Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.scheint übrigens ziemlich auffallend, daß die Eingeborenen am In der Mission Atures verweilten wir nur, bis unsere Wir wagten es, in unserer Piroge durch die letzte Hälfte ſcheint übrigens ziemlich auffallend, daß die Eingeborenen am In der Miſſion Atures verweilten wir nur, bis unſere Wir wagten es, in unſerer Piroge durch die letzte Hälfte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0125" n="117"/> ſcheint übrigens ziemlich auffallend, daß die Eingeborenen am<lb/> Orinoko, trotz des Ueberfluſſes an Holz im Lande, ſo wenig<lb/> als die alten Skythen ihre Toten verbrennen. Scheiterhaufen<lb/> errichten ſie nur nach einem Gefechte, wenn der Gebliebenen<lb/> ſehr viele ſind. So verbrannten die Parecas im Jahre 1748<lb/> nicht allein die Leichen ihrer Feinde, der Tamanaken, ſondern<lb/> auch die der Ihrigen, die auf dem Schlachtfelde geblieben.<lb/> Wie alle Völker im Naturzuſtande haben auch die Indianer<lb/> in Südamerika die größte Anhänglichkeit an die Orte, wo<lb/> die Gebeine ihrer Väter ruhen. Dieſes Gefühl, das ein<lb/> großer Schriftſteller in einer Epiſode der <hi rendition="#g">Atala</hi> ſo rührend<lb/> ſchildert, hat ſich in ſeiner vollen urſprünglichen Stärke bei<lb/> den Chineſen erhalten. Dieſe Menſchen, bei denen alles<lb/> Kunſtprodukt, um nicht zu ſagen Ausfluß einer uralten Kultur<lb/> iſt, wechſeln nie den Wohnort, ohne die Gebeine ihrer Ahnen<lb/> mit ſich zu führen. An den Ufern der großen Flüſſe ſieht<lb/> man Särge ſtehen, die mit dem Hausrat der Familie zu<lb/> Schiff in eine ferne Provinz wandern ſollen. Dieſes Mit-<lb/> ſichführen der Gebeine, das früher unter den nordamerikani-<lb/> ſchen Wilden noch häufiger war, kommt bei den Stämmen<lb/> in Guyana nicht vor. Dieſe ſind aber auch keine Nomaden,<lb/> wie Völker, die ausſchließlich von der Jagd leben.</p><lb/> <p>In der Miſſion Atures verweilten wir nur, bis unſere<lb/> Piroge durch den großen Katarakt geſchafft war. Der Boden<lb/> unſeres kleinen Fahrzeuges war ſo dünn geworden, daß große<lb/> Vorſicht nötig war, damit er nicht ſprang. Wir nahmen<lb/> Abſchied vom Miſſionär Bernardo Zea, der in Atures blieb,<lb/> nachdem er zwei Monate lang unſer Begleiter geweſen und<lb/> alle unſere Beſchwerden geteilt hatte. Der arme Mann hatte<lb/> immer noch ſeine alten Anfälle von Tertianfieber, aber ſie<lb/> waren für ihn ein gewohntes Uebel geworden und er achtete<lb/> wenig mehr darauf. Bei unſerem zweiten Aufenthalt in<lb/> Atures herrſchten daſelbſt andere gefährlichere Fieber. Die<lb/> Mehrzahl der Indianer war an die Hängematte gefeſſelt, und<lb/> um etwas Kaſſavebrot (das unentbehrliche Nahrungsmittel<lb/> hierzulande) mußten wir zum unabhängigen, aber nahebei<lb/> wohnenden Stamme der Piraoa ſchicken. Bis jetzt blieben<lb/> wir von dieſen bösartigen Fiebern verſchont, die ich nicht<lb/> immer für anſteckend halte.</p><lb/> <p>Wir wagten es, in unſerer Piroge durch die letzte Hälfte<lb/> des Raudals von Atures zu fahren. Wir ſtiegen mehrere<lb/> Male aus und kletterten auf die Felſen, die wie ſchmale<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0125]
ſcheint übrigens ziemlich auffallend, daß die Eingeborenen am
Orinoko, trotz des Ueberfluſſes an Holz im Lande, ſo wenig
als die alten Skythen ihre Toten verbrennen. Scheiterhaufen
errichten ſie nur nach einem Gefechte, wenn der Gebliebenen
ſehr viele ſind. So verbrannten die Parecas im Jahre 1748
nicht allein die Leichen ihrer Feinde, der Tamanaken, ſondern
auch die der Ihrigen, die auf dem Schlachtfelde geblieben.
Wie alle Völker im Naturzuſtande haben auch die Indianer
in Südamerika die größte Anhänglichkeit an die Orte, wo
die Gebeine ihrer Väter ruhen. Dieſes Gefühl, das ein
großer Schriftſteller in einer Epiſode der Atala ſo rührend
ſchildert, hat ſich in ſeiner vollen urſprünglichen Stärke bei
den Chineſen erhalten. Dieſe Menſchen, bei denen alles
Kunſtprodukt, um nicht zu ſagen Ausfluß einer uralten Kultur
iſt, wechſeln nie den Wohnort, ohne die Gebeine ihrer Ahnen
mit ſich zu führen. An den Ufern der großen Flüſſe ſieht
man Särge ſtehen, die mit dem Hausrat der Familie zu
Schiff in eine ferne Provinz wandern ſollen. Dieſes Mit-
ſichführen der Gebeine, das früher unter den nordamerikani-
ſchen Wilden noch häufiger war, kommt bei den Stämmen
in Guyana nicht vor. Dieſe ſind aber auch keine Nomaden,
wie Völker, die ausſchließlich von der Jagd leben.
In der Miſſion Atures verweilten wir nur, bis unſere
Piroge durch den großen Katarakt geſchafft war. Der Boden
unſeres kleinen Fahrzeuges war ſo dünn geworden, daß große
Vorſicht nötig war, damit er nicht ſprang. Wir nahmen
Abſchied vom Miſſionär Bernardo Zea, der in Atures blieb,
nachdem er zwei Monate lang unſer Begleiter geweſen und
alle unſere Beſchwerden geteilt hatte. Der arme Mann hatte
immer noch ſeine alten Anfälle von Tertianfieber, aber ſie
waren für ihn ein gewohntes Uebel geworden und er achtete
wenig mehr darauf. Bei unſerem zweiten Aufenthalt in
Atures herrſchten daſelbſt andere gefährlichere Fieber. Die
Mehrzahl der Indianer war an die Hängematte gefeſſelt, und
um etwas Kaſſavebrot (das unentbehrliche Nahrungsmittel
hierzulande) mußten wir zum unabhängigen, aber nahebei
wohnenden Stamme der Piraoa ſchicken. Bis jetzt blieben
wir von dieſen bösartigen Fiebern verſchont, die ich nicht
immer für anſteckend halte.
Wir wagten es, in unſerer Piroge durch die letzte Hälfte
des Raudals von Atures zu fahren. Wir ſtiegen mehrere
Male aus und kletterten auf die Felſen, die wie ſchmale
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