ihre Köpfe geworfen, und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0054]
kennen lernen wollte, und in den Wäldern von Guyana, dem
klaſſiſchen Lande der Lüge und der märchenhaften Ueberliefe-
rungen, die Argliſt der Indianer die ſchimäriſche Vorſtellung
von den Schätzen des Dorado, welche die Einbildungskraft
der erſten Eroberer ſo gewaltig beſchäftigt hatte, von neuem
in Umlauf brachte.
In dieſen Bergen der Encaramada, die, wie der meiſte
grobkörnige Granit, keine Gänge enthalten, fragt man ſich,
wo die Goldgeſchiebe herkommen, welche Juan Martinez 1 und
Ralegh bei den Indianern am Orinoko in ſo großer Menge
geſehen haben wollen. Nach meinen Beobachtungen in dieſem
Teile von Amerika glaube ich, daß das Gold, wie das Zinn,
zuweilen in kaum ſichtbaren Teilchen durch die ganze Maſſe
des Granitgeſteins zerſtreut iſt, ohne daß man kleine veräſtete
und ineinander verſchlungene Gänge anzunehmen hat. Noch
nicht lange fanden Indianer aus Encaramada in der Que-
brada del Tigre (Tigerſchlucht) ein Goldkorn von 4 mm Durch-
meſſer. Es war rund und ſchien im Waſſer gerollt. Dieſe
Entdeckung war den Miſſionären noch wichtiger als den In-
dianern, aber ſie blieb alleinſtehend.
Ich kann dieſes erſte Glied des Bergſtockes der Encara-
mada nicht verlaſſen, ohne eines Umſtandes zu erwähnen, der
Pater Gili nicht unbekannt geblieben war, und deſſen man
während unſeres Aufenthaltes in den Miſſionen am Orinoko
häufig gegen uns erwähnte. Unter den Eingeborenen dieſer
Länder hat ſich die Sage erhalten, „beim großen Waſſer, als
ihre Väter das Kanoe beſteigen mußten, um der allgemeinen
Ueberſchwemmung zu entgehen, haben die Wellen des Meeres
die Felſen von Encaramada beſpült“. Dieſe Sage kommt
nicht nur bei einem einzelnen Volke, den Tamanaken vor,
ſie gehört zu einem Kreiſe geſchichtlicher Ueberlieferungen, aus
dem ſich einzelne Vorſtellungen bei den Maypures an den
großen Katarakten, bei den Indianern am Rio Erevato, der
ſich in den Caura ergießt, und faſt bei allen Stämmen am
oberen Orinoko finden. Fragt man die Tamanaken, wie das
Menſchengeſchlecht dieſe große Kataſtrophe, die Waſſerzeit
der Mexikaner, überlebt habe, ſo ſagen ſie, „ein Mann und
ein Weib haben ſich auf einen hohen Berg, Namens Ta-
manacu, am Ufer des Aſiveru, geflüchtet; da haben ſie Früchte
der Mauritiapalme hinter ſich über ihre Köpfe geworfen, und
1 Der Begleiter des Diego de Ordaz.
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